Wohnungsbau in der Schweiz: Avenir Suisse widmete sich auch einem Szenario, was passiert, wenn der Staat für alle «bezahlbare» Wohnungen bereitstellen würde. (Bild: Shutterstock)

Wenn es einem gut geht, setzt man dies gerne als selbstverständlich voraus. Man kann sich kaum vorstellen, dass eines Tages schlechtere Zeiten anbrechen könnten. Und – was besonders gefährlich ist – man wird träge. Man wird genügsam und ist nicht gewappnet für allfällige Rückschläge. Das geht uns Menschen so, das kann Unternehmen so gehen, wenn sie Erneuerungen und Innovationen verschlafen, und das kann der Politik so gehen, wenn Reformen nicht rechtzeitig angepackt werden und Staatsausgaben allzu leichtfertig erhöht werden.

Sorgen um die Schweiz: Kein Hunger nach Neuem
Der Schweizer Think Tank Avenir Suisse macht sich Sorgen um den Zustand der Schweiz. Zwar landet unser Land in Vergleichsrankings international auf Spitzenplätzen, doch übertünchten diese Erfolgszahlen langjährige ökonomische und gesellschaftliche Erosionsentwicklungen. Das Fazit stimmt nachdenklich: «Verschiedene Entwicklungen lassen das Fundament des Schweizer Prosperitätshauses porös werden.» Es gelte daher, anstehende Renovationsarbeiten endlich in Angriff zu nehmen. Avenir Suisse beobachtet, dass der breit verteilte Wohlstand mit einem gewissen Sättigungsgefühl einhergehe. Von einem Hunger nach Neuem sei nicht (mehr) viel zu spüren.

Deutliche Worte, denen noch viel mehr folgen. Avenir Suisse lässt es aber nicht nur bei der ernüchternden Analyse bewenden, sondern will uns aufrütteln, zum kritischen Denken anregen und dadurch zum Handeln bewegen – dies nicht (nur) mit der wirtschaftsliberalen Moralkeule, sondern mit 13 Gedankenexperimenten. Unter dem Titel «Was wäre, wenn…» zeichnet Avenir Suisse 13 mögliche Entwicklungen und ihre Konsequenzen für die Schweiz auf – und sie gibt klare Handlungsempfehlungen.

Was wäre, wenn…
… die WTO auseinanderbräche?
… alle multinationalen Firmen plötzlich die Schweiz verliessen?
… die Nato handlungsunfähig würde?
… ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt würde?
… eine Maturitätsquote von 90 Prozent umgesetzt würde?
… beim Service Public plötzlich alle wie die heute 20-Jährigen konsumierten?
… Unterschriften für Volksbegehren elektronisch gesammelt werden könnten?
… die Lebenserwartung 110 Jahre erreichte?
… die Schweizer Klimapolitik nur im Inland umgesetzt würde?
… der Staat für alle «bezahlbare» Wohnungen bereitstellte?
… der interkantonale Steuerwettbewerb abgeschafft würde?
… die Devisenreserven der SNB in einen Staatsfonds ausgelagert würden?
… wir die Hausarbeit subventionierten?

Zurück zur Weltspitze
Die fundierte Tour d’horizon ist inspirierend und stimmt gleichzeitig nachdenklich. Plötzlich wird bewusst, dass das Geld nicht einfach vom Himmel fällt und wir der Wirtschaft Sorge tragen müssen. Es darf uns und der Politik nicht gleichgültig sein, dass die Attraktivität der Schweiz für multinationale Unternehmen seit Jahren leidet. Diese Konzerne steuern einen Drittel des Schweizer Bruttoinlandprodukts bei und stellen einen Viertel aller Arbeitsplätze.

Ebenso erinnert uns Avenir Suisse daran, dass die digitale Transformation, in der wir uns mittendrin befinden, nicht zu einem grossen Arbeitsplatzverlust führen wird, sofern die Schweiz den Strukturwandel nicht mit politischen Interventionen verhindert. Ohnehin nähmen die Einschränkungen für Wirtschaft und Gesellschaft kontinuierlich zu, halten die Studienverfasser fest.

Die 13 Szenarien für die Schweiz müssten Pflichtlektüre für alle politischen Entscheidungsträger sein. Sie haben es jetzt in der Hand, die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu stellen und die nötigen Schritte und Reformen einzuleiten. «Was wäre, wenn die Schweiz wieder zur Weltspitze gehörte?», müssten das Credo und die permanente Vision unseres Landes lauten.

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