Homeoffice: Ein Konzept mit Zukunft?
Für die Jungen, die Mobilien und die Karrierebewussten ist Präsenzzeit unverzichtbar.
Viele von uns haben ihn in den vergangenen Monaten liebgewonnen: den Arbeitsplatz in den eigenen vier Wänden. Das Arbeiten von zu Hause aus ist jedoch nicht für alle im gleichen Masse möglich. Bereits vor (und auch während) der Pandemie gab es verschiedene Gruppen, die öfter im Homeoffice tätig waren als andere:
Wird Homeoffice bleiben?
Die grosse Mehrheit der Erwerbstätigen hat mit dem Homeoffice gute bis sehr gute Erfahrungen gemacht. Gemäss einer kürzlich durchgeführten Umfrage möchten 80 % der Heimtätigen auch nach der Pandemie einen Teil der Arbeit von zu Hause aus erledigen. Nur 10 % gaben an, wieder komplett ins Büro zurückkehren zu wollen, während weitere 10 % lieber ausschliesslich im Homeoffice arbeiten möchten. Die positive Einstellung der Beschäftigten gegenüber dem ortsunabhängigen Arbeiten manifestiert sich nicht nur in der Schweiz. Auch in anderen Ländern (wie zum Beispiel in den USA oder UK) beurteilten Beschäftigte das Homeoffice grösstenteils positiv und möchten diese Möglichkeit auch zukünftig beibehalten. Laut einer internationalen Befragung der Adecco-Group wünschen sich Arbeitnehmende, rund die Hälfte der Arbeitszeit zu Hause zu verbringen.
Ob die Unternehmen das Homeoffice genauso schätzen wie ihre Angestellten, sei allerdings dahingestellt. Die empirische Evidenz zu den Auswirkungen der Heimarbeit auf die Arbeitsproduktivität ist widersprüchlich. Sie zeigt, dass die produktiveren Mitarbeitenden – wenn sie die Wahl haben – sich eher für einen Büroarbeitsplatz entscheiden. Wer Karriere machen will oder eine neue Stelle antritt, meidet also das Homeoffice.
Die Gründe dafür sind schnell gefunden: Homeoffice stellt ein unvollkommenes Substitut für Präsenzarbeit dar. Deshalb ist zu erwarten, dass nach dem Abklingen der Pandemie weiterhin einige im Büro und einige von zu Hause aus arbeiten werden. So wird sich wahrscheinlich eine Mischform zwischen Homeoffice und Präsenz am Arbeitsplatz durchsetzen. Dabei ist anzunehmen, dass vor allem hochqualifizierte Erwerbstätige in grösseren Agglomerationen, die bereits heute längere Pendelwege in Kauf nehmen, am meisten vom Homeoffice-Boom profitieren können. Für die Jungen, die Mobilien und die Karrierebewussten ist Präsenzzeit jedoch unabdingbar.
Das Gesetz an die heutige Arbeitspraxis anpassen
Im Gegensatz zur Grundannahme der Gewerkschaften, die Homeoffice als zusätzliches Druckmittel der Arbeitgeber zulasten des Personals betrachten, wird sich diese Arbeitsform wohl eher als ein «fringe benefit» für bereits gut etablierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln. Zeitliche und räumliche Flexibilität sind vermehrt Attribute höher qualifizierter Arbeitsplätze geworden: So nimmt der Anteil der Erwerbstätigen in einer Branche, die über eine flexible Arbeitszeitregelung (z.B. Jahresarbeitszeit) verfügt, mit dem Anteil der hochqualifizierten Erwerbstätigen (und somit mit den Löhnen) stark zu. Deshalb sind in peripheren Regionen, wo u. a. die Dichte an Hochqualifizierten gering ist, weniger Veränderungen der Arbeitsformen zu erwarten.
Die steigenden Corona-Fallzahlen lassen vermuten, dass die Regelungen in naher Zukunft eher weiter verschärft als gelockert werden dürften – das Ende der pandemiebedingten Homeoffice-Empfehlung ist vor allem bei grösseren Unternehmen noch nicht in Sicht. Wie die letzten Monate deutlich gemacht haben, kann den Arbeitnehmenden jedoch ein hohes Mass an Eigenverantwortung zugemutet werden. Auch deshalb ist es an der Zeit, die Gesetzgebung an die heutigen Bedürfnisse und die Arbeitspraxis anzupassen.
Dieser Artikel erschien erstmals bei Avenir Suisse.