Die Auseinandersetzungen zwischen den grossen Blöcken, USA und Europa sowie China und Russland, nehmen zu. Sollte es zu einem Krieg kommen, stellt sich die Frage, welche Seite besser aufgestellt ist. (Foto: Shutterstock)

In einer Zeit zunehmender geopolitischer Spannungen und militärischer Aufrüstung warnen Experten vor der Gefahr eines globalen Krieges. So betont Phillip Zelikow in einem kürzlich veröffentlichten Artikel in der «Texas National Security Review» die «ernsthafte Möglichkeit eines weltweiten Krieges» in den nächsten zwei bis drei Jahren. Doch ist Amerika darauf vorbereitet? Leider lautet die Antwort: Nein. Im Kern liege das Problem in der US-amerikanischen Verteidigungsindustrie, die unter übermässiger Konzentration, zu wenig kommerzieller Technologie und einer unzureichenden Munitionsproduktion leide, wie Michael Brown, der ehemalige Direktor der Innovation Unit des US-Verteidigungsdepartements, in einem Blog auf «War on the Rocks» es beschreibt. Diese Defizite lassen die USA schlecht gerüstet für gegenwärtige und zukünftige Gefahren. Und das sind keine guten Nachrichten für den gesamten Westen. Denn noch immer sind die US-Streitkräfte zentraler Teil der Nato und tragen wesentlich zur Abschreckungsfähigkeit des Verteidigungsbündnisses bei.

Der Niedergang einer gefürchteten Verteidigungsindustrie

Blenden wir zurück: Der Erste Golfkrieg demonstrierte die entscheidende Macht der US-Technologie im Krieg: präzisionsgelenkte Munition, Tarnkappenflugzeuge, satellitengestützte Aufklärung und fortschrittliche Kommunikation. Diese Technologien ermöglichten es dem US-Militär, die irakischen Streitkräfte, die weltweit sechstgrössten, innerhalb von sechs Tagen zu besiegen. Moskau und Peking erkannten die enorme technologische Lücke zwischen den US-Streitkräften und ihren eigenen. Während die Sowjetunion kurz darauf zerfiel, begann China mit dem grössten und schnellsten militärischen Aufbau seit dem Zweiten Weltkrieg.

Entgegengesetzt verlief die Entwicklung in den USA: 1993 lud der damalige stellvertretende Verteidigungsminister William Perry Führungskräfte der Verteidigungsindustrie zu einem Abendessen im Pentagon ein, das als «Letztes Abendmahl» bekannt wurde. Perry erklärte die Konsequenzen der sogenannten «Friedensdividende» nach dem Kalten Krieg: drastisch reduzierte Verteidigungsausgaben, die nicht mehr die Anzahl der Unternehmen in der Verteidigungsindustrie unterstützen konnten. Amerikas 50 Hauptverteidigungslieferanten konsolidierten sich auf fünf. Heute erhalten die sechs grössten Lieferanten des US-Verteidigungsministeriums zwei Drittel aller Beschaffungsgelder.

Probleme trotz wachsender Bedrohung durch China und Russland

Diese Konzentration stellt jedoch ein erhebliches Problem dar. 33 Jahre nach dem beeindruckenden militärischen Erfolg der USA im Ersten Golfkrieg verfügt China über eine Streitmacht, die mit der US-Militärmacht im Indopazifik konkurrieren kann und eine glaubwürdige Bedrohung für eine gewaltsame Einnahme Taiwans darstellt. Russland nutzt derzeit seine Vorteile in der Ukraine aus. Diese Konzentration stellt damit eine grosse Gefahr für die USA und ihre Verbündeten dar. Sollten der Kongress und das Verteidigungsministerium nicht schnell handeln, wird die Vormachtstellung der globalen Militärmacht zu Ungunsten Amerikas und seiner Verbündeten verschoben werden. Das sind keine guten Nachrichten für den ganzen Westen.

Die Konsolidierung hat die US-Verteidigungsindustrie weniger wettbewerbsfähig und weniger fähig gemacht, unerwarteten Bedarf zu decken. Lieferanten in bestimmten Kategorien sind in den letzten drei Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen: taktische Raketenzulieferer von 13 auf drei, Flugzeuglieferanten von acht auf drei, Satellitenlieferanten von acht auf vier, Oberflächenschiffslieferanten von acht auf zwei, und 90 Prozent der Raketen kommen von drei Quellen. Während viele Geschichten in den Medien über Monopole und Preistreiberei berichten, ist die wahre Bedrohung für die nationale Sicherheit nicht der höhere Preis, sondern die mangelnde Kapazität, das Militär im Konfliktfall schnell zu versorgen.

Notwendige Massnahmen zur Stärkung der Verteidigungsindustrie

Um die Verteidigungsindustrie wieder aufzubauen und eine glaubwürdige Abschreckung zu schaffen, müssten der Kongress und das Verteidigungsministerium entschlossen handeln, findet Michael Brown, der heute als Partner bei einem Venture Capital Funds arbeitet, der auch Verteidigungstechnologien finanziert. Dazu gehöre eine Verdoppelung der Beschaffungsausgaben und die Forderung nach der Beschaffung von Artikeln, die kommerziell verfügbar sind, in grossem Massstab und konsistent. Diese Empfehlungen haben lange Vorlaufzeiten und sollten in Kombination eingesetzt werden, um das Schrumpfen und Verfallen des US-Arsenals zu stoppen. Der Leiter der Beschaffung im Verteidigungsministerium, Bill LaPlante, sagte kürzlich: «Wir verlassen die Ära nach dem Kalten Krieg und beginnen, unsere industrielle Kapazität wieder dorthin zu bringen, wo sie sein muss. Sie ist nicht dort, wo sie sein muss. Es wird Jahre dauern, dies zu tun.» Jeder anerkenne dies mittlerweile.

Kommerzielle Technologie sollte Teil der Lösung sein, da sie schneller, in grösserem Massstab und von mehr Lieferanten als spezialisierte Militärtechnologie bereitgestellt werden kann. Wenn Partner und Verbündete dieselben kommerziellen Lösungen beschafften, seien diese im Einsatz interoperabel. Kommerzielle Produkte bedeuteten auch den Kauf der neuesten Technologie für Soldaten, da diese Produkte schnell iterieren, um Leistung, Kosten und Funktionalität zu verbessern, insbesondere in der Software, erklärt Brown. Ausserdem führten erhöhte militärische Nachfrageanreize dazu, dass Lieferanten mehr in Produktionskapazitäten investieren und Investoren mehr Kapital für diese Unternehmen bereitstellen.

Die Zukunft der Verteidigungsindustrie

Doch wie soll man sicherstellen, dass es gelingt, sich gegen die totalitären Kräfte, zu denen China und Russland gehörten, durchzusetzen? Laut Brown kann Amerika wieder das «Arsenal der Demokratie» werden und den freien Nationen der Welt ermöglichen, ihren Weg in die Zukunft zu gehen. Dies wird jedoch nicht ohne mutige und dringende Massnahmen des Kongresses und des Verteidigungsministeriums möglich sein. Für Brown sind fünf Massnahmen entscheidend, die wohl auch für die Situation in der Schweiz und Europa gelten:

  1. Anerkennung, dass zu wenige Lieferanten eine nationale Sicherheitsbedrohung darstellen.
  2. Verdoppelung der Verteidigungsbeschaffungsausgaben.
  3. Wiederaufbau und Erweiterung der bestehenden Verteidigungsindustrie durch den Kauf unterschiedlicher Fähigkeiten, insbesondere autonomer Systeme.
  4. Nutzung kommerzieller Quellen zur Erweiterung der Lieferbasis in einem relevanten Zeitraum.
  5. Maximale Nutzung der gesamten westlichen Marktwirtschaft durch starke und konsistente Nachfragesignale mit mehrjährigen Produktionsaufträgen.

Die heutige konsolidierte Verteidigungsindustrie benötigte 30 Jahre, um sich zu entwickeln. Die Umkehrung dieses Prozesses kann schneller erfolgen, wird aber nicht sofort geschehen. Das Handeln muss jetzt beginnen, da es eine lange Vorlaufzeit gibt, um die Struktur und Fähigkeit der Verteidigungslieferanten zu ändern. Präsident Roosevelts Worte aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs bleiben laut Brown heute ebenso relevant: «Lasst nicht die Defätisten uns sagen, dass es zu spät ist. Es wird niemals früher sein. Morgen wird später sein als heute.»

Navigieren in unruhigen Gewässern

Die aktuelle Wachstumsschwäche verstellt den langfristigen Blick auf die steigenden Compliance-Anforderungen

Die Weltwirtschaft braucht Russland nicht mehr

Angesichts alternativer Energiequellen ist Putins Versuch, Europa in Sachen Energie zu erpressen, gescheitert.

Wie sich der Westen auf einen globalen Krieg vorbereiten muss

Die amerikanischen Streitkräfte sind Teil der Nato-Abschreckung und brauchen aber dringend einen Technologie-Boost.

Einzigartige Dynamik des Arc lémanique

Wer denkt, Zürich und Basel seien die alleinigen Wirtschaftsmotoren der Schweiz, der sollte über den Röstigraben blicken.

Nach Corona wird die Welt anders sein – so wird sie aussehen

Welche Veränderungen und Prioritätssetzungen führende Denker nach der Krise erwarten.

Was wäre, wenn die Schweiz 3G verboten hätte?

Avenir-Suisse-Studie zeigt die Signalwirkung des Entscheids zur 5G-Technologie auf.

«Vor 20 Jahren wollte niemand Bio-Schoggi produzieren»

Alessandra Alberti, Chefin des Tessiner Schokoladeherstellers Stella, über den Vorteil der Kleinen, die Bedeutung des Exports und die Freude am Führen.

«Wie kreativ ist ein System, das unter höchstem Druck steht?»

Zukunftsforscherin Karin Frick erwartet einen beschleunigten Strukturwandel, im Guten wie im Schlechten.

Viren, stilles Wasser und der Datenschutz

Forscher verfolgen mysteriöse Covid-Fälle zurück, scheitern aber am Datenschutz.