Wie Trump und die Tech-Giganten
die Demokratie herausfordern

Buchbesprechung: «L’Heure des prédateurs» von Giuliano da Empoli

Giuliano da Empoli, Autor von «Le Mage du Kremlin/Der Magier im Kreml» und «Les Ingénieurs du chaos/Ingenieure des Chaos», widmet sich in seinem neuen Werk «L’Heure des prédateurs» den Machtstrukturen unserer Gegenwart. Das Buch beleuchtet die Allianz zwischen populistischen Führern und den mächtigen Tech-Giganten, die gemeinsam eine neue Weltordnung schaffen. Da Empoli analysiert scharfsinnig, wie Chaos und Technologie als Werkzeuge genutzt werden, um traditionelle Institutionen zu schwächen und die Demokratie zu verdrängen.

Trump, die Tech-Giganten und die neue Machtordnung 
Zu Beginn des Buches zeichnet da Empoli ein Bild der Verbindung zwischen Donald Trump und der Spitze der Tech-Industrie. Diese Beziehung, die bei Trumps Amtseinführung im Januar 2025 offenkundig wurde, symbolisiert für den Autor eine epochale Machtverschiebung. Der Präsident und die Tech-Oligarchen – darunter Elon Musk, Jeff Bezos und Mark Zuckerberg – stellen zwei Seiten derselben Medaille dar. Beide Gruppen eint, dass sie bestehende Regeln ablehnen und die traditionellen Eliten herausfordern.

Trump verkörpert dabei den archetypischen «politischen Prädator». Er regiert durch Provokation, Polarisierung und Überraschung. Gleichzeitig agieren die Tech-Giganten als moderne Eroberer, die da Empoli treffend als «Conquistadores der Tech-Industrie» bezeichnet. Während Trump Chaos als Machtmittel einsetzt, bauen die Tech-Oligarchen digitale Parallelwelten auf, die zunehmend autonom agieren und sich der Kontrolle entziehen.

Die Hauptthesen des Buchs: 

  1. Chaos als Herrschaftsinstrument 
    Da Empoli beschreibt, wie Chaos heute gezielt eingesetzt wird, um Macht zu sichern. Populisten und Autokraten destabilisieren bewusst bestehende Strukturen, um ihre Gegner zu schwächen und die öffentliche Aufmerksamkeit zu kontrollieren. Spektakuläre Aktionen und mediale Präsenz sind entscheidend. Trump ist nur eines von vielen Beispielen. Auch Autokraten wie Nayib Bukele in El Salvador oder Mohammed bin Salman in Saudi-Arabien nutzen Chaos, um ihre Macht zu festigen.
  2. Die Rolle der Technologie 
    Ein zentrales Thema des Buches ist die technologische Revolution. Da Empoli beschreibt, wie Tech-Konzerne wie Google, Amazon oder Tesla eine neue, digital dominierte Welt schaffen. Diese «digitale Wildnis» wird von Algorithmen und künstlicher Intelligenz (KI) beherrscht. Sie untergräbt demokratische Prozesse und ersetzt sie durch technokratische Strukturen. Der Autor warnt vor einer postdemokratischen Zukunft, in der menschliche Entscheidungen durch Maschinen und Algorithmen ersetzt werden.
  3. Der Rückgriff auf Machiavelli 
    Da Empoli zieht Parallelen zu den Lehren Machiavellis in «Il Principe/Der Fürst». Er zeigt, wie moderne Herrscher brutale Effizienz und strategische Grausamkeit einsetzen, um ihre Macht zu sichern. Sie verbinden rücksichtslose Aktionen mit einer medialen Inszenierung, um ihre Herrschaft zu legitimieren.
  4. Die Schwäche der Demokratie 
    Der Autor beleuchtet die Fragilität liberaler Demokratien. Sie erweisen sich laut da Empoli als unfähig, den Herausforderungen durch Autokraten und Tech-Giganten zu begegnen. Die politischen Eliten haben es versäumt, die Macht der Technologie zu regulieren. Stattdessen haben sie sich den Tech-Giganten untergeordnet. Der Autor vergleicht diesen Prozess mit der Unterwerfung der Azteken durch die spanischen Eroberer.

Die Tech-Giganten als neue Machtelite 
Besonders scharf kritisiert da Empoli die Tech-Giganten. Sie haben sich von neutralen Innovationstreibern zu politischen Akteuren entwickelt, die keine Verantwortung gegenüber den traditionellen Institutionen übernehmen. Ihre Vision einer von Algorithmen regierten Welt stellt eine existenzielle Gefahr für die Demokratie dar.

Die Tech-Oligarchen agieren wie die Kinder in William Goldings «Herr der Fliegen». Anfangs hielten sie sich noch an die bestehenden Regeln. Doch mit der Zeit erkannten sie, dass sie ihre Macht ohne jede Beschränkung ausbauen können. Diese neue Machtelite sieht sich nicht mehr als Diener der Gesellschaft, sondern als deren Lenker.

Da Empoli beschreibt, wie diese Entwicklung in den 1990er-Jahren begann, als das Internet noch als freier Raum galt. Gesetzgeber wie die Clinton-Regierung in den USA unterstützten die Tech-Branche vorbehaltlos und verzichteten auf Regulierung. Diese Entscheidung hat eine Parallelwelt geschaffen, in der die Tech-Oligarchen heute weitgehend ohne Kontrolle agieren.

Chaos und Technologie: zwei Seiten derselben Medaille 
Da Empoli zeigt, wie Chaos und Technologie Hand in Hand gehen. Während Populisten wie Trump die Extreme in sozialen Netzwerken fördern, nutzen die Tech-Giganten ihre Algorithmen, um die Spaltung und Polarisierung weiter zu verstärken. Die Plattformen belohnen die Inhalte, die die grösste Aufmerksamkeit generieren – oft sind dies die radikalsten und extremsten.
Trump und ähnliche Figuren könnten in diesem System nicht existieren, wenn es die von den Tech-Giganten geschaffene digitale Infrastruktur nicht gäbe. Doch da Empoli weist auch darauf hin, dass diese Allianz nicht ewig halten wird. Während Trump und andere Populisten die Macht über das Chaos suchen, streben die Tech-Oligarchen langfristig eine Weltordnung an, die auf KI und Algorithmen basiert.

Verbindung zu früheren Werken 
Mit «L’Heure des prédateurs» knüpft Giuliano da Empoli an sein vorheriges Werk «Le Mage du Kremlin/Der Magier im Kreml» an, das die Machtstrukturen im Putin-Regime analysiert. Während dieses Buch den Fokus auf Russland legte, betrachtet sein neues Buch die globale Dynamik zwischen Politik, Technologie und Macht. Beide Werke teilen jedoch die düstere Perspektive auf die Zukunft der Demokratie.
Da Empolis Buch ist ein eindringlicher Weckruf. Es zeigt, wie fragile Demokratien den Herausforderungen durch Technologie und Populismus ausgesetzt sind. Der Autor fordert die Leserinnen und Leser auf, sich der Gefahren bewusst zu werden und über die Zukunft der Demokratie nachzudenken.

Bibliographischer Hinweis: 
Giuliano da Empoli: «L’Heure des prédateurs». Gallimard, Paris 2025. 160 Seiten.

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