«Schade, dass die normal denkende Mitte wegbricht»

Der Berner Mundartsänger und Unternehmer Marc A. Trauffer hat die Schweiz von hinten nach vorne durchtourt. Der Alpenrocker spricht über den Stadt-Land-Graben, das Verhältnis zwischen den Landesteilen und unsere Identität.

Marc A. Trauffer verbindet Tradition und Moderne. (Bild: Adrian Bretscher)

Sie singen in Mundart, spielen Schwyzerörgeli und jodeln. Ihre Liedertexte sind identitätsstiftend und wecken bei den Besuchern heimatliche Gefühle. Was heisst Heimat für Sie?
Marc A. Trauffer: Heimat ist der Ort, an dem ich zuhause bin. Ich bin gerne in der Welt unterwegs, dann ist für mich die Schweiz Heimat. Wenn ich in Bern an einer Messe stehe, ist es Brienz. Es ist immer eine Frage des Ortes, an dem ich mich gerade aufhalte.

Sie durchtouren die Schweiz von hinten nach vorne und füllen mit Ihren Konzerten sowohl das Zürcher Hallenstadion als auch Viehhallen. Welche Eindrücke haben Sie von unserem Land?
Ich habe immer und überall wieder den Eindruck, dass wir unglaublich dankbar sein können.

Wie würden Sie das heutige Verhältnis zwischen den Landesteilen bezeichnen – ist die Schweiz zerrissen, existiert ein Stadt-Land-Graben?
Ich denke nicht. Der Stadt-Land-Graben wird vor allem in den extremen Lagern der Politik geschürt und von den Medien hochgeschrieben. Es ist doch so, dass die jungen Leute vom Land in die Stadt ziehen oder in den Ausgang fahren. Die urbanen Städter hingegen kommen – zum Glück – in ihrer Freizeit gerne aufs Land zum Wandern und Bergsteigen und solange noch Schnee liegt, zum Skifahren.

Wie nehmen Sie die Stimmung im Land wahr, was bewegt die Menschen in der Agglomeration und was diejenigen in der Stadt?
Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass die Unterschiede in einem solch kleinen Land wie der Schweiz sehr gross sind. Die Landbevölkerung geht gerne in die Stadt, die Stadtbevölkerung gerne aufs Land. Ich glaube, was die Menschen gleichermassen bewegt, sind Themen wie: Wie steht es um meine Altersvorsorge? Habe ich durch die fortschreitende Digitalisierung mit 50 noch einen Job? Wie kriegen wir den Klimawandel in den Griff?

Bereitet Ihnen diese Entwicklung Sorgen?
Nein, aber es ist schade, dass die normal denkende Mitte immer mehr wegbricht. Es geht immer mehr ins Extreme. Das ist nicht gut. Die «Konsens-Politik», bei der sich auch mal die eine mit der anderen Seite zusammengeschlossen hat, um ein Resultat zu erzielen, gibt es nur noch selten. Ich würde mir wünschen, dass die Politikerinnen und Politiker wieder mehr auf Konsens aus wären und zum Wohle der Bevölkerung nach echten Lösungen für alle ringen würden – und nicht nur für die eigene Wählerschaft.

Mit der Musik scheint es Ihnen zu gelingen, den Stadt-Land-Graben zu überwinden. Was bräuchte es sonst noch?
Noch mehr Musik! 🙂 Der Stadt-Land-Graben ist doch nicht so deutlich. Allein schon aufgrund der Geografie: Wo fängt denn Land an, und wo hört Stadt auf? Klar gibt es bei Abstimmungen mal Unterschiede. Ich bin mir aber sicher, dass Menschen in Zürich mit Leuten im Berner Oberland viel mehr Gemeinsamkeiten haben als Trennendes.

Kritiker werfen Ihnen vor, Sie würden das Leben auf dem Land romantisieren und beschönigt darstellen. Was entgegnen Sie diesen Kritikern?
Lustigerweise habe ich noch nie Kritik darüber gehört, wie beispielsweise Schweiz Tourismus die Schweiz darstellt. Die schwärmen doch auch von unserem Land. Aber ich darf das nicht? Allgemein finde ich es problematisch, wenn die Darstellung unseres Landes Kritikerkriterien unterliegt. Die Kritik erfolgt ja eigentlich nur von Personen, die sich gar nicht für mich interessieren. Diejenigen, welche eh finden, dass alles, was ich mache, Quatsch sei. Die sollen mal von Zürich in Richtung Schaffhausen fahren, von Bern in Richtung Zimmerwald.

Stört es Sie, dass Sie politisch in die rechte Ecke schubladisiert werden?
Ja. Es stört mich nicht nur, es verletzt mich. Es wäre ein leichtes, mit mir über meine Weltanschauung und meine politische Gesinnung zu sprechen. Nur hat das leider noch kaum jemand getan.

Sie legen eine zweijährige Pause ein – in dieser Zeit wird es weder Konzerte noch CDs geben. Warum machen Sie das?
Von CDs habe ich gar nie geredet. Aber: Ich mache eine Konzertpause. Für mich privat. Und als Geschäftsmann. Musik ist ja nur mein Hobby. Ich war einfach zu oft über Samstage und Sonntage unterwegs. Und: Damit ich endlich wieder einmal an einem Wochenende mit Freunden bräteln kann.

Das letzte Konzert vor Ihrer musikalischen Auszeit war ausverkauft – 14’000 Fans besuchten Ihr Konzert. Was löst das in Ihnen aus?
Dankbarkeit. Das zu erleben ist den meisten Musikern vergönnt. Es ist unglaublich, dass dies mir passiert.

Sie haben eine eigene Holzspielwarenfirma. Waren Sie überrascht, als Bundespräsident Ueli Maurer während seiner Neujahrsansprache eine rot gefleckte Trauffer-Kuh auf seinem Schreibtisch stehen hatte und damit traditionelle Schweizer Werte symbolisieren wollte?
Wir sind ein Traditionsunternehmen, das seit drei Generationen Holzkühe von Hand herstellt. Dass dies mit schweizerischen Werten und Traditionen verbunden wird, ist nur naheliegend. Unsere Tradition war nie politisch, und ich hoffe sehr, dass sie es nie werden wird. Das ist nicht die Meinung unserer Spielwaren. Für Kinder – und auch für ausländische Touristen, die unsere Produkte sehr schätzen – haben sie keine politische Ausrichtung. Dies sollte auch so bleiben.

csm_gespra__ch1_web_0639c2eeb9.jpgMarc A. Trauffer führt die familiäre Holzspielwarenfabrik in Hofstetten bei Brienz. (Bild: Adrian Bretscher)

Was denken Sie – welchen konkreten schweizerischen Wert sollte die Kuh symbolisieren?
Wenn unsere Kuh mit einem konkreten schweizerischen Wert verbunden wird, dann hoffentlich mit der Neutralität.

Sie sind Vater eines 16 Jahre alten Sohnes und einer 14 Jahre alten Tochter. Welche Werte vermitteln Sie Ihren Kindern?
Ehrlichkeit, Anstand, Fleiss, Biss und Offenheit sowie Dankbarkeit – das resultiert schlussendlich irgendwo in Glück. Davon bin ich überzeugt.

Wie erklären Sie es ihnen?
Indem ich versuche, es ihnen vorzuleben. Mal erfolgreich, mal eher weniger. 🙂

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