Wer weiss, wie man Kandidierende streicht, panachiert und kumuliert, kann seinen politischen Willen viel präziser zum Ausdruck bringen. (Foto: Shutterstock)

Mit den Zürcher Regierungsrats- und Kantonsratswahlen im ersten Quartal und den National- und Ständeratswahlen im vierten Quartal wird 2023 in der Schweiz wieder zum traditionellen Superwahljahr. Denn nach dem Stand Zürich bestellen noch die beiden Appenzell, das Tessin, Genf, Basel-Landschaft und der Kanton Luzern ihre Regierungen und Parlamente neu. Das bedeutet, dass viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nächstes Jahr gleich doppelt zum Wählen aufgerufen sind.

Doch mit den politischen Rechten ist es so eine Sache. Im Gegensatz zu den kommunalen, kantonalen und eidgenössischen Sachabstimmungen sind Wahlen etwas anspruchsvoller. Nicht zuletzt auch deswegen, weil man Panaschieren und Kumulieren darf. Dazu kann man Kandidierende auch einfach streichen. Oder anders ausgedrückt: Wer weiss, wie man eine Liste für die Proporzwahl verändert, kann seine politischen und persönlichen Präferenzen viel genauer ausdrücken, als wenn er nur eine vorgedruckte Liste einer politischen Partei in die Urne wirft.

Forschung darüber, wer was wann tut, gibt es nur wenig. Eine letzte Studie stammt vom Politologischen Institut der Universität Zürich und analysiert einen Datensatz der Wahlen von 2015. Die Ergebnisse dürften auch für das kommende Jahr immer noch aussagekräftig sein. Denn es geht vor allem um die sogenannten Panaschierkönige, die über alle Parteigrenzen hinweg viele Panaschierstimmen sammeln und so ihre persönlichen Ergebnisse massiv zu verbessern vermögen. Das waren ihre wichtigsten Erkenntnisse:

1. Am meisten Listen verändern Leute zwischen 34 und 37 Jahren
Die Wahrscheinlichkeit, dass 20-Jährige ihre Liste verändern, ist ziemlich hoch. Und zwar unabhängig davon, über wie viel politische Bildung sie verfügen. Am Anfang einer Karriere als Wählerin oder Wähler ist die Bereitschaft, das Stimmrecht zu nutzen, ziemlich hoch. Höher als im Alter. Die Wahrscheinlichkeit, dass 20-jährige Wählende mit geringer politischer Bildung ihre Liste verändern, liegt gemäss der Untersuchung bei 47,6 Prozent. Dann steigt die Wahrscheinlichkeit noch leicht an, bis der Höhepunkt im Alter von 34–37 Jahren erreicht ist. Dort ist es mit 49,8 Prozent nahezu jeder oder jede Zweite, der/die die Liste abändert. Danach sinkt die Wahrscheinlichkeit wieder: bei 60-jährigen Bürgerinnen und Bürgern auf 45 Prozent, bei 80-Jährigen auf 34,4 Prozent. Die Kurve bei Personen mit höherer politischer Bildung verläuft nahezu parallel.

2. Je höher die politische Bildung, desto stärker werden Listen verändert
Vergleicht man die Alterskategorien über die verschiedenen Niveaus des politischen Wissens hinweg, so steigt die Wahrscheinlichkeit, eine Nationalratsliste zu verändern, nahezu übereinstimmend mit einem höheren politischen Wissen der Wählenden. So verändern 20-jährige Wählende mit dem höchsten politischen Wissen ihre eingeworfene Liste mit einer Wahrscheinlichkeit von 71,3 Prozent. Dies sind wiederum knapp 23 Prozentpunkte mehr als Gleichaltrige mit dem tiefsten politischen Wissen.

3. Am meisten kumulieren Leute im Alter von 55 Jahren
Wer höhere Kenntnisse über die politischen Abläufe der Schweiz besitzt, wird eher Kandidierende auf einer Nationalratsliste kumulieren. Spannend hier: Die Wahrscheinlichkeit, den Namen von Kandidierenden auf der Liste zweimal aufzuschreiben, steigt mit dem Alter während einer gewissen Zeit an, um dann wieder auf ein ähnliches Niveau zu fallen. Am meisten kumuliert hatten in der untersuchten Nationalratswahl von 2015 Leute im Alter von 55 Jahren. Nach diesem Peak sinkt der Wert über alle Gruppen mit unterschiedlichem politischem Wissen fast gleich mässig wieder ab.

4. Am meisten panaschieren Leute im Alter von 43 Jahren
Panschieren gilt unter allen Listenveränderungen noch immer als Königsdisziplin. Immerhin muss man die Namen von Kandidierenden von der einen Liste auf eine andere schreiben, inkl. einer korrekten Kandidatennummer. Viele schrecken davor zurück, weil man hier auch grobe Fehler machen kann. Dazu schwächt Panaschieren im Grunde die Parteidisziplin, hilft demjenigen, der panaschiert, seinen politischen Willen aber viel genauer auszudrücken. Dennoch liegt die Wahrscheinlichkeit, dass selbst 20-Jährige mit dem tiefsten politischen Wissen überhaupt panaschieren, schon bei 45 Prozent. Somit liegt die Wahrscheinlichkeit des Panaschierens leicht tiefer, als die Wahrscheinlichkeit, eine Liste generell zu verändern. Wie bei den anderen Arten von Listenveränderungen steigt auch beim Panaschieren die Wahrscheinlichkeit mit dem Alter zuerst leicht an bis zum Höhepunkt bei den 43-Jährigen. Deren Wert liegt bei 48,6 Prozent. Danach sinkt die Wahrscheinlichkeit wieder auf 46,1 beziehungsweise 37,7 Prozent für die 60- und 80-jährigen Bürgerinnen und Bürger, die über am wenigsten politische Bildung verfügen und die tiefsten Werte aufweisen.

5. Alter und politische Bildung haben gleichermassen Einfluss
Somit steht fest, dass das Alter und die politische Bildung den Entscheid, eine Liste zu verändern, am stärksten beeinflussen. Der Effekt des Alters kann verschiedene Gründe haben. Einerseits verändern die älteren Wählenden im Alter von über 60 Jahren die Listen generell weniger. Was auffällt ist, dass ältere Wählende dagegen eher kumulieren. Sie können so ihre Stimme auf weniger Kandidierende konzentrieren, um ihr Ziel zu erreichen. Dagegen setzen die jüngeren Wählenden eher darauf, mehr Kandidierende zu berücksichtigen und die Vielfalt mit ihrer Stimme zu fördern. Der Einfluss des politischen Wissens ist ebenfalls zu erkennen. Die Wählenden, welche über grosses politisches Wissen verfügen, verändern ihre Liste für die Nationalratswahlen eher. Wohl auch darum, weil sie ihre Stimme differenzierter zum Ausdruck bringen wollen.

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