Ständerat Matthias Michel engagiert sich für die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft. (Foto: zvg)

Herr Michel, Sie beschäftigen sich schon länger mit dem Thema Innovation. Wie steht es um die Innovationsfähigkeit in der Schweiz?
Gemäss dem Global Innovation Index ist die Schweiz seit Jahren Innovationsweltmeister. Auch im World Digital Competitiveness Ranking belegt unser Land jeweils einen Spitzenplatz. Das täuscht aber über Schwachstellen hinweg: So mögen wir im E-Government-Bereich nicht mit den Besten mithalten, was auch an den föderalistischen Einzellösungen in Kantonen und Gemeinden liegt. Ich meine, der Föderalismus beweist sich nicht in möglichst verschiedenen Softwareanwendungen, sondern in materiellen Autonomiebereichen wie der Bildung oder der Finanzpolitik.

Auf was müssen wir in der Schweiz achten, um die Innovation in unserem Land auch für Zukunft zu sichern?
Die Basis ist Bildung. Erstens geht es darum, den Kindern und Jugendlichen entsprechend ihrer Begabungen und Interessen die richtigen Bildungswege zu eröffnen. Zweitens habe ich bereits als Bildungs- und Volkswirtschaftsdirektor des Kantons Zug Förderinitiativen unterstützt, die kreative, unternehmerische und innovative Köpfe zum Beispiel an Berufsschulen fördern und sie zu «Schweizer Jugend forscht» oder gar an internationale Wettbewerbe bringen. Wichtig ist auch der internationale Kontext: Es braucht die Personenfreizügigkeit mit der EU und ausreichende Kontingente für Drittstaatenangehörige, damit die besten Köpfe auch in der Schweiz forschen und arbeiten können. Unabdingbar ist schliesslich der bestmöglichen Zugang zur internationalen Forschung, wozu auch der volle Anschluss an das EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe» gehört.

Sie sind Co-Gründer und Co-Präsident der interdisziplinären Plattform «wissen.schafft.vorsprung». Was bezweckt diese Initiative?
Unsere Leitidee ist es, anhand konkreter Beispiele aufzuzeigen, wie Innovationen durch das Zusammenwirken von Wirtschaft und Wissenschaft entstehen. Dabei erkennen wir, welche Rahmenbedingungen förderlich sind und welche Hindernisse – noch – bestehen. Die Präsentation und Diskussion erfolgen im Kreis von Verantwortlichen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Wir schaffen so eine sehr wertvolle und einzigartige Austauschplattform.

Ihr Ziel ist es, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Dialog mit Politik und Wirtschaft bringen. Reichen die vier Anlässe von «wissen.schafft.vorsprung» pro Jahr aus, um das ambitionierte Ziel zu erreichen?
Gerade Personen aus der Wissenschaft haben meines Erachtens in der Vergangenheit eher ein Schattendasein geführt. Sie traten jeweils auf, wenn sie gerufen wurden, zum Beispiel in parlamentarischen Kommissionen. Aber sie entwickelten wenig Eigeninitiative, um mit der Politik ins Gespräch zu kommen. Neben «wissen.schafft.vorsprung» gibt es noch andere Initiativen, die ich quasi als «politischer Götti» mitbegleite: Die Akademien der Wissenschaften Schweiz suchen einen engeren und kontinuierlicheren Draht zur Politik. Nach einem ersten erfolgreichen Anlass folgt im Juni dieses Jahres der zweite unter dem Titel «Science et Politique à table!».

Gibt es bereits Fortschritte im näheren Dialog zwischen Wissenschaft und Politik?
Beispielhaft ist der Weg, welchen nun die Bundesverwaltung einschlägt, um die Wissenschaft in Krisenzeiten besser einzubinden. Schon mein allererster parlamentarischer Vorstoss hat hier Früchte getragen: Angestossen durch mein Postulat «Wissenschaftliches Potenzial für Krisenzeiten nutzen», ist die Bundesverwaltung nun daran, dieses Netzwerk in Zusammenarbeit mit den Akteuren von Bildung, Forschung und Innovation aufzubauen. Ich habe hier eng mit dem Netzwerk Future zusammengearbeitet, eine Vernetzung der Schweizer Wissenschaftsinstitutionen.

Sie treten im Herbst zur Wiederwahl an: Welche Bilanz ziehen Sie persönlich nach Ihrer ersten Legislatur als Zuger Standesvertreter?
Entsprechend meiner bisherigen Erfahrungen als Regierungsrat habe ich zwei Schwerpunkte entwickelt – einen inhaltlichen und einen institutionellen. Inhaltlich arbeite ich vornehmlich in den Themenbereichen der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur. Hier helfe ich mit, die Rahmenbedingungen für neue Technologien zu verbessern. Mein insitutioneller Schwerpunkt war in den letzten zwei Jahren das Präsidium der ständerätlichen Geschäftsprüfungskommission. In unserer Aufgabe der parlamentarischen Aufsicht über Bundesrat und Verwaltung waren wir mit den «Corona-Leaks» und der CS-Affäre besonders gefordert. Zufrieden bin ich auch mit meiner Vernetzung in Bundesbern über die Parteigrenzen hinweg.

Sollten Sie die Wiederwahl schaffen: Welche Akzente werden Sie bezüglich Innovation in der nächsten Legislatur setzen?
Ich werde die Umsetzung der von mir initiierten Motion für ein Rahmengesetz zur Sekundärnutzung von Datenzusammen mit einem Expertennetzwerk eng begleiten. Damit soll der grosse Schatz von öffentlich und privat gesammelten Daten dank klarer Rahmenbedingungen nutzbringend eingesetzt werden – ein wichtiger Innovationsschritt. Ebenso verfolge ich die parlamentarischen Forderungen nach einer Zulassung neuer gentechnischer Verfahren bei Pflanzenzüchtungen – sie sind für die Ernährungssicherheit der Welt zentral. Schliesslich werde ich weiterhin an den Workshops von «Expedition Zukunft» mitwirken: Das Zusammenspiel von Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Politik ermöglicht innovative und vielversprechende Lösungen in verschiedenen Bereichen. Es ist kein Zufall, dass dieses Team beim europäischen «Innovation in Politics Award» den ersten Preis in der Kategorie «Party Innovation» gewonnen hat.

Sie kommen aus einer Region, die auch als Crypto Valley bekannt ist. Als Regierungsrat haben Sie massgeblich dazu beigetragen, dass sich die Region als weltweit führender Hub für Anwendungen der Blockchain etablieren konnte. Wie schätzen Sie die Bedeutung des Crypto Valley heute ein?
Die Dimension des Crypto Valley ist beeindruckend: Mit über 1100 Unternehmen und mehr als 5000 Mitarbeitenden in der Schweiz ist es der weltweit fortgeschrittenste Blockchain-Hub. Neben den fortschrittlichen rechtlichen Rahmenbedingungen ist dieses Ökosystem aus Start-ups, Investoren, Hochschulen, internationalen Unternehmen und lösungsorientierten Behörden der Grund dafür, dass die meisten der führenden Protokolle wie Ethereum, Cardano oder der Web3 Foundation ihren Sitz hier haben. Diese Organisationen sind in der Branche Schwergewichte und vergleichbar mit bekannten Betriebssystemen wie Windows oder Apple. Sie alle haben enormes Potenzial. In Zukunft dürfte die Blockchain-Technologie auch für den Staat an Bedeutung gewinnen. Ich denke da an die elektronische Identität (E-ID). Das dafür notwendige Basisregister, das zur Identifizierung dient, könnte mittels dieser Blockchain-Technologie einfach und sicher bereitgestellt werden.

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