Die Ära der Globalisierung der Weltwirtschaft – mit einem System aus multilateralen Handelsabkommen und offenen Märkten, neigt sich ihrem Ende zu. Wie sich CEO darauf vorbereiten, zeigt eine neue Studie. (Foto: Shutterstock)

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs prägt Globalisierung die Weltwirtschaft – mit einem System aus multilateralen Handelsabkommen und offenen Märkten. Doch diese Ära neigt sich ihrem Ende zu. Eine neue Weltordnung entsteht, in der geopolitische Rivalitäten, Handelskonflikte und wachsende staatliche Eingriffe die Märkte neu definieren. Die «Rache der Geopolitik», so nennt ein aktueller Bericht des Oliver Wyman Forums diesen Wandel, zwingt Unternehmen dazu, Geopolitik zur strategischen Kernfrage zu machen.

Neue Machtblöcke und ihre Folgen 
Die Welt hat sich von einem multilateral geprägten System zu einer multipolaren Ordnung entwickelt. Drei Hauptblöcke zeichnen sich ab: Die USA und ihre Verbündeten, ein Herausforderer-Block bestehend aus Ländern wie China und Russland sowie eine Gruppe flexibler Staaten wie Indien, Brasilien oder der Türkei, die strategische Neutralität wahren. Auffällig ist hierbei, dass diese neuen Machtblöcke nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich stark verflochten sind.

Ein Beispiel: Mehr als zwei Drittel aller Länder haben inzwischen grössere Handelsvolumen mit China als mit den USA. Gleichzeitig greifen Regierungen wie zuletzt US-Präsident Donald Trump immer stärker in die Märkte ein – sei es durch Zölle, Exportkontrollen oder Subventionen. In den letzten fünf Jahren hat sich die Zahl solcher wirtschaftsverzerrender Massnahmen weltweit verdreifacht.

Für Unternehmen bedeutet dies, dass geopolitische Entscheidungen nicht länger als externe Schocks betrachtet werden können, sondern als strukturelle Veränderungen, die proaktive Strategien erfordern.

Die neue Rolle der flexiblen Staaten
Besonders die flexiblen Länder gewinnen in diesem neuen System an Einfluss. Staaten wie Indien, Brasilien oder Indonesien haben ihre Rolle als globale Akteure deutlich ausgebaut. Sie kontrollieren nicht nur wichtige Ressourcen wie Nickel, Graphit oder seltene Erden, sondern profitieren auch von ihrer neutralen Position in geopolitischen Konflikten. Diese strategische Neutralität macht sie zu gefragten Partnern für Unternehmen, die ihre Lieferketten diversifizieren und geopolitische Risiken minimieren wollen.

Dieser Wandel wird durch die Verlagerung globaler Handelsströme sichtbar: Während der Anteil Chinas an den EU-Importen seit 2020 zurückgegangen ist, konnten Länder wie Indien und die Türkei ihre Position als alternative Produktionsstandorte stärken. Die Strategie vieler Unternehmen lautet inzwischen «China plus eins» – ein Ansatz, der darauf abzielt, Produktionskapazitäten breiter zu streuen, ohne vollständig auf China zu verzichten.

Geopolitik als Priorität für CEOs
Die Ergebnisse einer Umfrage unter CEOs von Unternehmen, die an der New Yorker Börse gelistet sind, verdeutlichen den wachsenden Einfluss der Geopolitik: 86 Prozent der befragten Führungskräfte planen kurzfristige Massnahmen, um auf Protektionismus und geopolitische Risiken zu reagieren. Dazu gehören unter anderem Szenario-Planungen und Wargaming-Übungen, um auf mögliche geopolitische Ereignisse vorbereitet zu sein.

Trotz dieser Bemühungen gibt es immer noch Lücken: Nur 24 Prozent der Unternehmen beschäftigen Experten mit geopolitischem Know-how, und viele CEOs integrieren geopolitische Überlegungen nicht systematisch in ihre langfristigen Entscheidungen zu Wachstum, Investitionen oder Lieferketten.

Dabei ist genau dies entscheidend: Unternehmen müssen geopolitische Entwicklungen nicht nur beobachten, sondern aktiv in ihre Strategien einbinden. So können sie nicht nur Risiken minimieren, sondern auch Chancen nutzen, etwa durch den Zugang zu neuen Märkten oder Partnerschaften mit flexiblen Ländern.

Die Zukunft gehört den Strategen
Die geopolitischen und wirtschaftlichen Umwälzungen dieser Zeit sind keine vorübergehenden Phänomene. Sie markieren den Beginn einer neuen Ära, in der Politik und Wirtschaft untrennbar miteinander verbunden sind. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie ihre Denkweise grundlegend ändern müssen. Geopolitik wird zur zentralen Herausforderung, die über den langfristigen Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Unternehmen, die es schaffen, geopolitische Risiken zu verstehen und gleichzeitig strategische Chancen zu ergreifen, werden in dieser neuen multipolaren Welt erfolgreich sein.

In einer Welt, in der Politik die Märkte prägt, ist Geopolitik nicht mehr nur eine Herausforderung, sondern eine Chance. Die Aufgabe der CEOs ist es, diese Chance zu erkennen und mutig zu nutzen.

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