Wie ein Hashtag Betroffenen hilft, sich Gehör zu verschaffen.  (Foto: Shutterstock).

Die COVID-19-Pandemie hat nicht nur das globale Gesundheitssystem vor enorme Herausforderungen gestellt, sondern auch neue Formen eines besonderen Aktivismus hervorgebracht: denjenigen von Patientinnen und Patienten. Insbesondere Long COVID hat eine Bewegung ins Leben gerufen, die durch digitale Netzwerke und soziale Medien getragen wird. Kürzlich hat Emily Mendenhall in einem Artikel zusammengefasst, wie diese Bewegung aus dem Schatten getreten ist und weltweite Aufmerksamkeit erlangt hat.

Am Anfang stand ein Tweet aus Italien
Im Mai 2020 nutzte die italienische Archäologin Elisa Perego erstmalig den Hashtag #LongCOVID auf Twitter, um ihre anhaltenden Symptome nach ihrer COVID-19-Erkrankung zu beschreiben. Ihre Botschaft fand schnell Gehör und inspirierte Tausende, ihre eigenen Erfahrungen zu teilen. Es markierte den Beginn einer globalen Bewegung, die nicht nur medizinische Fachkreise, sondern auch Gesellschaft und Politik sensibilisierte und in der Folge den öffentlichen Diskurs unter dem Begriff «Long COVID» prägte.

Eine Bewegung von Aktivistinnen und Aktivisten entsteht
Die Long-COVID-Bewegung konnte auf Errungenschaften früherer Bewegungen aufbauen, darunter dem AIDS-Aktivismus und dem Kampf gegen Myalgische Enzephalomyelitis (ME/CFS). Beide Bewegungen setzten sich gegen Vorurteile, mangelnde Anerkennung und unzureichende Forschung ein. Ähnlich wie bei diesen Erkrankungen müssen Betroffene von Long COVID um Sichtbarkeit und adäquate Behandlung kämpfen. Den ME/CFS-Betroffenen blieb häufig aufgrund ihres Gesundheitszustandes und der Tatsache, dass 25 % der Betroffenen hausgebunden oder bettlägerig sind, gar nichts anderes übrig, als sich über die digitalen Kanäle bemerkbar zu machen. Während die HIV-Bewegung von der Aufmerksamkeit durch die Kultur-, Film- und Modebranche profitieren konnte, fristete die ME/CFS-Community lange ein Schattendasein.

Die Nichtbeachtung hat jedoch konkrete Auswirkungen auf die Prioritäten in der medizinischen Forschung und somit auf den Gesundheitszustand der Betroffenen. Der von der #MEAction organisierte Aktionstag #MillionsMissing wurde zwar bereits 2017 organisiert, aber wirkliche Aufmerksamkeit erlangte er erst durch die COVID-19-Pandemie und dadurch, dass immer klarer wurde, dass ME/CFS die schwerste Form von Long COVID darstellt. Die digitale Vernetzung während der Pandemie hat die Bewegung auf ein neues Niveau gehoben.

Die Kraft der digitalen Netzwerke
Schon andere Aktionen über die digitalen Kanäle haben sich bemüht, auf seltene Krankheiten aufmerksam zu machen: so zum Beispiel 2014 die «Ice Bucket Challenge» für Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), auch bekannt als Lou-Gehrig-Syndrom. Die Challenge hat weltweit das Bewusstsein für diese Krankheit geschärft und 115 Millionen US-Dollar gesammelt.
Im Unterschied zu anderen Aktionen hat es die Long-COVID-Community geschafft, die medizinische Perspektive auf Long COVID und in der Folge auch auf ME/CFS zu verändern.

Politische Erfolge und Herausforderungen
Die Bewegung hat auch bemerkenswerte politische Fortschritte erzielt. Die Weltgesundheitsorganisation anerkannte Long COVID bereits 2020, die Regierungen der USA, von Grossbritannien und Italien haben Richtlinien zur Behandlung der Erkrankung entwickelt. Auch Deutschland, Österreich und die Schweiz haben mittlerweile Richtlinien zu ME/CFS veröffentlicht. Vertreterinnen und Vertreter der Medizin, Wissenschaft, Therapie und der direkt Betroffenen haben gemeinsam das Konsensus-Statement zur Diagnose und Behandlung von ME/CFS erarbeitet.

Betroffene von Long COVID und ME/CFS sind über digitale Kanäle weiterhin vernetzt. Es gibt Facebook-Gruppen, in denen sich Betroffene und ihre Angehörigen austauschen, und es gibt Hashtags wie #MECFS und #LongCovid oder #MEAwarnessHour und #MillionsMissing, die auf die Situation der Betroffenen aufmerksam machen.

Seit einigen Wochen versucht die #LemonChallengeMECFS von ME/CFS-Research, neben Aufmerksamkeit für die Krankheit, Gelder für Forschung zu sammeln. Obwohl der Gesundheitsminister von Österreich Johannes Rauch an der Challenge mitgemacht hat, wurde das Ziel, 100‘000 Euro für die Forschung zu sammeln, nach fast zwei Monaten noch nicht erreicht.
Ein erfolgreiches, aber auch trauriges Beispiel ist «Unite to Fight». Diese Online-Konferenz, organisiert von Betroffenen, an der sich renommierte Vertreterinnen und Vertreter aus der Medizin, Forschung und Politik mit Betroffenen austauschen konnten, fand im April 2024 statt. Darunter waren auch der Deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbauch oder die US-Immunologin Akiko Iwasaki. Auslöser für die Konferenz war eine Reihe von Suiziden von Betroffenen.

Der Weg nach vorne
Die Geschichte von Long COVID zeigt, wie digitale Räume und gemeinschaftlicher Aktivismus Veränderungen bewirken können. Sie fordert uns auf, Gesundheit neu zu denken – interdisziplinär, zentriert auf Patientinnen und Patienten sowie inklusiv.

In der Schweiz leiden mehr als 300‘000 Menschen an Long COVID und etwa 60‘000 an ME/CFS. 60 % der ME/CFS-Betroffenen sind arbeitsunfähig, 25 % sind hausgebunden oder bettlägerig. Die Schätzungen bei Long COVID sind ähnlich. 70 % der Betroffenen sind Frauen, häufig unter 40 Jahren alt. Mindestens 18‘000 Kinder und Jugendliche in der Schweiz erfüllen die Kriterien für Long COVID. In der Schweiz liegen immer noch keine verlässlichen Daten zu Long COVID und ME/CFS vor.

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