The Ides of March
USA 2011, von George Clooney, mit Ryan Gosling, George Clooney, Philip Seymour Hoffman und Evan Rachel Wood.

Die fiktive Geschichte spielt in Ohio während der entscheidenden Phase der demokratischen Vorwahlen zur US-Präsidentschaft. Gouverneur und Präsidentschaftskandidat Mike Morris kämpft um die Unterstützung des einflussreichen Senators Franklin Thompson, der 365 Delegierte kontrolliert, die entscheidend für Morris’ Nomination sind. Stephen Meyers, der idealistische Vizechef der Morris-Kampagne, ist überzeugt von seinem Kandidaten und dessen vermeintlichen Werten.

Dann wird Meyers vom Kampagnenchef von Morris innerparteilichem Rivalen zum vertraulichen Gespräch eingeladen und erhält ein Jobangebot, das er ablehnt. Er erfährt von der Strategie der Gegenseite, Thompson als Gegenleistung für die Delegierten-Stimmen einen Kabinettsposten anzubieten, und informiert seinen Chef Paul Zara. Morris will Thompson nicht die gleiche Offerte unterbreiten, da er «keine schmutzigen Deals» eingehen will.

Meyers hat eine Affäre mit der jungen Kampagnenmitarbeiterin Molly Stearns und erfährt zufällig, dass sie von Morris schwanger ist. Er bezahlt ihr die Abtreibung und plant, sie aus der Kampagnenarbeit zu entfernen. Eine Journalistin wird auf das Treffen von Meyers mit der Gegenseite aufmerksam. Zara gibt sich als Quelle zu erkennen. Er bewertet das Treffen mit der Gegenseite als Vertrauensmissbrauch und versucht Meyers so aus seiner Funktion zu drängen.

Nach der Abtreibung und Freistellung nimmt sich die verzweifelte Molly das Leben. Jetzt schlägt Meyers zurück: Er erpresst «seinen» Kandidaten Morris, indem er droht, eine (fiktive) Abschiedsbotschaft von Molly an die Medien zu geben – was Morris nicht nur wegen der Affäre die Nomination kosten würde. Und er verlangt, dass Morris Thompson zum Running Mate und ihn anstelle von Zara zum Kampagnenchef kürt. Indem Morris nachgibt, verliert er seine moralische Glaubwürdigkeit.

Schliesslich sehen wir Meyers über die Schultern, wie er nun als Kampagnenchef dem Präsidentschaftskandidaten Morris beim «Acceptance-Speech» zuschaut. Für das Publikum wird klar, als Morris dabei die Wichtigkeit von Integrität und Glaubwürdigkeit in der Politik betont, wie indirekt auch Meyers Moral Schiffbruch erleidet und er vom Idealisten zum Karrieristen wird.

Der Film kam Ende August 2011 in die Kinos. Im gleichen Jahr liebäugelte Donald Trump erstmals mit einer Kandidatur für das US-Präsidentenamt (Wahl 2012). Der Plot war für das damalige Publikum eine deutliche Warnung, wie Moral und Ethik in der US-Politik verrohen. Heute sehen wir das mit ganz anderen Augen an..

Sehenswert für
Ryan Gosling als Stephen Meyers gibt einen idealistischen Polit-Campaigner, der sich blauäugig in eine Intrige verwickeln lässt. In die Ecke getrieben, schlägt er unerbittlich zurück, sichert sein Überleben an der Spitze, indem er sich die Hände schmutzig macht. Und passt sich so seinem Idol an.
George Clooney als Mike Morris verkörpert den charismatischen Politiker, der sich nicht in unethische Wahlkampfdeals verwickeln lassen will. Gleichzeitig ist er ein bigotter Schürzenjäger bei Mitarbeiterinnen seines Wahlkampfteams. Viele sahen in dieser Figur die Anspielung auf den hochgejubelten Demokraten John Edwards, der 2004 und 2008 in erfolglosen Bewerbungen um die Nomination viel über Moral und Ethik schwadronierte. Dann 2010 scheibchenweise eine aussereheliche Beziehung und eine daraus resultierende Vaterschaft zugeben musste.

Siegreiche Strategie
In «Ides of March» wird zwar Cäsar nicht ermordet, aber es sterben alle Ideale. Überleben bedeutet in diesem System alles: Dreckige Details über den eigenen Kandidaten lassen sich ebenso gewinnbringend nutzen, wie sich Stillschweigen in Beförderungen ummünzen lässt. Wer bereit ist, buchstäblich über Leichen zu gehen, kommt vorwärts. In dieser Politmaschinerie kann man sich Idealismus schlicht nicht leisten. Wenn man über Wissen verfügt, das die Aspirationen des eigenen Chefs beenden könnte, und erfolgreich den Eindruck vermittelt, man sei bereit, es entsprechend einzusetzen, kann man damit alle Loyalitäten anderen Personen gegenüber übersteuern.

Erfolglose Strategie
Als erfahrener Kampagnenchef kann man das beste Vertrauensverhältnis zum Kandidaten haben und in der Kampagnenorganisation alles im Griff haben, aber all das ist vergebens, wenn der Kandidat ein Dunkelfeld hat. 2011 war es in den USA noch eine Todsünde, sich als Politiker, der öffentlichkeitswirksam Moral, Ethik, Integrität und Glaubwürdigkeit in der Politik einfordert, ausserhalb der vermeintlichen Bilderbuch-Ehe zu vergnügen. Nur dank dieses Umstands und dem entsprechenden Insiderwissen kann Meyers Zara letztlich ausmanövrieren.

Themen
Wahlkampf, Kampagnenmanagement, Deals

Wie wird Politik dargestellt?
Das Zusammenspiel von Kandidaten und ihren Kampagnen-Managern ist ähnlich wie das von Autokraten und ihren Söldnern. Das System verlangt von den Untergebenen bedingungslosen Gehorsam und absolute Loyalität, bis zum Punkt, sich wenn nötig entlassen zu lassen und den Abgang öffentlich als selbstgewählt und richtig zu verteidigen. Klar, dass so Moral und Ethik Lippenbekenntnisse bleiben, die nur vordergründig wichtig sind, um bei der Wählerschaft zu punkten. Nicht einmal in der eigenen Organisation lebt man diesen Forderungen nach. Im Gegenteil: Es wird mit Inbrunst manipuliert und intrigiert. Jeder möchte Karriere machen und mehr Macht, auch auf Kosten der anderen. Mittendrin in diesem Geflecht sind auch die Medien, die mit Hinweisen auf geplante Artikel an noch brisantere Informationen kommen wollen. Man fragt sich, was das für Land und Leute bedeutet, wenn das tatsächlich eine korrekte Darstellung der Wirklichkeit ist.

Allerdings hat der Film viel Patina angesetzt. Nicht weil das Lehrstück über den Verfall der Moral zu wenig bietet, sondern weil die Realität im Weissen Haus derzeit viel schlimmer und offensichtlicher geworden ist. Kein Politikerfilm, sondern ein Campaigner-Film: Jeder Anschein, es gehe Letztlich um etwas Übergeordnetes und man müsse bereit sein, dafür auch unfair zu kämpfen (siehe auch «Nur wer schmutzig kämpft, kann Gutes tun»), wird hier zerstört: Alles dreht sich ums Überleben und darum, begangene Fehltritte (Molly und Morris, Treffen mit der Konkurrenz etc.) auszubügeln bzw. zu vertuschen.

Zitat
“As a president, you can cheat, you can lie, you can start a war and you can bankrupt the country. But the only thing you cannot do, is fuck an intern!”

Das Timing entscheidet

Politik im Film #6: Wie in «Lincoln» die Sklaverei 1865 abgeschafft wird

Am Schluss kämpft jeder für sich selbst

Politik im Film #16: Wie in «Ides of March» alle Ideale sterben

Politik als Gegenstand der Filmkunst

Politik im Film – unsere neue Serie zum Politikbild, das Spielfilme über die Jahre vermittelt haben

Herzliche Gratulation zum Märtyrertum!

Politik im Film #10: Wie in «Life of Brian» das Reden dem Handeln im Weg steht

Das Persönliche wird politisch

Politik im Film #2: Wie der Schritt aus der Privatsphäre Mehrheitsverhältnisse kippt.

Der Underdog übernimmt die Kontrolle

Politik im Film #13: Wie Gandhi die Kolonialherren an gewaltfreier Non-Kooperation verzweifeln lässt

We shall never surrender

Politik im Film #9 Wie Churchill in «Darkest Hour» die Sprache in den Krieg gegen die Nazis schickt

Zuviel Stärke zeigen ist riskant

Politik im Film #4: Wie die Logik der Abschreckung die Politik irrelevant macht

Politik verwandelt Menschen in Amtsträger

Politik im Film #8: Wie die Liebe zu einer Lobbyistin den US-Präsidenten zur geradlinigen Politik zurückführt