Geschichten, die wirken – die Schweiz und ihr PR-Image
die Demokratie herausfordern

«Die Meinungsmacher» von Kaspar Silberschmidt

Als Kommunikationsberater verfolgen wir drei Ziele: Wir lösen Kommunikationsprobleme – unabhängig davon, ob unsere Auftraggebenden Unternehmen, Organisationen, Parteien oder Einzelpersonen sind. Zweitens schützen wir ihre Reputation und helfen ihnen, die Kontrolle über die öffentliche Wahrnehmung zu behalten. Drittens vernetzen wir Menschen und Ideen, die voneinander profitieren können, oft ohne es zu ahnen.

Diese drei Prinzipien – Probleme lösen, Deutung sichern, Netzwerke knüpfen – haben wir bei furrerhugi mittlerweile 19 Jahre verinnerlicht. Mit Leidenschaft und Präzision. Die Geschichte professioneller Meinungsbildung reicht in der Schweiz viel weiter zurück, als die moderne Kommunikationsbranche gemeinhin annimmt. Wie weit, das zeigt Kaspar Silberschmidt eindrücklich in seinem Buch «Die Meinungsmacher – eine Geschichte der Public Relations in der Schweiz».

Von der Wirtschaftsausstellung zum Nation Branding: die frühen Wurzeln der Schweizer PR
Silberschmidt öffnet sein Buch nicht mit einem Blick in den PR-Baukasten der Gegenwart, sondern mit einem Ausflug ins Jahr 1804. Damals organisierte Franz Sigmund Wagner in Bern die erste Wirtschaftsausstellung mit moderner PR-Absicht: Wirtschaftsförderung, Identitätsstiftung und das gezielte Ausbalancieren gesellschaftlicher Spannungen. Schon ein Jahr später legte Wagner mit dem neu belebten Unspunnenfest den Grundstein für das, was wir heute als Eventkommunikation und symbolische Nationenbildung bezeichnen. Diese frühen Versuche, das Bild der Schweiz kommunikativ zu formen, mündeten Jahrzehnte später in immer raffinierter angelegten Landesausstellungen.

Politische Einflussnahme und Medienstrategie: PR als Machtinstrument
PR im Schweizer Stil bedeutete von Anfang an mehr als Werbefloskeln und Imagepflege. Sie wurde zur politischen Waffe. Schon Alfred Escher, der Eisenbahn-Pionier, setzte Mitte des 19. Jahrhunderts auf gezielte Einflussnahme durch Netzwerkbildung – inklusive des allerersten Geschäftsberichtes der Schweizerischen Kreditanstalt (der späteren Credit Suisse), mit dem Investorenbindung professionell betrieben wurde.

Silberschmidt spart nicht an Beispielen, um zu zeigen, wie die Instrumente immer breiter und mächtiger wurden. Nach dem Generalstreik 1918 etwa bereisten Schweizer Unternehmer die USA, um dort moderne Kommunikationsmethoden kennenzulernen. Was sie mitbrachten, floss direkt in Schweizer Werkzeitungen und Abstimmungskampagnen: ein gut getarntes «Storytelling», das politische Initiativen entweder abwehrte oder lancierte – lange bevor der Begriff PR den Weg aus Amerika zurück in die Schweiz fand.

Die Zeit rund um den Zweiten Weltkrieg rückt Silberschmidt besonders stark ins Rampenlicht: Die Schweiz, international kritisch beäugt, musste ihr Image retten. Die Uhrenindustrie startete gezielte PR-Offensiven in den USA, Verbände schworen auf neue Kooperationen. Öffentlichkeitsarbeit wurde zum Wirtschaftsfaktor. In der Nachkriegszeit folgte dann die Professionalisierung: 1953 entstand die Schweizerische Public Relations Gesellschaft, Pioniere wie Rudolf Farner und Alfons Helbling revolutionierten mit eigenen Agenturen und Veröffentlichungen das Bild der Zunft.

Krisen, Skandale und neue Wege: wie Kommunikation Vertrauen neu schafft
Das Buch verschweigt auch die dunklen Kapitel nicht – im Gegenteil: Der «Fall Chiasso» (1977) bei der damaligen Schweizerischen Kreditanstalt ist hier das Paradebeispiel für den Zusammenhang zwischen Skandal, Vertrauensverlust und radikalem Kommunikationswandel. Die legendären Skimützen, die die Bank an die Bevölkerung verteilte, sollten Bodenhaftung und Nahbarkeit signalisieren – ein PR-Coup, der damals sogar politische Gegner verstummen liess. Gleichzeitig professionalisierte die Bank ihren Umgang mit Medien und Öffentlichkeit, ein Konzept, das bald auch andere Grossunternehmen übernehmen sollten.

Ähnlich konkret und kritisch beleuchtet Silberschmidt die strategischen Abstimmungskampagnen der SVP: Mit einer Mischung aus emotionaler Bildsprache, zugespitzten Narrativen und professionell orchestrierten Medienoffensiven schaffte und schafft es die Partei, komplexe Themen auf eingängliche Kernbotschaften herunterzubrechen – und manchmal Gegner zu überrumpeln.

Auch internationale Krisen bleiben nicht ausgespart: Im Kapitel über Nestlé erfahren wir, wie sich das Unternehmen in den 1970ern und 1980ern mit massiver Kritik an Milchpulverexporten konfrontiert sah und daraufhin eine der ersten globalen Krisen-Kommunikationsstrategien entwickelte, inklusive Dialogs mit NGOs und Neujustierung der Aussenwahrnehmung. Ein für die schweizerische Öffentlichkeit verstörendes Ereignis waren auch die politischen und historischen Auseinandersetzungen rund um die «nachrichtenlosen Vermögen» im Zweiten Weltkrieg und der massive Druck aus dem Ausland, namentlich den USA, wie Jahrzehnte später ebenfalls auf das Bankgeheimnis und den hiesigen Bankenplatz.

Konzernverantwortung und die Zukunft der Reputation: Lektionen fürs 21. Jahrhundert
Das Buch zeigt schliesslich anhand aktueller Beispiele – etwa der Konzernverantwortungsinitiative –, was die grossen Schweizer Brands und Institutionen gelernt haben: Wer als Unternehmen Teil der Gesellschaft bleiben will, muss auch in stürmischen Zeiten transparent kommunizieren, auf Vorwürfe reagieren und die dynamische Deutungshoheit nicht aus der Hand geben.

«Die Meinungsmacher» ist ein höchst anschauliches und engagiert geschriebenes Buch, das Schweizer Geschichte als Kommunikationslabor spannend erzählt. Silberschmidt beweist mit kritischer Distanz und zahlreichen Beispielen, wie die Schweiz vom PR-Nachzügler zur hochprofessionellen Bühne für Image- und Krisenmanagement wurde. Ein Buch, das nicht nur Kommunikationsprofis packt, sondern alle, die verstehen wollen, wie öffentliche Meinung wirklich und neu gemacht wird.

Kaspar Silberschmidt: «Die Meinungsmacher. Eine Geschichte der Public Relations in der Schweiz». Hier und Jetzt Verlag, 2025. 208 Seiten, 28 Abbildungen, CHF 39.–

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