Es war keine flammende Geburtstagsrede, die Jean-Claude Juncker hielt. «Ich denke nicht, dass wir an den Regeln festhalten können, die wir derzeit haben», sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Damit gestand er ein, dass die Fundamente des europäischen Hauses, die vor 25 Jahren gelegt worden waren, ziemlich wacklig geworden sind.

Jean-Claude Juncker will Verträge ändern
Im Dezember 1991 trafen im niederländischen Maastricht die damals zwölf Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft (EG) zusammen und unterzeichneten einen zukunftsweisenden Vertrag. Sie gründeten die Europäische Union (EU) und stellten die Weichen für die Einführung der Einheitswährung Euro. Das Ziel war politisch: Die Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas. Die Gemeinschaftswährung sollte wichtiger Teil der stärkeren Integration sein.

Doch von der damaligen Aufbruchsstimmung und Euphorie – zwei Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und ein Jahr nach der Wiedervereinigung Deutschlands – ist heute nicht mehr viel zu spüren. Im Gegenteil: Die Euro-skeptischen und EU-kritischen Stimmen werden immer lauter, populistische Parteien, die das europäische Haus am liebsten gleich sofort niederreissen würden, gewinnen an Zulauf.

Zur Rettung der EU rief Juncker in seiner Jubiläumsrede zu einer Änderung der europäischen Verträge auf. Es müsse etwa ein anderer «Orbit» für jene Staaten geschaffen werden, die nicht in allen Bereichen so eng zusammenarbeiten wollten wie andere. «Das wäre keine Tragödie und keine Krise. Das wäre eine Chance», sagte Juncker. «Wir müssen die Verträge an die heutige Welt anpassen.»

EU muss dezentraler werden
Ins gleiche Horn stiess Oliver Hart, der just am selben Tag wie das Jubiläum der Maastrichter Verträge den diesjährigen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt. Seiner Meinung nach muss die EU dezentraler werden und gewisse Kompetenzen den Mitgliedstaaten zurückgeben. Brüssel sei mit seiner Zentralisierung der Macht zu weit gegangen. «Wenn die EU diesen Trend aufgibt, kann sie überleben und gedeihen. Andernfalls läuft sie Gefahr, zu scheitern», sagte Hart gegenüber dem Newsportal EurActiv.

Laut dem britischen Harvard-Professor sind die Mitgliedsstaaten nicht homogen genug, um als ein Gebilde wahrgenommen zu werden. Den Versuch, aus den EU-28 eins zu machen, bezeichnet er als «Fehler». Ebenso ein Fehler sei der Euro. Dieser Meinung sei er bereits seit Einführung der Währungsunion. Es wäre nicht schade, wenn die EU in Zukunft die gemeinsame Währung aufgäbe. Die Briten hätten mit ihrer Entscheidung, nicht am Euro teilzunehmen, «sehr klug» gehandelt.

Prophetische Worte vor 25 Jahren
Hart ist nicht der einzige Prophet, der vor einer ökonomischen und politischen Fehlentwicklung der EU warnt. Kurz nach Unterzeichnung der Maastrichter Verträge verfassten 62 deutsche Wirtschaftsprofessoren ein Manifest, das in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) erschien. Sie warnten vor einer überhasteten Einführung der Währungsunion. Die wirtschaftlich schwächeren Länder könnten mit einer Einheitswährung nicht mehr abwerten, würden stärkerem Konkurrenzdruck ausgesetzt, was aufgrund ihrer geringeren Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu höherer Arbeitslosigkeit führen werde, hiess es.

Hohe Transferzahlungen im Sinne eines Finanzausgleichs würden so notwendig. Mangels einer politischen Union sei eine solche Transferunion aber demokratisch nicht legitimiert. Und weiter: Die Währungsunion werde Europa starken ökonomischen Spannungen aussetzen, die «in absehbarer Zeit zu einer politischen Zerreissprobe führen können und damit das Integrationsziel gefährden.» Prophetische Worte, die 25 Jahre nach Unterzeichnung der Maastrichter Verträge nichts an ihrer Bedeutung verloren haben.

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