Andreessen und Horowitz – oder wenn zwei Tech-Milliardäre ein Medienhaus bauen
Die Antwort aus dem Silicon-Valley auf die sinkende Wirtschaftsberichterstattung und die Krise der Medien ist wie immer innovativ.
Die Medienkrise führt inzwischen auch hier in der Schweiz dazu, dass die Verlagshäuser ihre Wirtschaftsberichterstattung grundlegend überdenken. Alles, was nicht nach Skandal, Konflikten oder Knüller riecht, wird gnadenlos als überflüssig taxiert. Selbst bei der NZZ richtet man das Wirtschaftsressort neu aus: Was zählt, ist das, was den Nutzer betrifft. Früher war das die Formel für den Erfolg von Konsumentenmagazinen. Liberale Leuchtturm-Medien leisteten sich den Luxus, umfassend und ausführlich über Firmen, deren Chefs und ganze Branchen zu berichten. Das scheint Geschichte zu sein.
Andreessen und Horowitz – oder wenn zwei Milliardäre bloggen
Doch was passiert, wenn die Medien die Firmen weniger stark ins Zentrum stellen? Wo erfahren Investoren, Mitbewerber, aber auch die Politik und die Regulatoren, was Firmen und Branchen beschäftigt? Wer berichtet über Innovationen und darüber, welche Entwicklungen auf Stufe Gesamtwirtschaft im Gange sind? Um diese Fragen zu beantworten, lohnt sich ein Blick ins Silicon Valley. Noch genauer ins noble Menlo Park. Dort steht das Hauptquartier von «a16z», der Venture-Capital-Firma Andreessen & Horowitz, gegründet 2009 von Marc Andreessen und Ben Horowitz. Andreessen hat den Netscape-Browser programmiert und wurde durch den Verkauf der gleichnamigen Firma Milliardär, Horowitz durch den Aufbau und den Verkauf der Firmen Loudcloud und Opsware. Zu Beginn investierte a16z in Technologieunternehmen, später dehnte die Firma ihre Tätigkeiten auch auf Bio/Healthcare-, Crypto- und Fintech-Firmen aus. Insgesamt verwaltet die Firma über mehrere Fonds hinweg ein Vermögen von fast 17 Milliarden US-Dollar. Daneben ist a16z aber auch erfolgreich als Medienunternehmen.
Gründer und Investoren lechzen nach Informationen
Das fing damit an, dass die Leute von a16z, insbesondere Andreessen und Horowitz, früh begannen zu bloggen. Etwa darüber, warum sie in einen Gründer oder ein ganzes Gründerteam investierten. Oder wie es Margit Wennmachers, eine der Operating Partner, in einem Blog beschreibt: «Anfänglich taten wir dies, weil wir das Reputationsrisiko mit den Unternehmern teilen wollten.» Damals sei es Tradition gewesen, dass die meisten Investoren ihre Unternehmen beim Exit nur dann öffentlich «vermarkteten», wenn dies neben dem Geld auch einen Vorteil für die eigene Reputation versprach. Den Start-ups gefiel es, dass sich a16z direkt an ihrer Seite engagierte, wenn der Ausgang der Firmengründung am unsichersten und das Risiko, zu scheitern, am grössten waren.
Neue Technologien im Fokus
Weil man gute Rückmeldungen für die Blogbeiträge erhielt und sie ein immer grösseres Publikum fanden, expandierte a16z bald von reinen Blog-Beiträgen zu Investitionen hin zu Essays, in denen a16z-Partnerinnen und -Partner über allgemeine Tech-Themen – etwa KI, Biotech, Krypto, Fintech und mehr – schrieben. Dazu veröffentlichten die beiden Gründer Horowitz und Andreessen schon bald eigene Bücher, in denen sie zur Technologie-Entwicklung Stellung nahmen. Andreessen schrieb etwa den Bestseller «Software is eating the world», Horowitz «The hard thing about hard things.»
Für Wennmachers, eine ehemalige Tech-Kommunikations-Strategin, ist klar: Diesen direkten Kanal zu haben, um die eigene Denkweise auszudrücken, sei ideal. Die Firmen und ihre Gründer hätten das Gefühl, dass a16z sie, ihre Technologie und ihre Branche «verstehen würden». Grosse Unternehmen fänden es nützlich, bei a16z etwas über die neuen Technologien und Trends zu erfahren und darüber, wie diese neumodischen, modernen Unternehmen aufgebaut seien.
Den Wert von Podcasts für Tech-Kommunikation erkannt
Als 2014 die ersten Podcasts aufkamen, reagierte a16z rasch: Vom US-amerikanischen Computermagazin Wired, das über aktuelle Entwicklungen rund um Netzkultur, Architektur, Design und Politik berichtet und sich als Medium der Geeks und Technik-Freaks versteht, holten sie Sonal Chokshi als Senior Editor und machten sie zur Chefredaktorin. Chokshi entwarf eine ambitionierte Strategie und setzte sie danach erfolgreich um. Sie baute eine Redaktion auf, die von vielen als «Medienunternehmen, das sich durch Risikokapital monetarisiert», gesehen wird. Vor allem bei Podcasts schlug die Strategie voll ein: Die a16z-Podcasts wurden so beliebt und einflussreich, dass sich Autorinnen, Denker, CEOs und Wissenschafter nicht zweimal bitten lassen müssen, um dort aufzutreten. Das wiederum sichert den Podcasts eine grosse Gemeinde von Hörerinnen und Hörern. Die Podcasts aus dem Hause Andreessen & Horowitz müssen den Vergleich mit denjenigen aus «normalen» Medienhäusern nicht scheuen. Gleichzeitig baute Chokshi auch andere journalistische Disziplinen aus. Sie brachte Bücher genauso heraus wie immer neue und spezialisiertere Newsletter. Liess Videos anfertigen, die Technologien erklären und Entwicklungen einordnen. Kurz: Sie machte ihre Abteilung bei a16z zu einem vollwertigen Medienhaus.
Was gut funktioniert, gehört weiter ausgebaut
Was kommt nun? Der nächste Ausbauschritt! a16z verstärkt seine Medienaktivitäten sogar noch und hat Maggie Leung verpflichtet. Bei NerdWallet, einer Techfirma, die per App ihre Kunden in ihren Personal-Finance-Belangen unterstützt, hatte Leung eine ganze Content-Abteilung mit über 90 Mitarbeitern von Grund auf aufgebaut. Davor war sie als Journalistin mehr als 20 Jahre lang im Nachrichtengeschäft tätig, unter anderem bei der Washington Post, dem Wall Street Journal und als Senior Editor bei CNN. Leung hat den Auftrag, weitere Journalistinnen und Journalisten zu rekrutieren. Auf dass a16z noch mehr Inhalte produzieren und publizieren kann.
Wer gut und informativ berichtet, findet sein Publikum
Jetzt wird es spannend, nicht nur im Silicon Valley. Es wird sich bald zeigen, ob der Rückzug der klassischen Medien aus der Wirtschaftsberichterstattung womöglich vorschnell und kontraproduktiv ist. Und ob er nicht durch den Einstieg von Firmen, aber auch von Verbänden oder Vereinen schon bald kompensiert werden wird. Denn eines zeigt das Beispiel von a16z auf jeden Fall: Wer gut und informativ über Firmen, Branchen, Technologie und die Wirtschaft zu berichten vermag, findet auch ein interessiertes Publikum.