Conclave (Konklave) 
USA 2024, von Edward Berger, mit Ralph Fiennes, Stanley Tucci, John Lithgow und Isabella Rossellini.

Spoiler-Alert 
Nach dem Tod des Papstes wählen die Kardinäle dessen Nachfolge. Kardinal Lawrence leitet als Kardinalsdekan das Konklave. Die Favoriten sind der Liberale Bellini, der die Politik des Vorgängers weiterführen möchte, der Traditionalist Tedesco, Adeyemi aus Nigeria mit konservativer Sexualmoral und Tremblay aus Boston, dessen Interesse primär seiner Karriere zu gelten scheint. In letzter Minute taucht unerwartet Benitez aus Kabul auf, vom Papst erst vor einem Jahr «in pectore», also im Geheimen, zum Kardinal ernannt.

Mehrere Favoriten stolpern über ihre Vorgeschichte und scheiden aus dem Rennen aus, so dass Lawrence zwischenzeitlich selbst hohe Stimmenzahlen erreicht. Ein Selbstmordanschlag in der näheren Umgebung des Petersdoms erschüttert die Sixtinische Kapelle und wird von Tedesco zum Anlass für eine anti-islamische Tirade genommen. Benitez’ Gegenrede für Toleranz und gegen Gewalt befördert ihn schlussendlich ins Heilige Amt. Im Laufe des Films verdichten sich die Anzeichen, dass der Papst im Wissen um seinen nahenden Tod Benitez’ Wahl minutiös geplant hatte – in Kenntnis von dessen Intersexualität, die in den letzten Szenen ans Tageslicht kommt.

Sehenswert für
Ein Wahlkrimi voller unerwarteter Wendungen, ein eindrückliches Aufgebot von Charakterdarsteller in Purpurgewändern und eine visuell überwältigende Inszenierung von Prunk und Kammerspiel im Vatikan.

Siegreiche Strategie
Der soeben verstorbene Papst hatte die personelle Konstellation entscheidend geprägt, einerseits durch die Definition, wer Kardinal wird und damit über aktives und passives Wahlrecht verfügt, andererseits durch die Ernennung eines integren und demütigen Vertrauten mit Managementfähigkeiten zum Vorsitzenden des Kardinalskollegiums. Auch schaltet der Papst posthum unliebsame Kandidaten aus, indem er Beweise für deren Verbrechen gesammelt hatte und eine Person in den Vatikan bringen liess, die im richtigen Moment einen Eklat verursacht.

Mit maximalem Effekt hatte der alte Papst die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen genutzt: seine Entscheidungskompetenzen in Personalfragen, die Kenntnis der Lebensläufe aller Kandidaten und den Zugang zu den Räumlichkeiten des Konklave. Diese Mittel sind umso effektiver, als jede Beeinflussung der abgeschotteten Kardinäle von ausserhalb äusserst schwierig ist, einzig mit dem Bombenanschlag erreicht die Aussenwelt kurz die Sixtinische Kapelle. Als ein Kardinal dieses Geschehen zu seinen Gunsten nutzen will, wird schnurstracks ein gut reagierender Gegner ins Papstamt befördert.

Ein entscheidender Vorteil scheint für den Papst aber auch das Privileg der Wahl auf Lebzeiten zu sein: Im Unterschied zu anderen Politikern muss er keine Zeit und Aufmerksamkeit darauf verwenden, wie er möglichst lange im Amt bleiben und irgendwann seinen Rücktritt gut gestalten kann, ebenso wenig auf die Karriereplanung für die Zeit danach.

Erfolglose Strategie
Die Kardinäle, die als Favoriten ins Konklave gehen, vermarkten sich über ihre inhaltliche Positionierung und ihre Identität: der Liberale, der Konservative, der Moderate, der erste Afrikaner. Gegen die Fallen, die ihnen der Papst gestellt hat, hilft ihnen dies allerdings nichts.

Wie wird Politik dargestellt?
Die Kardinäle im Konklave haben sich alle zwar ihren Namen überlegt, den sie nach der Wahl annehmen möchten, aber legen Wert auf die Feststellung, dass sie eigentlich gar nicht Papst werden möchten. Die Aspiranten stellen sich lediglich – und natürlich nur, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt – zur Verfügung, damit die Kirche eine bestimmte Richtung einschlägt oder beibehält, jemand anderes verhindert wird oder ein Kontinent seinen ersten Papst erhält. Die Wahlgänge gleichen einem Krimi, Kandidaten steigen auf und verschwinden wieder – unaufhaltsam, aber auch unerwartet nimmt das Geschehen im hoch kodifizierten Ablauf in der Sixtinischen Kapelle seinen Lauf, gemäss dem Drehbuch des verstorbenen Vorgängers.

Themen
Wahlkampf, Kirche

Zitat
«This is a conclave, not a war!» – «It is a war, and you have to take sides.»

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