Im radikalen Wandel
Die Schweizer Medienlandschaft am Scheideweg – zwischen wirtschaftlichem Druck, digitaler Transformation und Künstlicher Intelligenz.
Die Medienlandschaft in der Schweiz steht vor erheblichen Herausforderungen, die sowohl technologischer als auch verhaltensbedingter Natur sind. Der Reuters Institute Digital News Report 2024 und der Länderbericht Schweiz, den das Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft fög der Universität Zürich erstellt hat, verdeutlichen, dass diese Herausforderungen nicht isoliert betrachtet werden können. Vielmehr stehen sie in einem globalen Kontext, der durch tiefgreifende Umbrüche in der Technologiebranche geprägt ist. Hier die wichtigsten Resultate und Denkanstösse:
Technologische Umwälzungen und ihre Auswirkungen
Weltweit sehen sich die grossen Technologieunternehmen wie Meta und Google zunehmend mit Konkurrenz durch agilere, KI-gesteuerte Herausfordernde konfrontiert. Diese Veränderungen haben einen erheblichen Einfluss auf das Nachrichtengeschäft. Die Akzeptanz von KI-generierten Nachrichten bleibt allerding (noch) gering, da die Konsumierenden befürchten, dass dies zu einer weiteren Senkung der journalistischen Qualität führen könnte.
Plattformen wie TikTok und Instagram, die auf visuelle Inhalte und kürzere Formate setzen, verändern generell die Art und Weise, wie Nachrichten konsumiert werden. Dies führt dazu, dass traditionelle Nachrichtenformate und -lieferanten an Bedeutung verlieren, während neue Plattformen und Formate an Einfluss gewinnen.
Rückgang der Nachrichten-Nutzung
Für die Schweiz bedeutet dies, dass auch hier die etablierten Medienhäuser mit einer zunehmenden Fragmentierung des Publikums und einem sinkenden Interesse an traditionellen Nachrichtenformaten konfrontiert sind. Laut dem Bericht ist das Interesse an Nachrichten auch in der Schweiz rückläufig.
Konkret nimmt die Nutzung von Nachrichtenmedien stetig ab, und dieser Trend zeigt sich in allen Altersgruppen. Seit 2016 hat die Nutzung traditioneller Nachrichtenquellen wie Fernsehen, Printmedien und Radio in der Schweiz signifikant abgenommen. Im Jahr 2024 gaben nur noch 69 Prozent der Befragten an, mindestens einmal pro Woche TV, Radio oder Printmedien zu nutzen, verglichen mit 88 Prozent im Jahr 2016. Auch der Konsum digitaler Nachrichtenquellen ist rückläufig. Während 2016 noch 82 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer regelmässig Newswebseiten und Social Media nutzten, waren es 2024 nur noch 74 Prozent.
Aktives Vermeiden von Nachrichten
Ein bemerkenswerter Teil der Bevölkerung in der Schweiz meidet aktiv Nachrichten. Etwa 36 Prozent der Befragten gaben an, Nachrichten manchmal oder oft bewusst zu vermeiden. Der Hauptgrund hierfür ist die Überlastung durch die Informationsflut und die Kumulation negativer Berichterstattung. Besonders Frauen fühlen sich von der Menge an Nachrichten erschöpft. Das generelle Interesse an Nachrichten hat sich ebenfalls verringert: Während 2016 noch 59 Prozent der Befragten angaben, sehr an Nachrichten interessiert zu sein, sank dieser Anteil 2024 auf 48 Prozent. Gleichzeitig teilen und kommentieren immer weniger Menschen regelmässig Online-News.
Vertrauen in Nachrichtenmedien
Gleichzeitig ist aber das Vertrauen der Schweizerinnen und Schweizer in ihre Nachrichtenmedien vergleichsweise hoch, obwohl es in den letzten Jahren leicht abgenommen hat. Insgesamt vertrauen 41 Prozent der Befragten einem Grossteil der Nachrichtenmedien, was im internationalen Vergleich überdurchschnittlich ist. Das grösste Vertrauen geniessen die Angebote von SRF und RTS, unabhängig von der politischen Selbsteinstufung der Befragten. Transparenz bei der Entstehung von Nachrichten wird als besonders wichtig erachtet (73 Prozent), gefolgt von hohen journalistischen Standards (68 Prozent), Ausgewogenheit der Berichterstattung (53 Prozent) und der langjährigen Etablierung eines Nachrichtenmediums (49 Prozent).
Niedrige Zahlungsbereitschaft für Online-News
Die Zahlungsbereitschaft für Online-Nachrichten stagniert in der Schweiz seit drei Jahren auf einem niedrigen Niveau. Im Jahr 2024 gaben nur 17 Prozent der Befragten an, im letzten Jahr für Online-News bezahlt zu haben, was dem internationalen Durchschnitt entspricht. Von diesen zahlenden Konsumierenden geben rund ein Drittel maximal 10 CHF pro Monat für ihr wichtigstes Online-Abonnement aus.
Digitale Plattformen und Nachrichtenvideos
Bei den digitalen Plattformen gibt es Veränderungen in der Nutzung. WhatsApp, YouTube und Facebook bleiben die führenden Plattformen für den Nachrichtenkonsum, während neuere Plattformen wie TikTok und Instagram an Bedeutung gewinnen. Eine deutliche Tendenz zeigt sich bei der Nutzung von Videos: 78 Prozent der Befragten schauen mindestens einmal pro Woche Nachrichtenvideos. Besonders beliebt sind kurze Videoformate von maximal zwei Minuten, die von 55 Prozent der Befragten ein- oder mehrmals pro Woche angesehen werden. Nachrichtenvideos werden hauptsächlich auf Social Media konsumiert, wo sie mit Inhalten von Influencern, Prominenten und normalen Bürgerinnen und Bürgern konkurrieren, die oft mehr Aufmerksamkeit erhalten als traditionelle Nachrichtenmedien.
Grosse Herausforderungen für Schweizer Medienunternehmen
Die grossen Schweizer Medienunternehmen wie TX Group, CH Media und Ringier reagieren auf diese Herausforderungen mit Einsparungen und Umstrukturierungen. So wurden Ende 2023 bedeutende Stellenstreichungen angekündigt, die sowohl werbefinanzierte Marken wie 20 Minuten und blick.ch als auch regionale Abonnementszeitungen wie die «Aargauer Zeitung», den «Tages-Anzeiger» als auch «Le Temps» betreffen. Diese Konsolidierungsmassnahmen sind Teil eines umfassenderen Trends zur Zentralisierung der Nachrichtenproduktion und zur Suche nach neuen Einnahmequellen.
Die Rolle des öffentlichen Rundfunks
Der öffentliche Rundfunk SRG SSR spielt weiterhin eine zentrale Rolle in der Schweizer Medienlandschaft und geniesst das höchste Vertrauen unter den Nachrichtennutzenden. Allerdings steht auch SRG SSR vor erheblichen finanziellen Herausforderungen. Eine mögliche Halbierung der Rundfunkgebühren, die durch ein Referendum im Jahr 2026 entschieden werden könnte, stellt eine Bedrohung für die Finanzierung dar.
Innovation als Überlebensnotwendigkeit
Die Schweizer Medienlandschaft steht vor einer doppelten Herausforderung: dem technologischen Wandel und den veränderten Nutzendengewohnheiten. Während traditionelle Medienformate an Bedeutung verlieren und die finanziellen Herausforderungen zunehmen, bieten neue Technologien und Kooperationen auch Chancen. Medienunternehmen müssen innovativ sein und das Vertrauen der Nutzenden zurückgewinnen, indem sie auf Qualität, Transparenz und menschliche Kontrolle setzen. Nur so können sie in einer zunehmend digitalen und fragmentierten Welt bestehen.