Das Targeting-Tool von Facebook lässt genaueres Targeting zu als offiziell angegeben. Damit verletzt der Tech-Riese die Datenschutzverordnung der EU, die GDPR, möglicherweise sehr zentral. (Foto: Shutterstock)

Ein neues Forschungspapier von Experten aus Spanien und Österreich zeigt, dass es offenbar möglich ist, die Targeting-Tools von Facebook so zu nutzen, dass man eine Anzeige ausschliesslich einer einzigen Person anzeigen lassen kann. Bedingung dafür ist nur, dass man genug über die Interessen der Person weiss, die die Facebook-Plattform dieser Person zuweist.

Forscher zeigten nämlich, dass es ihnen möglich war, mit dem Facebook-Werbeanzeigenmanager eine Reihe von Werbeanzeigen so auszurichten, dass jede Anzeige nur einen einzigen Facebook-Nutzer erreichte. Dies könnte Facebook Probleme in der EU einbringen, denn die Europäische Datenschutzverordnung GDPR will die Userinnen und User genau davor schützen.

Die Untersuchung wirft neue Fragen über die potenziell schädliche Nutzung der Facebook-Tools gerade für politische Kampagnen auf und – allgemeiner – über die Rechtmässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Tech-Giganten. Die von Facebook gesammelten Informationen über Personen können nämlich dazu verwendet werden, die Nutzerinnern und Nutzer eindeutig zu identifizieren und sie aus der Menge der anderen Nutzer auf der Plattform herauszufiltern. Und das nur aufgrund ihrer Interessen.

Diese Erkenntnisse könnten den Druck auf die Gesetzgeber gerade in der EU erhöhen, die verhaltensorientierte Werbung zu verbieten oder schrittweise abzuschaffen. Diese Praxis steht seit Jahren unter Beschuss, weil sie eine Vielzahl individueller und gesellschaftlicher Schäden verursacht oder verursachen kann. Deshalb dürfte die Studie den Ruf nach einer strengen Kontrolle des Einsatzes invasiver Instrumente lauter werden lassen.

Dazu kommt ein weiterer Punkt: Die Ergebnisse unterstreichen auch, wie wichtig es ist, dass unabhängige Forscher algorithmische Werbetechnologien der Tech-Giganten hinterfragen können. Darum wird nun wohl auch der Druck auf die Plattformen steigen, den Forschern den Zugang zumindest nicht zu versperren.

In der Vergangenheit gab es bereits Kontroversen darüber, ob die Facebook-Werbeplattform ein Kanal für die Manipulation einzelner sei. Erinnern wir uns an die Recherche des Tech-Portals «Daily Dot» von 2019. Die Journalisten konnten nachweisen, dass es einem Unternehmen namens Spinner gelungen war, sexuell frustrierten Ehemännern einen «Service» zu verkaufen und Spinner im Gegenzug psychologisch manipulative Nachrichten an deren Frauen und Freundinnen zu senden versprach. Dies in der Absicht, dass die Frauen dann eher für Sex zu haben sein würden. Solche suggestiven, unterschwellig manipulativen Anzeigen würden sich, wie die Forscher nun gezeigt haben, durchaus auf den Facebook- und Instagram-Feeds der Zielpersonen anzeigen lassen.

Nanotargeting wäre vermeidbar, hätte aber Einnahmeverluste bei Facebook zur Folge

Eine Möglichkeit, das One-to-One-Targeting zu verhindern, bestünde darin, dass Facebook eine robuste Grenze für die Mindestgrösse der Zielgruppe einführt. Die Forscher fanden jedoch heraus, dass Facebook Werbetreibende nicht daran hindert, eine Kampagne zu starten, die auf weniger Nutzer abzielt als diese potenziellen Reichweitengrenzen – die Plattform teilt den Werbetreibenden nur nicht mit, wie viele Personen ihre Nachrichten erreichen werden.

Der Tech-Gigant behauptete früher, dass die Nutzer der Verwendung ihrer personenbezogenen Daten für die gezielte Werbung zustimmten. Facebook bietet jedoch keine freie, spezifische und informierte Wahl, ob die Nutzer für verhaltensorientierte Werbung profiliert werden oder nur mit ihren Freunden und ihrer Familie in Kontakt treten wollen. Zur Erinnerung: Frei, spezifisch und informiert ist der Standard, den die GDPR der EU für eine korrekte Art der Einwilligung verlangt. Wer Facebook nutzen möchte, muss akzeptieren, dass seine Daten für gezielte Werbung verwendet werden. Das ist es, was EU-Datenschutzaktivisten als «erzwungene Zustimmung» bezeichnen.

Seit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung hält Facebook fest, es sei rechtlich in der Lage, die Daten der Europäer für Werbezwecke zu verarbeiten, da die Nutzer einen Vertrag mit dem Unternehmen geschlossen hätten, um Werbung zu erhalten. Eine vorläufige Entscheidung der für Facebook zuständigen EU-Regulierungsbehörde, der irischen Datenschutzkommission (DPC), die Anfang Monat veröffentlicht wurde, hat vorgeschlagen, dem Unternehmen eine Geldstrafe in Höhe von 36 Millionen US-Dollar aufzuerlegen, weil es bei diesem stillen Wechsel nicht transparent genug war.

Und während die DPC kein Problem mit der Behauptung von Facebooks Anzeigenvertrag zu haben scheint, sind andere europäische Regulierungsbehörden anderer Meinung – und werden wahrscheinlich gegen Irlands Entscheidungsentwurf Einspruch erheben –, so dass die behördliche Prüfung dieser speziellen Facebook-Beschwerde über die Datenschutzgrundverordnung noch andauern wir.

Sollte der Tech-Gigant letztendlich feststellen, dass er das EU-Recht ritzt, könnte er gezwungen sein, den Nutzern die freie Wahl zu lassen, ob ihre Informationen für das Ad-Targeting verwendet werden dürfen – was im Grunde ein existenzielles Loch in sein Ad-Targeting-Imperium reissen würde. Denn wie die Forscher zeigen, reicht selbst der Besitz einiger weniger Interessensdaten dazu aus, dass diese zu personenbezogenen Daten werden.

«Handelskriege waren oft die Vorläufer echter Kriege»

Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher erklärt, warum ihm der wachsende Protektionismus Sorge bereitet – und warum die Schweizer Industrie die Bilateralen III braucht.

«Höre nicht auf, an die Grenzen zu gehen – sie verschieben sich von selber»

Der ehemalige Olympiasieger Bernhard Russi über Glücksgefühle, Grenzerfahrungen und unerfüllte Träume – erster Teil des Gesprächs.

Einzigartige Dynamik des Arc lémanique

Wer denkt, Zürich und Basel seien die alleinigen Wirtschaftsmotoren der Schweiz, der sollte über den Röstigraben blicken.

«Wahrheit ist den Menschen immer zumutbar»

Wolf Lotter findet, dass die Meisten in einer komplexen Umwelt leben, deren Pfeiler sie nicht verstanden haben.

«Wir Grünen sind längst bereit für den Bundesrat»

Grünen-Generalsekretär Florian Irminger erklärt, warum die Grünen einen Bundesratssitz beanspruchen – und warum ihm sein Job viel Spass macht.

Jobs in der Schweiz trotzen dem Welthandel

Eine neue Studie zeigt, dass Arbeitslosigkeit nicht an Importzuwachs gekoppelt ist.

«Alles andere als perfekt»

Der französische Nobelpreisträger Jean Tirole über die Zukunft Europas.

Die Kunst des Optimismus

Fünf Gründe, warum positives Denken entscheidend für den Fortschritt ist.

Politische Kampagnen setzen immer weniger auf Zeitungsinserate

Bei knappem Ausgang einer Volksabstimmung waren sie zuvor beliebte Rettungsanker.