Michael Jordi, Generalsekretär der Konferenz der Kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK), äusserte sich in der letzten Ausgabe von «influence». Im Interview nahm er Stellung zur Bewältigung der Corona-Krise und Rolle der Spitäler. Felix Schneuwly ist beim Vergleichsdienst Comparis für Public Affairs zuständig und Vizepräsident beim Bündnis Freiheitliches Gesundheitswesen. Er beurteilt die Rolle der Kantone aus dem Blickwinkel der Krankenversicherer und sieht eine politisch gesteuerte Machtverschiebung, die in die falsche Richtung gehe. Wir veröffentlichen seine Replik als Gastbeitrag.

Die Interessenkonflikte der Kantone sind aktuell das grösste Problem in der Schweizer Gesundheitspolitik, selbst wenn sie dafür nicht einmal die Hauptverantwortung tragen.

Statt die ursprünglichen Grundsätze des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) im Vollzug durchzusetzen, peitschen Bundesrat und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) immer neue KVG-Revisionen in immer kürzeren Intervallen durch das Parlament. Das Resultat dieses gesundheitspolitischen Mikromanagements: Immer mehr Bürokratie, welche die Produktivität aller Beteiligten senkt.

An diesen Interessenkonflikten der Stände im Gesundheitsbereich trägt auch die Bevölkerung ihren Anteil, die auf Kantonsebene widersprüchliche Interessen verfolgt. Die medizinische Versorgung soll bitte schön in bester Qualität, ohne Wartezeiten, direkt vor der Haustür angeboten werden und möglichst wenig kosten, denn die Krankenkassenprämien sind eh viel zu hoch. Aber wenn wir krank sind, wollen wir vielleicht halt doch lieber in ein grösseres Spital und nicht ins nahegelegene Regionalspital, gegen dessen Schliessung wir uns wehren.

Als Folge davon ist die ursprünglich klare Aufgabenzuteilung zwischen Bund und Kantonen, auf die Michael Jordi zurecht hinweist, im KVG in den letzten Jahren zu einem veritablen Durcheinander verkommen. Ursprünglich sollten die Kantone die Versorgungs- und Patientensicherheit garantieren – mehr nicht. Heute sind sie nun auch noch Spitalplaner, Spitalbesitzer, finanzieren stationären Spitalleistungen mit und versuchen sich als Wirtschaftsförderer. Sie genehmigen Tarife und sind als Tariffestsetzer sogar Schiedsrichter bei Tarifstreitigkeiten. Und dann sind sie auch noch für die Zulassung der medizinischen Leistungserbringer zuständig. Nur: Deren Zulassung war ursprünglich eine rein gesundheitspolizeiliche Aufgabe im Interesse der Patientensicherheit. Inzwischen ist sie mehr und mehr zum Instrument einer staatlichen Vollplanung verkommen. Wobei man wiederum nur auf angebliche Überversorgung, aber selten auf eine Unterversorgung reagiert. Eine nationale oder kantonale Strategie mit klaren Versorgungszielen, die auf einer wissenschaftlichen Versorgungsforschung basieren würde, fehlt gänzlich.

Weshalb die Entwicklung in die falsche Richtung geht, lässt sich am besten an den jüngsten Entscheiden im Parlament zeigen. Kürzlich haben die Eidgenössischen Räte den Kantonen erneut weitere Aufgaben zugewiesen, die eigentlich in die Zuständigkeit der Krankenkassen fallen. Schliesslich wäre eine Steuerung, die über die gesundheitspolizeiliche Zulassung hinausgeht, unnötig, wenn die Krankenversicherer zu Lasten der Grundversicherung nur wirtschaftliche, zweckmässige und wirtschaftliche Leistungen (WZW) vergüten müssen. Das heisst: Dazu müssten sie die Bezahlung von überflüssigen oder gar schädlichen Behandlungen verweigern können. Dann wäre es unerheblich, wie viele medizinische Leistungserbringer die Kantone überhaupt zulassen. Die Krankenkassen könnten die Vergütungsfrage allein in den Tarifverträgen regeln.

Auch die Eidgenössische Qualitätskommission müsste überflüssig sein, denn die Kantone sollten als Zulasser dafür sorgen, dass nur medizinische Leistungserbringer ihre Dienste anbieten können, die ihre Patienten nicht gefährden – unabhängig davon, wer die Leistungen bezahlt. Schliesslich verlangt das KVG Transparenz bei der Qualität, auf dass Patientinnen und Patienten ihre Ärztinnen und Ärzte, ihr Spital gestützt darauf wählen können. Auch das liesse sich einfacher in den Tarifverträgen regeln.

Alles in allem ist mir schleierhaft, dass die Kantone hier mitmachen und sich immer mehr Aufgaben zuschanzen lassen, die im Grunde ihren Spielraum nicht wirklich vergrössern. Denn mit zunehmenden Interessenkonflikten – das ist eine Binsenwahrheit – wird das Management immer schwieriger. Doch möglicherweise haben das die Kantone bisher noch gar nicht begriffen.

Als Separatisten in der Schweiz Bomben zündeten

Das neue Buch «Der Jurakonflikt» von Christian Moser ist nicht nur präzis recherchiert, es enthält auch Tröstliches für unsere Zeit.

«Es gibt auf beiden Seiten Ängste»

Thierry Steinert, Stadtpräsident/ Syndic der Stadt Freiburg/Fribourg, über den Sprachenstreit in der Schweiz

Die Ursünde Russlands

Putin, seine Macht und den Ukraine-Krieg besser verstehen – ein grossartiger Roman.

Gerade für Banken ist Blockchain eine Chance

Die Idee von Facebook, Visa, Ebay und Co. eine Blcokchain-Währung zu lancieren, hat enormes Echo ausgelöst.

Warum der Wachmacher gut für die Gesundheit ist

Im Gegensatz zur landläufigen Meinung können drei bis vier Tassen Kaffee pro Tag sogar vor schweren Krankheiten schützen.

Homeoffice zu Zeiten von Corona

Was wir von den Netzwerken unserer Vorfahren, den Jägern und Sammlern, lernen können.

Reiseführer durch die digitale Galaxie

Neu gibt es einen Atlas für die digitalen Welten. Aber wie bringt man das zwischen zwei Buchdeckel?

Fit sein für morgen

Wie sich die Chefs börsenkotierter US-Firmen auf die neue Ära des Welthandels vorbereiten und über die Fragen der Wirtschafts-Zukunft denken.

Die Schweiz – eine Insel der Handelspolitik

Durch mehr als 30 Freihandelsabkommen positioniert sich die Schweiz strategisch klug