In den Tiefen der «Neuen Zürcher Zeitung»

Ein kritisches Porträt des ehemaligen Redaktors und Korrespondenten Friedemann Bartu.

Die «Neue Zürcher Zeitung» ist eine Institution in der Schweizer Medienlandschaft. 1780 gegründet, hat sie im Laufe ihrer 240 Jahre zahlreiche Stürme, Kriege und Revolutionen überstanden. Nun befindet sie sich in einer der grundlegendsten Transformationen ihrer Geschichte – der Digitalisierung des Geschäftsmodells. In den letzten 15 Jahren ist ausser den drei Buchstaben NZZ und dem Bekenntnis zum Qualitätsjournalismus kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Es ist zu einem «Umbruch» gekommen, den der ehemalige Redaktor und Auslandkorrespondent Friedemann Bartu in seinem gleichnamigen Buch informativ, unterhaltsam, aber auch kritisch ausleuchtet.

Das Buch ist aus zwei Gründen interessant und lesenswert: Zum einen zeichnet Bartu mit viel Detail- und Insiderwissen nach, was er durch minuziöse Recherchen und zahlreiche Gespräche an Informationen gewonnen hat, wie die ehemaligen Chefredaktoren, Verlagsleiter und Verwaltungsratspräsidenten die Weichen für die Zukunft gestellt haben – oder eben nicht oder zu spät. War zum Beispiel die NZZ eine der ersten Redaktionen, die eine kleine, schlagkräftige, vielbeachtete Online-Redaktion aufgebaut hatte, so blieb sie auf halber Strecke stehen und liess die Konkurrenz (allen voran Ringier und Tamedia) an sich vorbeiziehen. Der digitale Vorsprung war dahin. Bartu macht in seinem Buch (fast) keine Schuldzuweisungen, es ist auch keine Abrechnung eines Pensionierten mit seinem Arbeitgeber, der die «Alte Tante», wie die NZZ liebevoll genannt wird, nicht mehr versteht und rückblickend vieles besser wüsste. Vielmehr erklärt Bartu, wie Entscheide zustande kamen, Strukturen umgepflügt und neue Strategien geboren wurden. Vieles ist für Bartu nachvollziehbar, anderes hingegen nicht (wie der missglückte Ausflug nach Österreich).

Das Buch ist aus einem zweiten Grund ein Lesegenuss. Bartu, der während 37 Jahren für die NZZ gearbeitet hat, erzählt aus dem Nähkästchen: Geschichten, Anekdoten, Erlebnisse aus dem Redaktionsalltag. Er blickt hinter die Kulissen und die Mythen. Da vermischen sich Skurrilitäten mit Zeitgeschichte, grosse Reporter und Leitartikler leben wieder auf, journalistische Glanzstücke werden ebenso hervorgeholt wie publizistische Fehlleistungen. Die Art und Weise, wie Bartu und seine Generation journalistisch gearbeitet haben und sich Ressourcen und Zeit für Recherchen und Formulierungen nehmen durften, zeugt von einer anderen, analogen, langsameren Welt.

In seinem kritischen Porträt, so der Untertitel des Buchs, trauert Bartu dieser Welt von gestern nicht nach. Die Beschreibungen sind weder verklärend noch nostalgisch – vielmehr amüsant, hochkomisch, erhellend, gelegentlich auch befremdlich. Bartu lobt die aktuelle Führungsriege an der Falkenstrasse, dass sie trotz tiefgreifender Veränderungen im Leser- und Werbemarkt als eines der wenigen Verlagshäuser dem Qualitätsjournalismus treu bleibt.

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Friedemann Bartu: «Umbruch. Die Neue Zürcher Zeitung – ein kritisches Porträt.» Orell Füssli, Zürich 2020.

Der Autor dieses Beitrags, Pascal Ihle, war während zehn Jahren Redaktor der «Neuen Zürcher Zeitung».

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