Wenn sich Trends in der digitalen Kommunikation ändern, gibt es Gewinner, aber auch Verlierer. (Foto: Shutterstock)

Die Kommunikation befindet sich unter dem Druck der Digitalisierung in einem immer stärkeren Wandel. Die Trends lösen sich dabei auch immer schneller ab. Wer hätte vor einem Jahr zu prophezeien gewagt, dass das Facebook-Mutterhaus Meta 2022 erstmals in der Geschichte des Unternehmens einen rückläufigen Quartalsumsatz kommunizieren muss. Im zweiten Quartal sank der Umsatz nämlich um ein Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Nettogewinn sank gar um 36 Prozent. Facebook will nun reagieren: Die Verdoppelung der von künstlicher Intelligenz gesteuerten Content-Empfehlung soll die sinkenden Zahlen stoppen.

Gleichermassen aufsehenerregend waren Aussagen eines Google-Managers, der sich darüber beschwerte, dass das Unternehmen durch die Abwendung junger Nutzer zu neueren Plattformen bedroht sei.

Doch welches sind die Trends, auf die wir uns vorbereiten müssen? Der deutsche Politikberater und Social-Media-Stratege Martin Fuchs hat sich dazu schon einiges überlegt und es auf Twitter publiziert. Wir haben fünf selektiert und mit Beispielen angereichert:

  1. Neue Suchverhalten

Googles Senior Vice President Prabhakar Raghavan hat es an der Brainstorm-Tech-Konferenz gemäss TechChrunch schon erwähnt: «Unsere Studien haben ergeben, dass fast 40 Prozent der jungen Leute, wenn sie nach einem Ort zum Mittagessen suchen, nicht zu Google Maps oder Search gehen. Sie suchen solche Orte schon viel lieber bei TikTok oder Instagram.» Was wiederum eine Techjournalistin von Slate dazu ermunterte, dieses Verhalten zu beschreiben, wobei sie als Angehörige der jungen Generation den älteren Tech-Guy auch noch korrigierte. Denn: Instagram werde gar nicht so genutzt. Dafür aber Snapchat, das zusammen mit TikTok tatsächlich unter der Gen Z sehr beliebt sei. Die Journalistin verwendet TikTok zur Suche, selbst wenn die App gar keine Kartenfunktion aufweist. Wenn der Algorithmus einen zu einem bestimmten Video führe, könne das dennoch wie ein Goldfund sein, wie die junge Journalistin meinte: «Kürzlich sah ich ein Video von einer Frau aus meiner Gegend, die einen neuen Donut-Laden ausprobierte, mit Details zu den Menüpunkten, den besten Geschmacksrichtungen und einer kurzen Führung durch das Innere.» Gleich nachdem sie das Video gesehen hatte, habe sie sich dort mit Freunden verabredet. Sie schliesst: «Um diesen Laden über die Google-Suche zu finden, hätte ich mich wahrscheinlich durch die Ergebnisse voller Ketten und etablierter Geschäfte wühlen müssen.» Snapchat dagegen hat eine eigene Kartenfunktion, die auch noch die aktuelle Position von Kontakten und gehäuften Posts anzeigt. Was jungen Menschen ganz neue Möglichkeiten bietet, sich sogleich zu treffen, einen neuen Nachtclub oder eine spontane Party im Quartier zu finden. Die Journalistin von Slate schreibt, sie verwende Google-Produkte zwar regelmässig, aber nur noch für die einfachsten Aufgaben: «Ich überprüfe die Rechtschreibung von etwas, suche nach einem schnellen Fakt, finde eine Wegbeschreibung.» Wenn sie nach einem Ort zum Mittagessen, einem coolen neuen Pop-up oder einer Aktivität suche, die ihren Freunden gefallen könne, würde sie sich aber definitiv nicht mehr mit Google beschäftigen.

  1. Tik-Tokisierung

Auch in einem anderen Kontext setzt Tiktok neue Massstäbe: Immer mehr Plattformen orientieren sich an Standards, die TikTok setzt. Das gilt für die Formate und Inhalte der App, die Nutzerinnen und Nutzer Videos publizieren lässt. Für Fuchs geht es aber auch bis hin zu den Standards der Usabilty, also wie man die App bedienen kann, oder bis hin zum Design der Algorithmen. Die App definiert, wie Social Media währen der nächsten Jahre aussehen wird, findet Fuchs. Und wie recht er hat, lässt sich an einer einfachen Meldung illustrieren: Ende Juli gab Tech-Gigant Meta bekannt, dass er seine Feeds der Konkurrentin Tiktok angleichen werde. Welche Inhalte Nutzerinnen und Nutzer sehen, hängt in Zukunft immer weniger vom Freundeskreis ab. So wie das schon länger bei der Social-Media-App aus China der Fall ist.

  1. Messengerisierung

Ein weiterer Trend, der sich abgrenzen lässt: Die öffentliche Kommunikation im Internet, also auf Blogs oder in den Sozialen Medien, wandert seit Jahren immer stärker in geschlossene Bereiche ab. Was auch unter dem Stichwort «Dark Social» zusammengefasst wird, bedeutet nichts anderes, als dass sich Userinnen und User lieber in geschlossenen, also nicht öffentlichen Gruppen austauschen und diskutieren, dies auf Discord-Servern oder auf Gaming-Plattformen tun oder eben auch Messenger wie WhatsApp oder Telegram dafür nutzen. Seit seiner Sperre auf Twitter hat Ex-US-Präsident Donald Trump sogar eine eigene Plattform dafür eröffnet und kommuniziert dort – halböffentlich zumindest – direkt mit seinen Fans.
Das stelle eine Riesenherausforderung für die politische Kommunikation dar, findet Fuchs und stellt die wichtige Frage: «Wie kommt man rein?» Denn WhatsApp-Gruppen können ein machtvolles Instrument in Wahlkämpfen sein. Die beiden Strongmen in Indien (Modi) und Brasilien (Bolsonaro) verdanken ihre Wahlsiege der Strategie, dass die Wahlkampfbotschaften inklusive Fake News und wüsten Verunglimpfungen des politischen Gegners so direkt und ungefiltert auf die Smartphones der Wählerinnen und Wähler kommen. Kürzlich haben die brasilianischen Strafverfolger gemäss eigenen Angaben einen geplanten Staatsstreich aufgedeckt, den reiche Bolsorano-Supporter auf WhatsApp ausheckten, für den Fall, dass sein linker Gegenkandidat Lula im Oktober die Wahl gewinnen sollte.

  1. LinkedIn

Das Business-Netzwerk LinkedIn hat sich inzwischen zu einer ausgewachsenen Social-Media-Plattform gemausert. Aufgrund der Ausrichtung bietet die Plattform ideale Rahmenbedingungen auch für politische Kommunikation. Bei einer Analyse durch das deutsche Tech-Magazin TN3 im Sommer 2021 waren schon 32 Prozent der Mitglieder im Deutschen Bundestag dort vertreten. Schon damals kam man zum Schluss, dass LinkedIn immer weiter an Bedeutung gewinne, und zwar nicht nur für Business-Kontakte, sondern gerade auch im Politikumfeld. Wobei die Aufteilung auf die Parteien überraschend ausfiel: Während CDU-, FDP- und die Grünen-Abgeordneten im Schnitt deutlich über 1000 Follower verzeichneten, hinkten die anderen hinten nach. SPD, Linke und AfD schafften es im Durchschnitt nicht über die 500er-Marke. Leider fehlt eine solche Auswertung für die Schweiz. Für Fuchs ist aber klar: Politikerinnen und Politiker, kleine Gemeinden, Verbände, wohl auch Kantonsregierungen werden die Bedeutung des Kanals schnell noch mehr schätzen lernen.

  1. Run your own social network

Schliesslich sieht Fuchs einen Trend, der noch kaum dokumentiert wurde: dezentrale Netzwerke föderierter, voneinander unabhängiger sozialer Netzwerke. Was nach Fachchinesisch tönt, ist eigentlich ganz einfach. Im Internet gibt es mehr und mehr Dienste, als Beispiel hierzu sei joinmastodon erwähnt , die es Userinnen und Usern erlauben, die eigene Social-Media-Plattform zu eröffnen. Etwas, was auch ganze gesellschaftliche Gruppen, NGOs oder Bürgerbewegungen nutzen können. Auch wenn dies bisher noch eine Nische darstellt, sollte man die Möglichkeiten, die diese Angebote bieten, nicht unterschätzen: Unabhängigkeit von privaten Plattformen. Die Möglichkeit, selbst Regeln für den Umgang zu setzen. Oder aber auch: keine Abhängigkeit von kommerziellen Interessen, wenn es um den Content geht. Für Fuchs ist klar: Sollten Politik und Verwaltung solche Angebote stärker nutzen, würde dies den Wert für Bürgerinnen und Bürger schnell erhöhen.

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