Mit einer Abweichung von durchschnittlich 10 Prozent kommt die Gemeinde Laufenburg im Kanton Aargau dem Schweizer Durchschnitt am nächsten. (Foto: Shutterstock)

Über lange Zeit hatte Langenthal (BE) den zweifelhaften Ruf, Schweizer Durchschnitt zu verkörpern. In den 1980er und 1990er Jahren wählten Marktforscher die Kleinstadt im Herzen des Mittellandes als nationalen Testmarkt. Grund war die damals im landesweiten Vergleich angeblich idealtypische Zusammensetzung der lokalen Bevölkerung. Inzwischen sind die Marktforscher längst aus Langenthal abgezogen. So stellt sich die Frage: Wo trifft man heute auf «helvetische Normalität»?

Um die «typische» Schweizer Gemeinde zu lokalisieren, haben wir Daten zu allen 2136 Schweizer Gemeinden (Stand 2023) ausgewertet. Dazu berücksichtigten wir 11 Indikatoren, die sowohl räumliche, demografische wie auch sozioökonomische Aspekte abbilden (vgl. Grafik). Summiert man über alle 11 Indikatoren den prozentualen Abstand zwischen den einzelnen Gemeinden und dem Schweizer Durchschnitt, kann eine Rangliste der für die Schweiz charakteristischsten Gemeinden erstellt werden.

Gemeinden des Mittelmasses
Mit einer Abweichung von durchschnittlich 10% kommt die Gemeinde Laufenburg im Kanton Aargau dem Schweizer Durchschnitt am nächsten, gefolgt von Glarus Nord und Kirchberg (SG).

Das knapp 4000 Einwohner zählende Laufenburg im aargauischen Fricktal ist eine angemessene Erstplatzierte. Die Gemeinde ist ländlich geprägt und versteht sich dennoch als weltoffene Stadt. Laufenburg überwindet Grenzen: Eine kurze Brücke mit langer Geschichte verbindet den Ort mit ihrer gleichnamigen deutschen Schwesterstadt auf der anderen Rheinseite.

Die Gemeinden auf den vorderen Rängen eint, dass sie mittelgross und weder peripher-ländlich noch Teil der grossen Ballungsräume sind. Unter den ersten zehn stammt zudem nur eine Gemeinde nicht aus der Deutschschweiz: Arbedo-Castione (TI) auf Rang 10. Die erste Westschweizer Gemeinde folgt mit Gruyères (FR) auf Rang 12. Am anderen Ende der Rangliste befinden sich – nicht ganz überraschend – die grösseren Städte sowie deren urbane Vorortsgemeinden. Am stärksten weichen die Nachbarn Genf und Carouge (GE) sowie Massagno (TI) ab. Die Vorortsgemeinde von Lugano hat nach Genf die zweithöchste Einwohnerdichte der Schweiz. Es ist denn auch die Dichte der Besiedlung, die primär für die grossen Durchschnittsabweichungen am Tabellenende verantwortlich ist.

Bleibt die Frage, wie der ehemalige Durchschnitts-Mythos Langenthal in unserem Ranking abschneidet. Die Kleinstadt schafft es auf Rang 817 der 2136 Gemeinden: Zu städtisch (vergleichsweise hohe Bevölkerungsdichte), um die typische Schweiz im Klein- bzw. Gemeindeformat abzubilden. Der Kulminationspunkt des nationalen Durchschnitts könnte heute stattdessen einige Kilometer weiter nordöstlich in Laufenburg liegen.

Dabei ist klar: Die Schweiz und ihre Gemeinden haben viele, sich stets verändernde Gesichter. Die Bevölkerung wächst und lebt zunehmend im urbanen Raum: Der typische Schweizer wohnt in einer Agglomerationsgemeinde, doch die typische Gemeinde bleibt eher ländlich geprägt.

Dieser Artikel erschien erstmals bei Avenir Suisse.

Alternative Berechnung basierend auf der «Median-Gemeinde»

Die «typische» Gemeinde kann auf unterschiedliche Weise bestimmt werden; sowohl bei der Auswahl der Indikatoren wie auch hinsichtlich der Berechnungsmodalitäten besteht Spielraum. Ein entscheidender Faktor ist, ob die Gemeinden gemäss ihrer Einwohnerzahl gewichtet werden. Die vorherige Analyse hat diese Gewichtung durch den Vergleich mit dem Schweizer Durchschnitt indirekt beinhaltet.

Eine alternative Berechnungsvariante kann als Referenzwert jeweils eine «Median-Gemeinde» heranziehen, d.h. diejenige Gemeinde, die genau in der Mitte der Datenreihe liegt (die Hälfte der Gemeinden hat einen höheren, die andere Hälfte einen tieferen Wert). Bei dieser Variante erhält eine Kleinstadt wie Laufenburg das gleiche Gewicht wie eine Grossstadt. Als Folge werden die typischen Gemeinden in der Regel etwas ländlicher und kleiner.

Konkret: Mit einer Abweichung von durchschnittlich 10% zur Median-Gemeinde wäre dann Elgg im Kanton Zürich die typischste Gemeinde der Schweiz, gefolgt von Wil (ZH) und Walterswil (SO). Rund 5000 Einwohner, 19% Ausländeranteil, 46% Landwirtschaftsfläche – das östlich von Winterthur gelegene Elgg repräsentiert noch stärker die ländliche Bilderbuch-Schweiz.

Im Vergleich zur ersten Berechnungsmethodik ergeben sich einige Verschiebungen auf den vorderen Rängen. So bleibt Laufenburg noch der 335. Platz. Elgg hingegen zählt – wie die Mehrheit der nun auf den vorderen Rängen platzierten Orten – zu den «periurbanen» Gemeinden (geringer bis mittlerer Dichte) in der Deutschschweiz: ländlich geprägte Orte, die an Städte und Agglomerationen angrenzen. Nur eine Westschweizer Gemeinde schafft es unter die ersten 20: Le Mouret (FR) auf Rang 9. Am anderen Ende der Rangliste bleibt im Vergleich zur vorherigen Analyse hingegen vieles unverändert.

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