Primary colors (Mit aller Macht) 
USA 1998, von Mike Nichols, mit John Travolta, Emma Thompson, Billy Bob Thornton, Kathy Bates und Adrian Lester, nach dem Roman von Anonymous (Joe Klein)

Spoiler-Alert 
Der Südstaatengouverneur Jack Stanton kandidiert in den demokratischen Vorwahlen für die US-Präsidentschaft. Aus der Perspektive von Henry Burton, dem Enkel eines Bürgerrechtlers, erleben wir die Kampagne in den Vorwahlen mit, von Flyeraktionen und Telefonmarketing über TV-Debatten und -Interviews bis zu Opposition Research und Strategiediskussionen. Jack Stanton ist ein genialer Politiker mit magischer Ausstrahlung auf die Wählerschaft und auf sein Wahlkampfteam, jedoch ist sein Weg gepflastert mit tatsächlichen und erfundenen Skandalen («the war thing, the drug thing, the woman thing»). Oder mit den Worten seiner Ehefrau Susan: «Jack Stanton could be a great man if he weren’t such a faithless, thoughtless, disorganized, undisciplined shit.»

Nach einem Herzinfarkt des letzten verbliebenen Gegenkandidaten steigt an dessen Stelle ein früherer Gouverneur ins Rennen und geht in Führung. Die Untersuchung seines Privatlebens fördert Jahrzehnte zurückliegende Kokainsucht und eheliche Untreue zutage. Die Bereitschaft der Stantons, diese Informationen zu nutzen, um den Konkurrenten aus dem Wahlkampf auszuschalten, treibt eine Jugendfreundin in den Suizid und lässt Henry Burton an den Idealen seines Kandidaten zweifeln.
Der Film endet mit dem Tanz von Jack und Susan Stanton am Inaugurationsball sowie einem Händedruck zwischen Jack Stanton und einem wieder strahlenden Henry Burton.

Sehenswert für 
John Travolta als hochtalentierter und zügelloser Verführer mit klebrigem Charme, Emma Thompson als kühl kalkulierende Ehefrau und Billy Bob Thornton als exzentrischer Wahlkampfguru
die packende Verfilmung der Kampagne für eine US-Vorwahl, auf der Basis des Schlüsselromans eines langjährigen Newsweek-Journalisten über Bill Clintons Vorwahlkampf 1992
eine gelungene Melange aus Wahlkampfsatire und nachdenklich stimmenden Dialogen über Politik und Ideale

Siegreiche Strategie
Rechtfertige all dein Handeln vom Endziel her: «Is there anyone else out there with a chance to actually win this election who’d do more for the people than I would? Who’d even think about the folks I care about?»
Wer Gutes für die Menschen tun möchte, wenn er Präsident ist, darf im Wahlkampf ohne Hemmschwellen alle Mittel ergreifen, die es braucht, um zu gewinnen. Denn wenn er es nicht tut, macht es jemand anderes: «They’re willing to sell their souls, crawl through sewers, lie to the people, divide them, play to their worst fears – for nothing, just for the prize.»

Erfolglose Strategie
Ein charismatischer Kandidat mit einem mehrheitsfähigen und inspirierenden politischen Programm lässt sich nicht durch Skandale aus seinem Privatleben diskreditieren: «The media and the Republicans want the election to be about trash. We want it to be about your future.»

Wie wird Politik dargestellt?
«This is hardball»: Politik, hier ausschliesslich in Form von Wahlkampf im Fokus, ist ein schmutziges Geschäft. Die relevanten politischen Fragen werden nicht diskutiert, weil sich die Medien mehr für Nebensächlichkeiten als für Substanz interessieren. In dieser Welt kann auch ein Politiker mit hehren Zielen nur erfolgreich sein, wenn er bereit ist, schmutzige Mittel einzusetzen, um diese zu erreichen.

Thema
Wahlkampf

Zitat
«I can tell the difference between a man who believes what I believe,·and lies about it to get elected, and a man who just doesn’t give a fuck. And I’ll take the liar.»

Politik als Gegenstand der Filmkunst

Politik im Film – unsere neue Serie zum Politikbild, das Spielfilme über die Jahre vermittelt haben

Unterschätze nie einen Aussenseiter

Wie die politische Elite unter Druck gerät, wenn andere die bessere Geschichte erzählen.

Das Persönliche wird politisch

Wie der Schritt aus der Privatsphäre Mehrheitsverhältnisse verändert.

Nur wer schmutzig kämpft, kann Gutes tun

Politik im Film #3: Wie der Verweis auf hehre Ziele rechtfertigt, dass man über Leichen geht.