«Bären drucken keine Geldscheine, die man nicht essen kann»

Kann man überhaupt von Tieren lernen? Und was konkret? Die beiden Direktoren Alex Rübel vom Zürcher Zoo und Bernd Schildger vom Tierpark Bern geben Auskunft.

Alex Rübel, Zoodirektor Zürcher Zoo. (oben)

Bernd Schildger, Direktor Tierpark Bern. (unten)

Im Zoo Zürich ist die neue Elefantenanlage eine grosse Attraktion. Weshalb gehören die Elefanten zu unseren Lieblingstieren? Wegen des Gedächtnisses?
Alex Rübel: Nicht nur die Elefanten haben ein gutes Gedächtnis, auch andere Tiere können sich gut erinnern. Erfahrung ist vor allem bei Tieren, die lange leben, ein wichtiger Selektionsvorteil. So gehören neben den Elefanten auch Krähen und Papageien zu den Tieren mit gutem Gedächtnis. Die Liebe zum Elefanten dürfte eher mit ihrem Aussehen, dem Rüssel und den grossen Ohren zusammenhängen.

Der Bärenpark gehört zu den Aushängeschildern des Tierparks Bern. Warum faszinieren uns die Bären derart?
Bernd Schildger: Bären faszinieren Bernerinnen und Berner besonders, weil sich im Laufe der 500 Jahre Zusammenleben mit dem Bären eine Punktmutation im Genom der Menschen in Bern herausgebildet hat, die ein Leben ohne den Bären verunmöglicht.

Meistens dienen grosse Tieren dazu, Führungspersönlichkeiten aus Politik oder Wirtschaft zu charakterisieren. Ist das gerechtfertigt?
Bernd Schildger: Vielleicht ja. Oft herrscht ja auch in der Politik und in der Wirtschaft der Irrglaube, dass Grösse alleine ein evolutionärer Vorteil sei.
Alex Rübel: Wir Menschen suchen immer Analogien. So verschieden die Individuen sind, so unterschiedlich sind die Verhaltenseigenschaften der Arten. Das führt zu solchen Charakterisierungen, die leider nur selten mit der Realität übereinstimmen. Man tut den Tieren Unrecht. Oft wird ihnen ein vermenschlichtes Verhalten angedichtet. Dabei sind Schweine nicht schmutzig und Gorillas keine Monster.

Was zeichnet ein Alphatier, das Vorbild vieler Politiker und Unternehmensführer, in der Tierwelt aus?
Alex Rübel: Alphatiere leben in Gruppen, gehen voran, auch in schwierigen Momenten. Sie schützen die anderen Mitglieder in der Gruppe, werden von diesen aber auch als Alphatiere anerkannt.
Bernd Schildger: Hohes Adaptationsvermögen, auch bei schnellen Veränderungen der Umweltbedingungen.

Welches sind die Analogien zwischen Mensch und Tier? 
Alex Rübel: Wir sind auch Säugetiere, haben ein auf unsere Lebensweise angepasstes Verhalten, das sich über Jahrmillionen entwickelt hat. In ähnlichen Situationen verhalten sich andere Arten, auch die uns nicht verwandten, ebenfalls mit ähnlichen Strategien. Wenn wir bereit sind hinzuschauen, lernen wir immer etwas.
Bernd Schildger: Träumen Sie weiter, dass ein iPhone Evolution sei!

Was können wir von Tieren lernen?
Bernd Schildger: Bescheidenheit und Rückbesinnung.
Alex Rübel: Wir Menschen sind uns nicht mehr so bewusst, dass auch wir von unseren Genen gesteuert werden. Es ist gut, genau hinzuschauen, wie Tiere das machen, und zu realisieren, woher wir kommen.

Haben Sie zwei drei konkrete Beispiele? 
Alex Rübel: Ich denke dabei an den Umgang mit Konflikten, so setzt unser Gorillamann den übermütigen Jungtieren gezielt Grenzen und schützt Schwächere. Von Orang-Utans lernen wir, wie man mit kreativen Ideen und Probieren fast immer ans Ziel kommt. Wir lernen auch von Geckos, wie sie sich an Glasscheiben festhalten können oder von segelnden Vögeln, was die Aerodynamik angeht.
Bernd Schildger: Bären drucken keine Geldscheine, die man nicht essen kann, und die Wildhunde sind aufgrund ihrer perfekten Teamarbeit die erfolgreichsten Raubtiere in Afrika.

Man spricht gerne von Schwarm- oder kollektiver Intelligenz. Dabei denken wir an die Insektenvölker sowie an Vogel- und Fischschwärme. Steckt etwas hinter diesem Konzept – oder ist es nur ein Modebegriff?
Bernd Schildger: Etwas, das wir nicht verstehen, und davon gibt es in der Tierwelt so viel, wird gerne mit einem hochrangigen Qualitätsbegriff versehen, damit es in unsere, teils einfach gestrickten, Schubladen passt.
Alex Rübel: Ich halte wenig davon, die menschliche Intelligenz als das Höchste der evolutionären Entwicklung zu betrachten. Vielleicht sind wir in der Erdgeschichte nur eine kleine Episode, und die Ameisenvölker werden uns lange überleben. Intelligenz wirkt immer dort, wo es ein Problem zu lösen gilt. Viele Probleme sind mit einer kollektiven Intelligenz besser und erfolgreicher lösbar als mit einer individuellen.

Es werden immer mehr Seminare angeboten, in denen Manager Wölfe streicheln, Pferde führen oder Adler locken, um neue Führungserfahrungen zu sammeln. Was halten Sie als Zoodirektor davon? 
Bernd Schildger: Wenn Führungspersonen auf diese Art und Weise Essenzielles für ihre Arbeit lernen, erscheint mir das eine fragwürdige Basis für ihre Tätigkeit.
Alex Rübel: Wir urbanisierten Menschen haben uns weit von der Natur entfernt. Die Erfahrung von Tieren mit allen unseren fünf Sinnen kann uns hier wieder etwas mehr erden. Die gilt aber nicht nur für Manager, sondern für uns alle.

Mit welchem Tier möchten Sie am liebsten verglichen werden?
Alex Rübel: Mit einem Spatz, der mit seiner Neugier die Nase (oder den Schnabel) überall hineinstecken kann, immer dabei ist und zuschauen kann, wenn irgendwo etwas Spannendes passiert.
Bernd Schildger: Mit der Coloradokröte.

Weshalb?
Bernd Schildger: Erleben Sie die Tiere im Tierpark Bern, dann wissen Sie weshalb.

Interview: Pascal Ihle

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