Andri Silberschmidt: Sein Einsatz als Präsident der Jungfreisinnigen hat ihn zu einem Star unter den Jungpolitikern gemacht. (Quelle: zvg)

Das Digital Democracy Lab der Universität Zürich forscht zu den Auswirkungen von digitalen Technologien auf die Demokratie. Zusammen mit dem Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft der gleichen Universität hat das Lab erstmals alle Kandidatinnen und Kandidaten einer Eidgenössischen Wahl unter die Lupe genommen: Wie setzen die Kandidierenden bei den Wahlen vom 20. Oktober Social Media ein? Als Grundlage dienten die 4400 Smartvote-Profile, die die Kandidaten ausgefüllt hatten. Die Forscher prüften dann nach, ob die Kandidierenden über einen Account bei Facebook, Twitter oder Instagram verfügen. Das Ergebnis ist eine der umfassendsten Listen zur Online-Aktivität der Kandidierenden bei politischen Wahlen in der Schweiz.

Die fünf wichtigsten Erkenntnisse der Forscherinnen und Forscher:

1. Facebook liegt bei allen Parteien unangefochten an der Spitze
Auf den ersten Blick erstaunt es, dass Facebook in der Schweiz derart in den politisch genutzten sozialen Medien dominiert. Denn bei allen Parteien ist es der am meisten genutzte Online- oder Social-Media-Kanal. Zwar liegen zwischen der FDP, bei der 81 Prozent aller Kandidierenden über einen «dunkelblauen»-Account verfügen, und der CVP, bei der es immer noch 59 Prozent sind, in Sachen Verbreitung Welten. Alle anderen Parteien platzieren sich irgendwo dazwischen. Doch bei jeder einzelnen Partei steht Facebook zuoberst auf der Kanalliste.

Die Politologen verweisen auf das Ausland. Dort, allen voran in der US-Politik, sei besonders Twitter als primäre politische Kommunikationsplattform bekannt. Nicht in der Schweiz! Einer der Gründe für die Dominanz von Facebook sei sicherlich die stark verbreitete Nutzung der Plattform in der allgemeinen Bevölkerung hierzulande, die auch im Vergleich mit der USA prozentual höher liege. Auf dem zweiten Platz der beliebtesten Social-Media-Services folgt in der Schweizer Politik Instagram; eine Plattform, die meist jüngere Personen anzieht.

2. Nutzung der Kanäle hängt vom Geschlecht ab
Auf den verschiedenen Social-Media-Plattformen sind die Geschlechter unterschiedlich stark vertreten. So etwa bevorzugen die Frauen gewisser Parteien Instagram stärker als ihre Parteikollegen. Das ist etwa bei der GLP, SVP und BDP der Fall. Dort weichen die Zahlen von denjenigen der Männer sehr deutlich ab. Demgegenüber setzen die Kandidaten der FDP und SP stärker auf die sehr bildorientierte Plattform als die Frauen.

Spannend auch das Resultat der SVP, wenn es um Facebook geht. Auch wenn die Partei nicht gerade für offensive Frauenförderung bekannt ist, so scheint sie die Parteiorganisation im Griff zu haben: Ganze 74 Prozent ihrer Kandidaten verfügen über einen Facebook-Account. Bei den Frauen, die auf einer SVP-Liste kandidieren, sind es 73 Prozent. Auf Facebook wiederum haben die Kandidatinnen der BDP fleissig vorgelegt, vor allem im Vergleich zu ihren Parteikollegen, die stark abfallen – auch im Vergleich mit anderen Parteien.

3. Websites sind nicht mehr so zentral
Mit dem Aufkommen des Internets wurde eine eigene Website zur zentralen Grösse der Politikerinnen und Politiker. Jetzt zeigt die Untersuchung des Digital Democracy Labs, dass dies kaum mehr so ist. Social-Media-Accounts sind offensichtlich viel wichtiger geworden. Die Anteile von Kandidatinnen und Kandidaten, die Social-Media-Kanäle bespielen, übersteigen den Anteil derjenigen mit eigener Homepage um Längen. So haben bei der SVP 38 Prozent der Kandidaten eine eigene Website, bei den Frauen erreichen die Kandidatinnen der BDP mit exakt der gleichen Zahl die Spitzenposition. Die Schlusslichter findet man bei der CVP, wo beide Geschlechter auf rund einen Viertel kommen. Das ist nichts im Vergleich zu den 59 Prozent, die einen Facebook-Account haben.

4. Social Media ist längst kein Instrument der Jungen mehr
Social Media wird von den Kandidierenden aller Alterskategorien genutzt. Die Unterschiede seien eigentlich kleiner als erwartet, folgern die Forscher: «Wird in vier Alterskategorien getrennt (U30, zwei mittlere Alterskategorien und Ü60), dann fallen meist nur die älteren Politikerinnen und Politiker ab.» Bei den meisten Parteien hätten die Ü60-Kandidierenden weniger häufig Profile auf Twitter und Instagram, meist gilt das auch für Facebook. Bei den grösseren Parteien sei zudem, so das Digital Democracy Lab, auch ein Rückgang bei den jüngsten Kandidierenden auf Facebook ersichtlich. Was eigentlich auch nachvollziehbar ist, denn der dunkelblaue Riese aus Kalifornien kämpft gegen den Interessenschwund und findet kaum mehr junge Neukunden.

Demgegenüber haben junge Menschen immer mehr Möglichkeiten zur Verfügung – Snapchat, um nur eine zu nennen – und sind deshalb nicht mehr so häufig auf Facebook anzutreffen. Allerdings finden es die Forscher spannend, dass Instagram unter den Jüngeren nicht stärker dominiert. Das zeige zwei Sachen: Einerseits seien jüngere Generationen nicht unbedingt affiner für die digitale Welt, zumindest wenn es um die grossen Plattformen mit der grösseren Reichweite geht, wo mehr oder weniger professionelle Möglichkeiten bestehen, um einen politischen Auftritt zu organisieren. Andererseits kann keine Verdrängung von Facebook durch Instagram bei jüngeren Generationen beobachtet werden. Für die Forscher steht darum die Frage im Raum, ob es ein Zeichen dafür sei, dass soziale Medien als Polit-Instrument eventuell überbewertet werden.

5. Wer in jungen Jahren seine Bekanntheit schnell steigern will, muss Jungparteipräsident werden
Nach Alter getrennt zeigt sich, dass jede Generation ihre Stars hat. In den zwei jüngeren Generationen stechen drei Personen der SP heraus: Tamara Funiciello, Fabian Molina und Cédric Wermuth. Diese drei ehemaligen Juso-PräsidentInnen, welche auf SP-Listen (wieder-)gewählt werden möchten, seien in ihrer jeweiligen Alterskategorie dominant, finden die Forscher. Gemeinsam mit Andri Silberschmidt von der FDP, Parteipräsident der Jungfreisinnigen bis Ende Jahr, zeige dies: Die Strategie, mit Parteipräsidien Personen für die nationale Bühne aufzubauen, funktioniert. So seien bei der SP Molina und Wermuth schon in jungen Jahren Nationalrat geworden. Silberschmidt und Funiciello hätten beste Chancen, dieses Jahr dasselbe zu erreichen.

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