John F. Kennedy und Willy Brandt, 1961.

Haben charismatische, historische Persönlichkeiten wie Bismarck, Napoleon, Churchill, Roosevelt, Kennedy oder Stalin Gemeinsamkeiten, und was können wir heute von ihnen lernen? Mit dieser Frage befasst sich die britische Oxford-Historikerin Margaret MacMillan in ihrem Buch «History’s People – Personalities And The Past». In einem Essay hat sie acht sogenannte Leadership-Lektionen zusammengetragen, die nichts an Aktualität eingebüsst haben.

1. Man muss führen wollen
Eine Führungsrolle zu übernehmen, kann sehr befriedigend und berauschend sein, doch man ist häufig auch einsam. Ambition und Entschlossenheit bedeuten nämlich Entbehrung und Opfer, namentlich bei Freunden und der Familie. Nur selten finden Führungspersönlichkeiten Gleichgesinnte, mit denen sie sich über schwierige Momente, Druck und Verantwortung austauschen können. Einer dieser seltenen Momente war die Pariser Friedenskonferenz von 1919, als der Brite David Lloyd George, der Franzose Georges Clemenceau und der Amerikaner Woodrow Wilson sowohl über ihre Träume sprachen als auch über ihre Angst vor dem Scheitern. Gemeinsam war den drei Staatsmännern, dass sie in der Lage waren, eine Niederlage einzustecken, aufzustehen und weiterzugehen.

2. Man braucht die richtigen Schlüsselpersonen an seiner Seite
Als Otto von Bismarck das Deutsche Reich erschuf, benötigte er für diesen Kraftakt eine Person mehr als alle anderen: den Preussischen König Wilhelm. Die Beziehung der beiden Männer zueinander war alles andere als einfach, doch schliesslich unterstützte Wilhelm seinen brillanten Minister und erkor ihn zum Reichskanzler. Und dieser machte Wilhelm im Gegenzug zum Deutschen Kaiser. In Demokratien ist es wichtig, dass politische Leader stabile Allianzen und Koalitionen schaffen können. In autoritären Staaten fokussieren sich die Regierungschefs lediglich auf gewisse Schlüsselinstitutionen wie das Militär oder den Geheimdienst. Ohne das Vertrauen der jeweiligen Aushängeschilder sind sie verloren.

3. Es hilft, ein guter Kommunikator zu sein
Ein guter Kommunikator zu sein, bedeutet in erster Linie, sein Zielpublikum zu kennen, zu verstehen und dessen Bedürfnisse zu befriedigen. Einer der grössten britischen Redner, Lloyd George, sagte: «Ich strecke meine Hand aus zu den Menschen und ziehe sie zu mir. Wie Kinder verhalten sie sich dann.» Hört man heute die Reden des britischen Premiers Winston Churchill, wirken sie pathetisch und überladen, doch die Bevölkerung brauchte in den Kriegsjahren genau diese Ansprache, diese Bilder und Wortwahl.

4. Zuzuhören hilft
Mit der Kubakrise im Oktober 1962 erreichte der Kalte Krieg eine neue Dimension. Die USA und die UdSSR kamen in diesen Tagen einer direkten militärischen Konfrontation mit Atomwaffen am nächsten. US-Präsident John F. Kennedy beharrte in diesen explosiven Tagen darauf, die unterschiedlichen Standpunkte und Argumente seiner Berater zu hören. Interessanterweise las er zu diesem Zeitpunkt eine historische Abhandlung über den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, die zeigte, wie einfach Leader Fehlentscheidungen fällen und so in einen Krieg geraten, den sie nie wollten. Kennedy ist ein Beispiel dafür, wie hilfreich und sinnvoll es ist, gerade in komplexen Situationen sich auch mit unabhängigen Positionen und unterschiedlichen Standpunkten und Analysen auseinanderzusetzen, um schlechte Entscheidungen zu verhindern.

5. Erahnt man den Lauf der Geschichte, kann man enorm profitieren?
Bismarck definierte den erfolgreichen Staatsmann folgendermassen: Er müsse warten, bis er die Schritte Gottes höre, dann aufspringen und sich am Saum festhalten. Bismarck realisierte, dass die Zeit für das Deutsche Reich reif war, also reiste er durch Europa und fügte die einzelnen Teile wie bei einem Puzzle zusammen. Erfolgreiche Leader sind in der Lage, sowohl das Tagesgeschäft im Griff zu haben als auch das übergeordnete grosse Bild im Blickfeld zu behalten. Die Historikerin MacMillan empfiehlt den Führungskräften daher, sich mit der Geschichte zu befassen und die grossen historischen Linien zu kennen. Das helfe, Vergangenheit und Gegenwart besser zu verstehen und im Idealfall künftige Entwicklungen vorauszusehen, von denen man dann profitieren könne.

6. Man sollte sich vor den Fallen in acht nehmen, welche einem die Macht stellt
Macht ist gefährlich, weil sie häufig zur Annahme verleitet, dass alle möglich sei. US-Präsident Richard Nixon ist ein gutes Beispiel dafür. Er unternahm alles, um den Watergate-Skandal zu vertuschen, was ihm nicht gelang. Ein weiteres Beispiel ist der Vietnam-Krieg. Die US-Regierung war davon überzeugt, dass ihre erdrückende wirtschaftliche und militärische Überlegenheit den asiatischen Feind besiegen und an den Verhandlungstisch zwingen würde. Doch die Feinde hatten ganz andere Vorstellungen. Der damalige US-Verteidigungsminister Robert McNamara räumte später ein, dass die «Fehleinschätzung von Freund und Feind Ausdruck der grössten Ignoranz gegenüber Geschichte, Kultur und Politik» des Landes und seiner Menschen gewesen sei». Denselben Fehler wiederholten die USA und ihre Alliierten Jahre später in Afghanistan, Irak und Syrien.

7. Man darf nicht der eigenen Propaganda glauben
Im alten Rom war es bei Triumphzügen üblich, dass hinter dem erfolgreichen Feldherrn und Kaiser ein Sklave stand, der ins Ohr flüsterte: «Erinnere Dich daran, Du bist ein Mensch.» Mustafa Kemal Atatürk, der Vater der modernen Türkei, wusste stets um seine eigenen Grenzen. Es gibt in der Geschichte aber weit mehr Beispiele von Leadern, die ihre Fähigkeiten und Macht falsch eingeschätzten haben. Allen voran Napoleon: Nachdem er halb Europa erobert hatte, verwickelte er sich zum einen in einen aussichtslosen und teuren Krieg in Spanien und zum anderen wollte er Russland erobern, was seinen Untergang bedeutete. Auch Adolf Hitler glaubte, dass er nach den erfolgreichen Einmärschen und Eroberungen – in Österreich, Tschechoslowakei, Mittel- und Osteuropa sowie Frankreich – auch noch die Sowjetunion unterjochen könnte. Als die deutsche Armee auf russischem Boden auf Widerstand stiess, weigerte sich Hitler, zum Rückzug zu blasen, was den Anfang seines Endes einläutete.

8. Man sollte wissen, wann es Zeit ist abzutreten
Macht abzugeben gehört zum Schwierigsten. Wir alle glauben, dass wir unersetzlich sind – Leader umso mehr. Kaiser Karl V., der im 16. Jahrhundert freiwillig auf seine Macht verzichtete und ins Kloster ging, war ein extrem seltenes Beispiel dafür. Viel eher verpassen charismatische Führer den Zeitpunkt für den Abgang, so auch der britische Premier Winston Churchill, der 1951 lieber darauf verzichtet hätte, nochmals fürs Regierungsamt zu kandidieren. Seine grosse Zeit hatte er während des Zweiten Weltkriegs erlebt, und daran konnte er bei weitem nicht anknüpfen

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Nach diesen acht Lektionen bemerkt Margaret MacMillan richtigerweise: Auch wenn man alle Qualitäten eines grossen Leaders in sich vereinen mag – Wille, Vision und Fähigkeit –, ebenso entscheidend sind das Glück und das richtige Timing. Und der letzte Ratschlag MacMillans an jede angehende Führungskraft: «Lesen Sie Geschichte.»

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