Ständerätinnen und Ständeräte in der Herbstsession 2020: Für die weiblichen Mitglieder im Stöckli wurde die Kleiderordnung Anfang Monat gelockert.

Es war eine derart frohe Botschaft, dass ihr Überbringer eine Kunstpause einlegen musste, nachdem er verkündet hatte: «Schulterfrei ist möglich». Ständeratspräsident Hans Stöckli punktete damit zum richtigen Zeitpunkt, zu Beginn der von warmem Wetter geprägten Herbstsession. Die Ständerätinnen konnten sich wieder dem Klima entsprechend kleiden, was ihnen seit einem Verdikt von Stöcklis Vorgänger Raphaël Comte vier Jahre lang verwehrt worden war.

Der eigentlich freisinnige, bezüglich Kleiderordnung aber gar nicht liberale Ständeratspräsident hatte penibel darüber gewacht, dass seine strengen Regeln auch eingehalten wurden. Comte schreckte nicht einmal vor einem Rüffel an die Adresse der einst höchsten Schweizerin zurück, wie die ehemalige Nationalratspräsidentin und spätere Genfer Ständerätin Liliane Maury Pasquier erfahren musste. Eine NZZ-Journalistin mit zwar höchst gestylter, aber schulterfreier Bluse kassierte gar einen Platzverweis.

Nun reicht also «schickliche Kleidung» im Stöckli wieder aus. Im Nationalrat ist auch das nicht nötig, denn die Grosse Kammer hat bereits 2003 explizite Kleidervorschriften aus ihrem Geschäftsreglement gestrichen. Selbst als es diese im letzten Jahrtausend noch gab, sorgten Ratsmitglieder mit auffälliger Bekleidung regelmässig für Furore. Unvergessen bleibt etwa die Vorliebe der grünen Fraktionschefin Cécile Bühlmann für Roben in der knalligsten Ausprägung ihrer Parteifarbe, die sich mit den orangeroten Haaren ihrer Trägerin einen Kampf um Aufmerksamkeit lieferten und die Luzernerin für Freund und Feind unübersehbar machten. Oder der Hang des Zürcher Sozialdemokraten Andreas Gross zu Jeans und Pullover – wobei letztere nur in der Anfangsphase seines 24 Jahre dauernden Nationalratsdaseins so wirkten, als habe der ehemalige Juso-Präsident sie eigenhändig aus selbstgesponnener, naturgefärbter Wolle gestrickt.

Noch in der letzten Legislatur war der Hang zu textilem Nonkonformismus links der Mitte deutlich ausgeprägter als im Rest des Nationalrats, wie eine Untersuchung der Universität Bern bestätigt. 64 Prozent der Volksvertreter von SP, Grünen und PdA zogen demnach ein lockeres Tenue vor, während es in der rechten Ratshälfte nur wenige Prozent waren. Die Vertreter der Mitte hingegen kamen zu 100 Prozent in schicklicher Kleidung daher. Insgesamt, so resümierte die Studie, wurde im Ständerat ausnahmslos zu Hemd, Veston und Krawatte gegriffen, während knapp jeder fünfte Nationalrat auf die Krawatte verzichtete und das Hemd offen oder gar nur ein T‑Shirt trug.

Für die laufende Legislatur fehlt zwar bisher eine wissenschaftliche Auswertung. Es hat aber den Anschein, als seien auch im Nationalrat Blazer, Kostüme, Hemden und Krawatten besonders gut vertreten, und zwar unabhängig von der politischen Ausrichtung der Trägerinnen und Träger. Eine nicht repräsentative Umfrage bestätigt diesen Eindruck: Sie trage «Uniform: schwarze Hose, Bluse, dunklen Blazer – und hie und da ein Kleid», sagt die ehemalige Juso-Präsidentin Tamara Funiciello. Das komme ihr insofern entgegen, als sie Blazer und Kleider liebe.

Meret Schneider von den Grünen zieht zwar Jeans und T-Shirt vor. Trotzdem hat sich die Zürcherin vor ihrer ersten Session «mit einer Auswahl an Blazern, Blusen und schicken Hosen eingedeckt, um mehr Seriosität und Autorität auszustrahlen», wie sie gesteht. Schneider war gewarnt, nachdem ihre Fraktionskollegin Katharina Prelicz-Huber in der NZZ mit der Aussage zitiert worden war, sie habe sich eine Garderobe zurechtlegen müssen, «wie ich sie sonst niemals hätte.» Denn von einer Frau erwarte man im Bundeshaus, dass sie während der dreiwöchigen Session nicht zweimal dieselben Kleider trage.

Derlei Erwartungen gelten unabhängig vom Parteibuch, wie Petra Gössi erfahren musste. Der FDP-Chefin hat einst Publizist Peter Rothenbühler in der «Schweizer Illustrierten» empfohlen, «sich einer kleinen Stilberatung» zu unterziehen, «denn offenbar gehört die Auswahl der passenden Kleider nicht zu Ihren Kernkompetenzen». Gössi nimmt es mit Humor, zumal sie der Kleidung keine grosse Bedeutung beimisst. Sie weiss aber, wie sie danach dem Wirtschaftsmagazin «Bilanz» anvertraute, dass ihre männlichen Ratskollegen «in ihren ausgebeulten Anzügen» so etwas nie würden lesen müssen.

Dafür dürfen die männlichen Ständeräte auch bei grösster Hitze nicht schulterfrei an die Session.

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