Eine andere Landessprachen zu beherrschen, ist nicht nur dann nützlich, wenn man Bundesrat werden will. (Foto: Shutterstock)

Ab der Primarschule Französisch für deutschsprachige Kinder – oder Deutsch für Kinder aus der Romandie – zu lernen, wird oft als Last empfunden. Da diese beiden Sprachen zu zwei völlig unterschiedlichen Sprachgruppen gehören, ist es eine Reise in unbekannte Gefilde. Es gibt nicht viel, was man aus der eigenen Sprache herleiten könnte: Die Wörter haben unterschiedliche Wurzeln, was im Deutschen weiblich oder neutral ist, ist im Französischen höchstwahrscheinlich männlich, nach einer Logik, die uns immer entgehen wird. Was Grammatik und Syntax betrifft, so verlangen sie von uns intellektuelle Gymnastik, die an Akrobatik grenzt. Es ist beschwerlich und man muss Jahre mit Üben zubringen, bis man für all diese Anstrengungen belohnt wird. Aber Englisch! Ach, Englisch! Innerhalb weniger Unterrichtsstunden hat man die Illusion, die Sprache zu beherrschen und halbwegs korrekte Sätze bilden zu können. Ausserdem ist es eine Weltsprache. Was für eine Freude sind diese Sitzungen, in denen jeder sein eigenes „Globish“ mit einem lokalen Akzent spricht!

Das muss der Grund dafür sein, dass, so sicher wie Weihnachten im Dezember kommt, die Debatte über den Frühfranzösischunterricht in der Schule in der Deutschschweiz neu entfacht wird. Dies ist momentan in Zürich und St. Gallen der Fall, die den Unterricht der zweiten Landessprache auf die Sekundarstufe verschieben wollen.

Und warum? Um die schulischen Leistungen der Schülerinnen und Schüler zu verbessern, deren Motivation zu fördern und Überforderung zu vermeiden. Ausserdem ist das Niveau in Französisch am Ende der Grundschule ohnehin nicht sehr hoch, also kann man auch noch ein wenig warten und sich auf Deutsch, Mathematik und Englisch konzentrieren. Abgesehen davon, dass dies dem Bildungs-Konkordat „HarmoS“ zuwiderlaufen würde, das ein wenig Harmonie in die Lehrpläne der Schweiz bringen will, lässt diese Debatte in der Westschweiz jedoch niemanden kalt.

Denn die anderen Landessprachen zu beherrschen, ist nicht nur dann nützlich, wenn man Bundesrat werden will. Die Schweiz ist mehrsprachig. Wer die Sprachen der anderen lernt, stärkt den nationalen Zusammenhalt und fördert das Verständnis zwischen den verschiedenen Sprachgemeinschaften der Schweiz. Es bedeutet, unsere sozialen Kompetenzen zu entwickeln und, warum nicht, Schlüssel zu geben, um sich der Kultur des anderen zu öffnen. Wir müssen nicht perfekt sein! Wir verstehen uns, auch wenn das Verb nicht an der richtigen Stelle steht und wir uns beim Geschlecht der Objekte irren. Das Französisch der Romandie ist ohnehin schon mit Germanismen durchsetzt. Und in der Romandie schätzt man es, dass unsere deutschschweizerischen Mitbürgerinnen und Mitbürger grosszügig über unsere Akkusativ- und Dativfehlern hinwegsehen, wenn wir uns auf Deutsch auf den Weg machen.

Die Arme sinken zu lassen und das Hindernis abzulehnen, hiesse zu akzeptieren, dass langfristig mehrere Bevölkerungsgruppen nebeneinander leben würden, ohne sich anders als in schlechtem Englisch unterhalten zu können. Was ein trauriger Höhepunkt wäre, da wir doch ein Glück haben, vier Landessprachen zu haben. Das wäre eine Niederlage unseres Willens, ein Verzicht.

Und wenn es noch einer zusätzlichen Motivation bedarf, um in die Sprache Molières einzutauchen: Sie ist mit über 300 Millionen Sprechenden die fünftmeistgesprochene Sprache der Welt. Französischsprachige finden sich auf allen fünf Kontinenten, ein Privileg, das sie sich mit den Englischsprachigen teilen. Neben der Verständigung mit den mehr als zwei Millionen Romands im Land öffnet Französisch also auch die Türen zur Welt. Das ist es wert, ein paar Stunden über Konjugation und Rechtschreibung zu schwitzen.

Was die Beziehung der Romands zum Deutschen betrifft? Es ist wohl Mark Twain, der sie am besten zusammenfasst: «Ich wusste bis jetzt nicht, wozu die Ewigkeit dient. Sie dient dazu, uns eine Chance zu geben, Deutsch zu lernen.»

«Die nächste Krise könnte völlig anders sein»

Die sicherheitspolitische Chefstrategin des Bundes Pälvi Pulli erklärt, warum Corona die bestehenden Risiken verschärft – und was sie von bürokratischen Pirouetten hält.

Wie die U-30-Jährigen arbeiten wollen

Die Generation Z will laut dem US-Jobvermittler Handshake vor allem eines: absolute Flexibilität. Eine Herausforderung für die Unternehmen, aber auch eine Chance.

Gute Seite des Brexits: Lehren für die Schweiz

Wie das Verhältnis mit Grossbritannien aussehen wird, kommentiert HSG- Dozent Stefan Legge

«Das ist kein Missbrauch, sondern Ausdruck des Zeitgeistes»

SRG-Ombudsfrau Esther Girsberger hat kein Problem mit orchestrierten Beschwerden. Sie erklärt, warum sie nicht mehr Chefredaktorin sein möchte und warum Frauen schneller ernst genommen werden als Männer.

Digitales Business und die Frauen

Eine repräsentative Umfrage zeigt, wo die grössten Herausforderungen der Verwaltungsräte liegen.

«Niederlagen sind auch wertvoll»

Weltraumforscherin Salome Gruchola erklärt, wie sie ein Instrument baut, um Leben im All nachzuweisen.

Das hybride Arbeiten wird bleiben

Stanford-Professor Nick Bloom erwartet, dass schon 2022 die meisten Mitarbeitenden nur noch drei Tage vor Ort arbeiten werden. Was sich für Wirtschaft und Gesellschaft sonst noch ändert.

Die Schönheit der Karten

Ein neuer historischer Atlas der Schweiz.

Wenn KI Ihre politische Meinung formt

Wie Chatbots Überzeugungen in zehn Minuten beeinflussen und was Sie konkret dagegen unternehmen können