Der Verbleib des verloren gegangenen U-Boot dominierte während Tagen weltweit die Schlagzeilen. (Bild: Shutterstock)

Das Drama um das U-Boot «Titan» wurde während Tagen in den Medien bis ins letzte Detail ausgeleuchtet. Das kalifornische Start-up, das fünf Abenteurer in einem «selbstgebastelten» Unterwasserfahrzeug in vier Kilometern Tiefe zum Wrack der legendären Titanic bringen sollte, erlangte globale Bekanntheit. Während der Unterwasserreise brach der Kontakt plötzlich ab, die Titan sendete keine Signale mehr. Die Marine leitete eine riesige Rettungsaktion ein, bis Gewissheit bestand, dass die Kapsel implodiert und die fünf Passagiere ums Leben gekommen waren.

Viele Medienkonsumentinnen und -konsumenten stellten sich die Frage: Wie kommt es, dass ein solches Ereignis eine derart grosse Relevanz und Resonanz erfährt? Weshalb finden andere Ereignisse, die nicht weniger dramatisch sind, kaum Beachtung? Der Vergleich zu den Bootsflüchtlingen wurde gezogen, die im Mittelmeer ertrinken, aber mittlerweile kaum mehr in den Medien erwähnt werden.

Um zu verstehen, wie es gewisse Ereignisse in die Medien schaffen und andere nicht, welche Geschichten für Redaktionen relevant und interessant sind, hilft die Theorie der Nachrichtenwerte. Journalistinnen und Journalisten greifen auf verschiedene Kriterien zurück, um die Leserinnen und Leser zu fesseln, aber auch zu unterhalten.

Dabei muss zwischen traditionellen und sozialen Medien unterschieden werden, die sich gegenseitig massgeblich beeinflussen:

  • Traditionelle Medien, angeführt von Journalistinnen und Journalisten, waren lange Zeit die primäre Quelle für Nachrichten. Sie wählten Themen aus und setzten dabei auf verschiedene Nachrichtenwerte wie Nähe, Aktualität, Konflikt, Bedeutung, Prominenz und Ungewöhnlichkeit. Diese Kriterien halfen ihnen Geschichten auszuwählen, um das Interesse der Leserinnen und Leser zu wecken.
  • Soziale Medien haben die Art und Weise revolutioniert, wie Nachrichten verbreitet und konsumiert werden. Sie haben den Zugang zu Informationen demokratisiert und ermöglichen es Nutzerinnen und Nutzern, selbst zu Nachrichtenquellen und Verbreitern (Multiplikatoren) zu werden. Die Auswirkungen der sozialen Medien auf die Relevanzkriterien sind nicht zu unterschätzen.

Hier sind die sechs Nachrichtenwerte:

  1. Nähe/Regionalität 

    Traditionelle Medien berücksichtigen die Nähe zum Publikum, indem sie lokale Ereignisse, regionale Entwicklungen und deren Auswirkungen aufgreifen. Lokale Ereignisse, die direkte Auswirkungen auf die Gemeinschaft haben, werden oft priorisiert.

    Soziale Medien: Soziale Medien ermöglichen es den Nutzerinnen und Nutzern, sich in Echtzeit auch über lokale Ereignisse und Geschehnisse zu informieren. Durch das Teilen von Inhalten und Veranstaltungen können Menschen in der Nähe unmittelbar darauf aufmerksam gemacht werden.

  2. Aktualität 

    Traditionelle Medien liefern aktuelle Informationen und berichten zeitnah über Ereignisse von öffentlichem Interesse. Aktualität ist ein entscheidender Faktor, um sicherzustellen, dass die Nachrichten frisch und zeitgemäss sind.

    ​Soziale Medien bieten eine Plattform für schnelle und direkte Kommunikation. Nachrichten können in Echtzeit verbreitet werden, was zu einer erhöhten Aktualität führt. Nutzerinnen und Nutzer können Updates, Videos oder Bilder zu aktuellen Ereignissen sofort teilen.

  3. Konflikt/Kontroverse 

    Traditionelle Medien greifen kontroverse Themen auf, um Diskussionen und Debatten anzuregen und verschiedene Standpunkte darzustellen. Geschichten über politische Auseinandersetzungen, gesellschaftliche Debatten oder Skandale fallen in diese Kategorie.

    Soziale Medien: Soziale Plattformen dienen oft als Schauplatz für kontroverse Diskussionen und Meinungsaustausch. Nutzerinnen und Nutzer können ihre Ansichten zu umstrittenen Themen frei äussern und mit anderen interagieren.

  4. Bedeutung/Auswirkungen 

    Traditionelle Medien fokussieren sich auf Themen von gesellschaftlicher Bedeutung und deren Auswirkungen auf die Menschen. Nachrichten, die eine signifikante Auswirkung auf das Leben der Menschen haben, werden als relevant erachtet. Dies können beispielsweise Ereignisse wie Naturkatastrophen, politische Entscheidungen oder wirtschaftliche Entwicklungen umfassen.

    Soziale Medien: Nutzerinnen und Nutzer können wichtige Themen über soziale Medien verbreiten, Petitionen starten oder soziale Bewegungen initiieren, um die öffentliche Aufmerksamkeit auf bestimmte Anliegen zu lenken.

  5. Prominenz/Bekanntheit

    Traditionelle Medien: Prominente Personen erhalten in den traditionellen Medien oft eine erhöhte Aufmerksamkeit, da ihre Aktivitäten und Projekte von öffentlichem Interesse sind.

    Soziale Medien: Prominente können über ihr Social-Media-Profil direkt mit ihren Fans und der Öffentlichkeit kommunizieren. Sie können ihre Bekanntheit weiter steigern und ihre Botschaften unmittelbar an ihr Publikum richten.

  6. Ungewöhnlichkeit/Seltenheit 

    Themen, die ungewöhnlich oder selten sind, haben einen höheren Nachrichtenwert. Ereignisse, die aussergewöhnliche Merkmale oder unerwartete Wendungen aufweisen, erzeugen Interesse.

    Soziale Medien ermöglichen es Nutzerinnen und Nutzern, ungewöhnliche oder seltene Ereignisse schnell zu teilen. Virale Videos oder Bilder von aussergewöhnlichen Phänomenen können innerhalb kürzester Zeit eine grosse Aufmerksamkeit erlangen.

Die Kombination aus traditionellen Medien und sozialen Medien führt dazu, dass Nachrichtenwerte heute noch wichtiger sind. Journalistinnen und Journalisten können weiterhin relevante Geschichten auswählen und präsentieren, während soziale Medien eine breitere Plattform bieten, um Informationen zu verbreiten und öffentliche Diskussionen zu fördern.

Zurück zur U-Boot-Story: Hier zeigt sich, wie sich traditionelle und soziale Medien gegenseitig inspiriert und hochgeschaukelt haben. Gleichzeitig haben sie sich auf die gleichen Nachrichtenwerte fokussiert: Aktualität, Konflikt, Bedeutung, Prominenz und Ungewöhnlichkeit – die perfekte Mischung von Information, Skandalisierung und Unterhaltung. Dies hat dazu geführt, dass aus dieser Meldung eine News-Story wurde, bei der sich jede neue Entwicklung rasend schnell über den Globus verbreitete.

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