Ideen sind kugelsicher
Politik im Film #15: Wie der maskierte «V» mit seiner Vendetta ein neofaschistisches Regime stürzt
V for Vendetta (V wie Vendetta)
USA / Grossbritannien / Deutschland 2005, von James McTeigue, mit Natalie Portman, Hugo Weaving, Stephen Rea und John Hurt
Spoiler-Alert
Grossbritannien wird von der totalitären Norsefire-Partei unter Lord Chancellor Adam Sutler regiert. Letzterer lebt aus Sicherheitsgründen in einem Bunker, ist aber über sein Porträt und Fernsehauftritte omnipräsent. Evey Hammond, Tochter des vom Regime verschleppten und ermordeten Dissidenten, wird während der nächtlichen Ausganssperre von zwei «Fingermen», Vertretern der Geheimpolizei des Regimes, angegriffen. Ein anarchistischer Terrorist unter einer Guy-Fawkes-Maske, der sich «V» nennt, rettet sie und lässt sie anschliessend teilhaben, wie er kurz nach Mitternacht des 5. Novembers das Gerichtsgebäude Old Bailey in die Luft sprengt.
Am Tag darauf überfällt er das Staatsfernsehen BTN und kündigt in einer Live-Sendung an, am selben Tag ein Jahr später das Parlamentsgebäude in die Luft zu sprengen. Evey, Mitarbeiterin von BTN, hilft V bei der Flucht, wird aber dabei bewusstlos, weshalb V sie in sein unterirdisches Verlies mitnimmt.
Der weitere Verlauf des Films erschliesst die Vorgeschichte von V wie auch die Entstehung der faschistischen Diktatur. V stellt sich als ehemaliger politischer Gefangener heraus, an dem in einer Einrichtung namens Larkhill biologische Waffen getestet wurden. Er war dort in der Zelle mit der römischen Nummer «V» untergebracht. Er konnte entkommen und zerstörte dabei die ganze Einrichtung. Die in Larkhill entwickelten biologischen Waffen setzten Sutler und seine Verbündeten anschliessend im Rahmen eines fingierten Terroranschlags gegen die eigene Bevölkerung ein. Sie nutzten den Terror zur Machtergreifung, die Beteiligung an der Firma, die ein Gegenmittel produzierte, machte die neuen Machthaber reich.
Im Rahmen eines systematischen Rachefeldzugs bringt V die an Larkhill Beteiligten einen nach dem anderen um. Eine wichtige Rolle für die Aufdeckung der Zusammenhänge spielt ein Inspektor namens Finch, der ermittelt, obwohl er seit 27 Jahren Parteimitglied ist: «I am a cop. I have to know.» Evey flüchtet zwischenzeitlich aus dem Verlies von V, wird aber später von diesem erneut vor den Schergen des Regimes gerettet.
Die letzten Szenen des Films gelten den Vorbereitungen auf den neuerlichen 5. November. V verschickt mehrere hunderttausend Guy-Fawkes-Masken an die Bevölkerung. Zudem zeigt er dem Chef der Geheimpolizei, Creedy, auf, dass er bei einem erfolgreichen Angriff auf das Parlament zwingend das Bauernopfer von Lord Chancellor Sutler sein werde und dass dieser ihm bereits jetzt nicht mehr traue. Creedy liefert Sutler darum an V aus, der beide erschiesst. V wird dabei tödlich verwundet, ermöglicht aber Evey, die Sprengung des Parlaments in Gang zu setzen – unter den Augen von Inspektor Finch, der sie nicht daran hindert: «This country needs more than a building right now. It needs hope.» Vor dem Parlament betrachten tausende von Menschen in Guy-Fawkes-Masken die Explosion des Parlaments, während die Sicherheitskräfte tatenlos zuschauen.
Sehenswert für
Einen Actionthriller von hoher pyromanischer Intensität; eine dokumentarisch anmutende Faschismus-Studie; und eine berührende Liebesgeschichte zwischen einem schwerversehrten ehemaligen politischen Gefangenen und einer traumatisierten jungen Frau, die mit seiner Hilfe ihre Ängste überwindet.
Ein dichtes Netz von Referenzen, literarisch von Shakespeare und Goethe über Dumas und Leroux bis Orwell und politisch-historisch vom Dritten Reich bis zu Abu Ghraib – neben dem Gunpowder-Plot, in dem der katholische Widerstandskämpfer Guy Fawkes am 5. November 1605 mit 36 Fässern Schiesspulver das damalige Oberhaus und König James in die Luft sprengen wollte.
Siegreiche Strategie
V trägt seine Maske und das Mantel-und-Degen-Kostüm an sich aufgrund der Verbrennungen, die er in Larkhill erlitten hatte, wird aber damit zur Verkörperung einer Idee, die seinen Tod überdauert: «Beneath this mask there is more than flesh. Beneath this mask there is an idea, and ideas are bulletproof.»
Erfolglose Strategie
Die Norsefire-Partei kam als Garantin gegen das Chaos an die Macht, das sie zuvor bewusst selber angerichtet hatte. Der von V sichtbar gemachte Kontrollverlust – Sprengung eines Gerichtsgebäudes und mediale Widerlegung der Erklärung des Regimes, es sei ein Unfall gewesen – lässt ihre Autorität rapide verfallen. Sutler bekräftigt sein langjähriges Erfolgsrezept: «I want this country to realize that we stand on the brink of oblivion. I want every man, woman and child to understand how close we are to chaos. I want everyone to remember why they need us!»
Doch seine Worte verhallen ungehört, weil das Regime jede Glaubwürdigkeit verloren hat. Sobald es nicht mehr alle Ereignisse und ihre mediale Repräsentation kontrolliert, wenden sich seine Exponenten gegeneinander und zerstören ihre Herrschaft. Das gegenseitige Misstrauen verursacht eine Abwärtsspirale, die nicht mehr zu stoppen ist: Creedy weiss, dass er bei einem erfolgreichen Anschlag auf das Parlament das Bauernopfer sein wird. Sutler weiss, dass Creedy das weiss, und traut ihm darum schon lange vor jedem Anzeichen von Illoyalität nicht mehr. Creedy verrät Sutler und ermöglicht V, sie beide zu erschiessen.
V schlägt so die Neofaschisten mit ihren eigenen Waffen. Wie Finch kurz vor Schluss erkennt: «I suddenly had this feeling that everything was connected. Like I could see the whole thing. (…) I felt like I could see everything that had happened and everything that was going to happen. It was like a perfect pattern laid out in front of me and I realized that we were all a part of it and all trapped by it.»
Wie wird Politik dargestellt?
Die Diktatur ist konstant auf Sendung, omnipräsent und manipuliert die Meinungen. Ein kleiner Kreis hat mit biologischen Waffen eine Terrorattacke fingiert, um an die Macht zu kommen und reich zu werden. Den Tod Unschuldiger nehmen die Beteiligten ebenso skrupellos in Kauf, wie sie im Kabinett widerlich autoritär miteinander umspringen und emotionslos jeden Mitstreiter liquidieren, sobald er nicht mehr nützlich ist. Das totalitäre Regime kennt für sein Handeln keine Grenzen.
Die Gewalt des Widerstandskämpfers erscheint innerhalb der Geschichte als notwendiges und legitimes Mittel der Gegenwehr, das der Gerechtigkeit dient: «Violence can be used for good.»
Themen
Totalitarismus, Terrorismus, Anarchismus
Zitat
«Who was he? He was Edmond Dantès. And he was my father and my mother. My brother. My friend. He was you and me. He was all of us. No one will ever forget that night and what it meant for this country. But I will never forget the man and what he meant to me.»