Gewohnt mit Schulhof-Tyrannen umzugehen: Tim Walz verkörpert eine andere Art von Männlichkeit als die selbsternannten starken Männer Vladimir Putin, Donald Trump oder Elon Musk.  (Foto: Shutterstock)

In einem viel beachteten Artikel hat der amerikanische Journalist und CNN-Kommentator Anand Giridharadas den demokratischen Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Walz mit einem überraschenden Ansatz porträtiert. Er hebt hervor, warum gerade Walz für viele Menschen eine bedeutende und interessante Wahl sei und beschreibt ihn als eine unkonventionelle Figur im politischen Spektrum der Demokraten, der mit seiner Lebensgeschichte und seinem Handeln eine besondere Botschaft verkörpere.

Tim Walz, der derzeitige Gouverneur von Minnesota, hat seine Wurzeln in einer Arbeiterfamilie. Vor seiner politischen Karriere war er Lehrer, Coach und Soldat in der Reservearmee. Was ihn laut Giridharadas besonders auszeichnet, ist eine Geschichte aus den 1990er-Jahren, als er als Lehrer an einer Schule arbeitete. Ein Schüler fragte ihn, ob er die erste «Gay-Straight Alliance» (eine Gruppe zur Unterstützung von LGBT+-Menschen) an der Schule als Lehrer betreuen könne. In einer Zeit, in der Homosexualität noch mit vielen Vorurteilen behaftet war, erkannte Walz, dass es eine besondere Bedeutung hätte, wenn er als Coach des American-Football-Teams der Schule – eine typische «männliche» Rolle – diese Gruppe unterstützen würde. Er stimmte zu. Durch diese Entscheidung nahm er den Vorurteilen etwas von ihrer Macht und eröffnete den homosexuellen Schülerinnen und Schülern neue Möglichkeiten.

Ein Mann, der sich von der Kaste der klassischen Politik abhebt
Diese Geschichte zeigt laut Giridharadas, dass es manchmal nicht nur darauf ankommt, wofür jemand einsteht, sondern auch, wer dafür einsteht. Gerade als weisser, heterosexueller Mann und Footballcoach war Walz in der Lage, Vorurteile zu brechen und ein Zeichen für Gleichberechtigung zu setzen. Dies mache ihn zu einer besonderen Figur in der demokratischen Partei. Er verkörpere laut Giridharadas das Bild eines bodenständigen, nicht-elitär wirkenden Politikers, der sich dennoch für soziale Gerechtigkeit und Vielfalt einsetze.

Walz ist auch der erste demokratische Vizepräsidentschaftskandidat seit Jimmy Carter, der kein Jus-Studium absolviert hat. Und sich darum aus der Kaste der klassischen Politik abhebt – so wie auch die beiden Neuen im Bundesrat, Albert Rösti und Beat Jans, beide ohne Prestigeausbildung, mit Bezug zur Landwirtschaft: Jans als Landwirt und ETH-Umweltnaturwissenschaftler und Rösti als promovierter ETH-Agraringenieur.

Tim Walz ist ein Mann, der sein Leben als Lehrer, Trainer und Soldat gelebt hat. Jemand, der von den Republikanern schwer als Teil der «Küstenelite» – also die gut betuchte Bevölkerung in New York und San Francisco – abgestempelt werden kann. Gleichzeitig ist er jedoch entschlossen, seine Plattform und seinen Einfluss zu nutzen, um für die Rechte und die Würde aller Menschen einzutreten, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe oder sexueller Orientierung.

Ein Mann für die Abgehängten
Ein weiterer Aspekt, der ihn laut Giridharadas interessant mache, sei seine Fähigkeit, Menschen zu erreichen, die sich vom politischen System entfremdet fühlten. Er spricht von Wählern, selbst von denen, die die rechte politische Seite unterstützen, als «Nachbarn». Walz sieht diese Menschen nicht als Feinde, sondern als Menschen, die vom Weg abgekommen sind. Er kritisiert die Führer der extremen Rechten, aber er ist vorsichtig, die Anhänger nicht als böse abzustempeln. Dies ist ein ungewöhnlicher Ansatz in der aktuellen politischen Landschaft, der ihm möglicherweise hilft, Brücken zu bauen. 2016 hatte es Hillary Clinton ganz anders gehalten und genau auf die Trump-Wählenden eingeprügelt.

Tim Walz zeige mit seinem Leben und seiner Haltung, dass traditionelle «männliche» Tugenden wie Schutz und Fürsorge auf moderne Weise gelebt werden könnten, ist Giridharadas überzeugt. Indem Walz für Gleichberechtigung und eine multikulturelle Demokratie einstehe, biete er eine Alternative zu den verlockenden, aber gefährlichen Versprechungen der extremen Rechten rund um Donald Trump oder Elon Musk. Seine Botschaft könnte besonders bei weissen Männern und Menschen aus der Arbeiterklasse Anklang finden, die sich von der demokratischen Partei abgewendet haben.

Zusammengefasst zeige Walz laut Giridharadas durch sein Beispiel, dass man durchaus männlich sein und trotzdem für Gerechtigkeit und Gleichheit kämpfen könne. Walz nehme den Menschen ihre Ausreden, sich hinter Vorurteilen zu verstecken, und eröffne ihnen die Möglichkeit, über sich selbst hinauszuwachsen.

Sollte Walz zusammen mit US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris tatsächlich gewählt werden, könnte das zu einem Revival der politischen Figuren führen, die mit Kooperation statt Konfrontation Erfolge erzielen. Gut möglich, dass in der Schweiz dann auch die Frage aufkommen wird, ob die Wahl der beiden Bundesräte Beat Jans und Albert Rösti eine solche Weichenstellung darstelle. Im Gegensatz zu alt Bundesrat Christoph Blocher setzt namentlich der Berner Bundesrat viel stärker auf Kooperation als auf Konfrontation, was auch auf Beat Jans zutrifft. Dieser hatte sich vor seiner Wahl stark von der aktivistischen Juso distanziert und als Mann des Ausgleichs positioniert. Und beide behandeln ihre Gegner mindestens so korrekt wie die eigenen Parteifreunde.

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