Gerade an Demonstrationen von Kreisen, die die Medien ablehnen, kommen Medienschaffende in Gefahr, Opfer von Übergriffen zu werden. Dies, weil der Respekt für ihren Berufsstand deutlich abgenommen hat.(Foto: Shutterstock)

Kirsten Soltis Anderson, eine einflussreiche Meinungsforscherin in den USA, war als Teenager in ihrer High-School dem Debattierclub beigetreten. Für Soltis eine der wichtigsten Entscheidungen ihres Lebens, die auch ihren beruflichen Werdegang massgeblich beeinflusste: «Ich denke, es ist wichtig zu zeigen, warum die frühe Beschäftigung mit Nachrichten und aktuellen Ereignissen – auch wenn ich dadurch unter meinen Mitschülern etwas seltsam wirkte – so wertvoll war, um ein Fundament für meine spätere Karriere zu legen.»

Im Jahr 2018, unmittelbar nach der tragischen Schiesserei an der Marjory-Stoneman-Douglas-High-School in Florida, hatte Soltis in einem vielbeachteten Artikel argumentiert, wie froh sie sei, dass viele Schüler ihre Stimme nutzten, um sich gegen large Waffengesetze zu engagieren und etwas zu verändern. Und sie stellte fest, dass das starke Rede- und Debattierprogramm der Schule viele Schüler dazu befähigt hatte, besonders wortgewandte und leidenschaftliche Fürsprecher zu sein. Nun, mit Klima-Krise und Ukraine-Krieg könnte alles anders sein. Denn aktuell ist Soltis ernüchtert: Sie hätte nie gedacht, dass es schlecht sein könnte, wenn Jugendliche sich für aktuelle Ereignisse interessieren oder mehr Nachrichten lesen würden, schrieb sie in ihrem Newsletter kürzlich. Denn eine Analyse der Faktoren, die die Ängste von Teenagern schüren, zeigt, dass es auch zu viel des Guten geben kann.

Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Klima-Krise

In den USA häufen sich nämlich die Hinweise, dass gleich mehrere Faktoren zur gegenwärtigen Krise der psychischen Gesundheit von Teenagern beitragen, etwa in diesem Artikel von Derek Thompson. Ein wichtiger Teil des Puzzles: Die zunehmende Angst vor den aktuellen Ereignissen.

Ängste über Finanzen, Klimawandel oder die Corona-Pandemie treffen auf lokale Sorgen über soziale Anerkennung und Erfolg. Diese Untergangsstimmung kommt nicht nur von den Teenagern. Sie kommt aus den Nachrichtenmedien und über die Social-Media-Kanäle. Laut Soltis können wir nicht ausschliessen, dass Jugendliche traurig über die momentane Lage der Welt werden, weil sie rund um die Uhr Zugang zu Websites haben, die ihnen ständig sagen, dass sie deswegen deprimiert sein sollen.

Social-Media verstärkt das Angstgefühl

Zudem bieten die sozialen Medien jedem Teenager einen quantifizierten Kampf um knappe Popularität, der stundenlangen Schlaf ersetzen kann und viele Teenager, vor allem Mädchen, dazu bringt, sich in Bezug auf ihren Körper und ihr Leben schlechter zu fühlen.

Sicherlich gibt es einen gesunden Mittelweg zwischen völliger Unkenntnis des aktuellen Geschehens und der Sucht nach «Doomscrolling» oder dem Feedback, das man erhält, wenn man im Internet Angst vor der Welt hat, wie Soltis schreibt. Oder, wenn man sich vor etwas wie dem Klimawandel so sehr fürchtet, dass man monatelang nichts mehr isst. Für die Demoskopin ist klar: «Wir sollten junge Menschen ermutigen, dieses Gleichgewicht zu finden. Und manchmal bedeutet das vielleicht nicht nur eine pauschale Ermutigung, sich in das aktuelle Geschehen zu vertiefen.»

Soltis hegt die Hoffnung, dass Schulprogramme wie Debatten oder andere staatsbürgerliche Bildungsprogramme dazu beitragen können, ein gesundes Umfeld zu schaffen, in dem politisch interessierte Jugendliche ihre Sorgen über die Welt kanalisieren können. In gewisser Weise macht dies gute Programme für bürgerschaftliches Engagement sogar noch wertvoller, nicht nur als Gegenmittel gegen Apathie, sondern auch gegen Überlastung und Fehlinformationen.

Und schliesslich müssen wir uns alle vor Augen halten, dass die aktuelle Weltlage nicht nur Teenager und junge Erwachsene in Angst versetzen kann. Denn auch gestandene Erwachsene können sich durch die Nachrichtenflut gerade auf Social-Media unter Druck gesetzt fühlen.

Drei Tipps gegen den Blues

  • Wenn Sie merken, dass Sie der Nachrichtenfluss – oder ist es schon eine Flut? – überfordert, schalten Sie alle Push-Nachrichten auf dem Handy und Computer aus. Damit erhalten Sie die Kontrolle zurück, wann Sie die Nachrichten konsumieren wollen.
  • Viele Newsplattformen lassen inzwischen ihren Leserinnen und Lesern die Wahl: Wollen Sie die Nachrichten aus der Ukraine mit oder ohne Fotos lesen? Das hat damit zu tun, dass manche Menschen Berichte mit verstörenden Fotos belastender empfinden, als wenn sie die Entwicklungen nur als Text vermittelt bekommen.
  • Wenn Sie merken, dass Sie traurig werden, und diese Traurigkeit nicht mehr weggeht: Meiden Sie alles, von dem Sie wissen, dass es in Ihnen Traurigkeit auslöst, zum Beispiel melancholische Musik. Hören Sie lieber aufmunternde Stücke.

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