Schlechte Nachrichten aus dem Drogenkrieg
Politik im Film #18: Wie in «Clear and Present Danger» das Weisse Haus politische Vorteile und nur ein CIA-Agent die Wahrheit sucht
Clear and Present Danger (Das Kartell)
USA 1994, von Philip Noyce, mit Harrison Ford und Willem Dafoe
Spoiler-Alert
In der Südkaribik wird ein Boot voller Drogen mit zwei toten Passagieren gefunden. Sie stellen sich als Freunde des US-Präsidenten Bennett heraus, die in den Drogenhandel verwickelt waren und vom kolumbianischen Drogenboss Ernesto Escobedo als Strafe für Veruntreuung ermordet wurden. Der Präsident will sich an Escobedo rächen und wittert zudem die Chance, ein Wahlkampfversprechen zu erfüllen («I promised the American people I’d do something about the drug problem»). Er gibt eine paramilitärische Operation in Kolumbien in Auftrag («The course of action I’d suggest is a course of action I can’t suggest»). Der Nationale Sicherheitsberater Cutter und ein Mitglied der CIA-Führung, Ritter, führen den Auftrag aus, solange sichergestellt ist, dass nicht sie die Verantwortung übernehmen müssen, falls die illegale Tätigkeit auffliegen sollte.
Zeitgleich wird Jack Ryan aufgrund der Krebserkrankung des bisherigen Amtsinhabers Deputy Director of Intelligence bei der CIA – zum Schrecken von Cutter und Ritter, die ihn als prinzipientreuen Strafverfolger («He’s a boy scout. A goddamn boy scout. Believes in loyalty, cleanliness and knot-tying») für denkbar ungeeignet für diese Aufgabe halten. Sie lassen ihn im Dunkeln über die paramilitärische Operation, so dass er vor einem Senatsausschuss unwissentlich die Unwahrheit sagt, als er bezüglich eines Kreditantrags angehört wird.
Im Rahmen der paramilitärischen Aktion zerstören amerikanische Söldner in Kolumbien Infrastruktur der Kokainproduktion und bringen die Spitzen der Kartelle um. Im Gegenzug wird ein amerikanischer Konvoi beschossen, in dem sich auch Jack Ryan befindet, um in Bogota Verhandlungen zu führen. Ein ehemaliger kubanischer Geheimdienstler im Umfeld von Escobedo hat seine eigene Agenda: Er möchte Escobedo ausschalten und selber das Kartell übernehmen. Er stösst auf Spuren der paramilitärischen Operation und bietet Cutter an, weniger Drogen in die USA zu liefern, sofern die paramilitärische Einheit ausgeschaltet wird. Cutter stimmt dem Deal zu und versucht, die Toten Jack Ryan in die Schuhe zu schieben.
Über Umwege entdeckt Jack Ryan die Wahrheit und rettet dem letzten überlebenden Paramilitär das Leben. Am Ende seines zweiten Ausflugs nach Bogota sind auch Escobedo und der kubanische Geheimdienstler tot.
Der Präsident versucht Jack Ryan dazu zu bringen, seine Erkenntnisse für sich zu behalten, was dieser aber ablehnt. Der Film endet mit Ryans neuerlicher Vereidigung vor dem Senatsausschuss – und suggeriert, dass das Parlament Ryan glauben und Bennett, Ritter und Cutter zur Verantwortung ziehen wird.
Sehenswert für
Das Sequel zu «Hunt for Red October» und «Patriot Games» in der Reihe von Tom-Clancy-Verfilmungen mit Harrison Ford verfügt nicht über den tiefsinnigsten Plot und die differenziertesten Charaktere aller Politfilme, auch die ganze innen- und aussenpolitische Absurdität der Drogenpolitik wird kaum angedeutet – aber überzeugt als actionreiche Geschichte eines aufrechten Agenten, der mit seinen klaren Vorstellungen von Richtig und Falsch in Konflikt mit der Politik und ihrer Toleranz für Grautöne gerät und sein Leben aufs Spiel setzt, um seine Pflicht zu tun.
Siegreiche Strategie
Jack Ryan ist ein Ermittler, der alles riskiert, um herauszufinden, was geschehen ist, und darüber zu berichten. Lügen ist tabu, und wenn man merkt, dass man versehentlich die Unwahrheit gesagt hat, muss man es richtigstellen. Das grosse Pfadfinder-Ehrenwort gilt absolut, persönliche Loyalitäten haben damit nichts zu tun.
Jack Ryan agiert an der Schnittstelle von CIA und Politik und setzt sich durch, indem er sich zu hundert Prozent an der Logik seines Systems orientiert und allen politischen Grautönen eine Absage erteilt. Wer klare Grenzen zieht und für seine Prinzipien sein Leben aufs Spiel setzt, gewinnt gegen alle politisch-bürokratischen Mauscheleien.
Erfolglose Strategie
Die Politik hat gegen den Pfadfinder keine Chance. Wo sie nur Grautöne sieht und in der Logik von Wählerwünschen, Loyalitäten und Verantwortungsdiffusion operiert, unterscheidet er zwischen richtig und falsch und lässt sich weder bedrohen noch bestechen – und zieht die Politik zur Verantwortung.
Wie wird Politik dargestellt?
Je nobler das Ambiente, desto weniger vertrauenswürdig seine Benutzer. In Räumen im Weissen Haus mit eleganten Tropenholzmöbeln und Familienfotos in silbernen Rahmen residieren ein US-Präsident, der in unverständlichen Metaphern spricht und Aufträge erteilt, die er nicht geben darf, und sein Nationaler Sicherheitsberater, beide in erstklassige Anzüge gekleidet. Die Drogenbosse in ihren Haciendas leben ähnlich gepflegt. Im Vergleich dazu scheinen die Paramilitärs im Dschungel halbwegs geradlinig, und die solide Spiessigkeit von Jack Ryans Wohnräumen und Kleidung stellt klar, dass hier einer das Sein über den Schein stellt. Er muss die Politik dann zur Rechenschaft ziehen. Die einzige politische Instanz, die vom Generalverdacht gegenüber der Politik ausgenommen ist, ist das Senate Committee, das ebenfalls der Wahrheit verpflichtet ist.
Themen
Präsidentschaft, Geheimdienst, Drogenkrieg
Zitat
«I’m afraid if I dig any deeper no one is going to like what I find.»