We shall never surrender
Politik im Film #9: Wie Churchill in «Darkest Hour» die Sprache in den Krieg gegen die Nazis schickt
Darkest Hour
Grossbritannien 2017, von Joe Wright, mit Gary Oldman und Kristin Scott Thomas
Spoiler-Alert
Am 9. Mai 1940 steht Hitlers Armee an der belgischen Grenze. Der britische Premier Neville Chamberlain hat das Vertrauen des Parlaments mit seiner Appeasement-Politik verloren, die Opposition fordert eine grosse Koalition.
Den einzigen Konservativen, den Labour als Premier akzeptiert, lernen wir am Tag danach durch die Augen seiner neuen Sekretärin beim Frühstück im Bett kennen, im Morgenmantel, mit einem Whisky auf dem Tablett und der Katze am Fussende. Winston Churchill macht sich keine Illusionen über seine Situation: «I’m getting the job only because the ship is sinking. It’s not a gift, it’s a revenge.» König George VI. ist skeptisch, anstelle von Churchills kriegerischer Rhetorik würde er wie Chamberlain und dessen politischer Verbündeter Lord Halifax lieber Friedensverhandlungen mit Hitler aufnehmen – nicht zuletzt, weil in Dünkirchen der Verlust der gesamten britischen Armee droht und Mussolini seine Dienste als Vermittler anbietet.
Angesichts des geballten innenpolitischen Widerstands und der aussichtslosen Lage befallen Churchill nach wenigen Wochen im Amt grösste Zweifel an seinem Kurs und fürchterliche Ängste. Als er kurz davor steht, aufzugeben und in Friedensverhandlungen einzuwilligen, besucht ihn aber der König, der in der Zwischenzeit seinen eigenen Widerstandswillen entdeckt hat, und versichert ihn seiner Unterstützung.
Auf dem Weg ins Parlament sucht der Premier bei der ersten U-Bahn-Fahrt seines Lebens den Kontakt mit dem Volk und stellt fest, dass alle Passagiere den Faschismus bedingungslos bekämpfen wollen und der Wunsch, sich mit den Nazis zu arrangieren, auf Teile der Aristokratie beschränkt scheint. Per Tube in Westminster eingetroffen, hält Churchill zuerst vor seiner Fraktion und später vor dem gesamten Parlament kämpferische Reden: «We shall defend our island – whatever the cost may be (…) we shall never surrender.» Das Parlament ist begeistert.
Im Nachgang evakuieren 860 private kleine Boote praktisch die ganze in Dünkirchen eingekesselte Armee – was gemäss dem Film Churchills Idee war – und Grossbritannien hält den einsamen Widerstand bis zum Kriegseintritt der USA durch.
Sehenswert für
Einen überragenden Gary Oldman, der so in seiner Rolle als Churchill aufgeht, dass er kaum noch zu erkennen ist; und ein erstaunliches Tempo für einen Film, der in erster Linie aus dem Diktieren von Briefen und Reden, Gesprächen im Kabinett und Dialogszenen aus dem Haushalt der Churchills besteht.
Siegreiche Strategie
Der einzige Literaturnobelpreisträger unter den Regierungschefs behauptet seine Führungsrolle in erster Linie durch patriotische und antifaschistische Rhetorik: «To wage war against a monstrous tyranny – that is our policy.» Die Standfestigkeit lässt sich in einer während der drei Wochen, die der Film umfasst, militärisch hoffnungslosen Situation nur durch Reminiszenzen an eine stolze Vergangenheit, die Dämonisierung des Gegners und das Versprechen einer besseren Zukunft aufrechterhalten. «He just mobilised the english language and sent it into battle», bilanziert ein resignierter Lord Halifax am Ende des Films nach Churchills Rede im Parlament.
Erfolglose Strategie
Die Vertreter des Appeasement belächeln und diskreditieren den neuen Premier, dessen bisherige Karriere von Fehltritten gepflastert war und dessen Umgang mit Alkohol offensichtlich problematisch ist («wakes with a scotch, bottle of champagne at lunch, another at dinner, brandy and port till the wee hours»). Ihre sachlich nicht unbegründeten Einwände – «what is to stop Hitler then? Words? Words, Winston? Words alone?» – werden aber vom Kampfgeist und einem Schwall patriotischer Emotionen hinweggefegt.
Wie wird Politik dargestellt?
Die älteren Kabinettsmitglieder in ihren steifen Anzügen wie auch der französische Premierminister sind rationale, die Risiken abwägende Personen, die gangbare Wege in einer schwierigen Situation suchen. Die Führung übernimmt jedoch ein Charismatiker, der selber nicht frei von Zweifeln ist – «you are wise because you have doubts», bestärkt ihn seine Frau –, der aber als einsamer Rufer in der Wüste seit Jahren vor Hitler gewarnt und nun recht erhalten hat. Seine Werte und seine Willenskraft setzen sich durch.
Zitate
«We shall go on to the end. We shall fight in France – we shall fight on the seas and oceans, we shall fight (…) in the air, we shall defend our island – whatever the cost may be. We shall fight on the beaches, we shall fight on the landing grounds, we shall fight in the fields and in the streets, we shall fight in the hills; we shall never surrender.»
«You cannot reason with a tiger when your head is in its mouth.»
Themen
Regierung, Parlament, Krieg, Monarchie