Wichtigste Empfehlung: Machen Sie keine falschen Versprechungen, sagen Sie nur, was Sie auch in fünf Jahren noch sagen können. (Foto: shutterstock)

Manchmal werden gute Absichten bestraft. Unternehmen, die sich öffentlich zu mehr Nachhaltigkeit bekennen und sich redlich für die Erreichung der Klimaziele einsetzen, können Gegenreaktionen provozieren. So geschehen im Herbst 2022, als der US-Bundesstaat Texas lokalen Unternehmen die Zusammenarbeit mit bestimmten Finanzunternehmen untersagte, nachdem diese angekündigt hatten, von Investitionen in die Erdölindustrie künftig abzusehen.

Ein danach von der Klimaschutz-Beratungsfirma South Pole herausgegebener Bericht deutet darauf hin, dass viele Unternehmen sich schon seit längerem in Schweigen zu ihren Nachhaltigkeitsplänen hüllen, um ähnlichen Vergeltungsmassnahmen zu entgehen. Fast ein Viertel der 1200 befragten Unternehmen plant nicht, die wissenschaftlich fundierten Emissionsziele zu veröffentlichen. Das Erreichen dieser Emissionsziele wird indes als notwendig erachtet, um die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen. Im Nachbarland Deutschland hat sich ein Drittel der deutschen Konzerne mit Netto-Null-Ziel und wissenschaftsbasiertem Reduktionsplan gegen eine öffentliche Kommunikation entschieden.

Greenhushing: das grosse Schweigen 
Dies hat zu Spekulationen geführt, dass eine neue Ära des «Greenhushing» die öffentliche Wahrnehmung der Fortschritte im Bereich Klimaschutz verzerren könnte. «Greenhushing» bezeichnet eine Kommunikationsstrategie, bei der Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsziele und -initiativen absichtlich verschweigen, selbst wenn diese wissenschaftlich fundiert und plausibel sind – aus Angst, als «Greenwashers» abgestempelt zu werden.

«Greenwashing» ist ein seit längerem bekanntes Phänomen und bezeichnet die Strategie einer Firma, sich durch mehr oder weniger gezielte Vermittlung irreführender Informationen einen grünen Anstrich zu geben. Unternehmen, die Greenwashing betreiben, gaukeln ihren Kundinnen und Kunden vor, dass ihre Produkte umweltfreundlich seien oder eine grössere positive Auswirkung auf die Umwelt hätten, als dies tatsächlich der Fall ist. Greenwashing ist ein klassicher Etikettenschwindel, Unternehmen stellen sich besser resp. grüner dar, als sie sind. Letzlich ist Greenwashing eine besondere Form der «Schönfärberei»: Informationen werden bewusst so umgedeutet, dass sie ein Fehlverhalten oder eine unangenehme Situation verschleiern.

Der gefürchtete «Wir-haben-dich-erwischt»-Moment 
Für Jason Jay, Direktor der Sustainability Initiative am MIT Sloan, kommt diese Entwicklung nicht überraschend, wie er gegenüber dem WEF kürzlich festhielt: Unternehmen hätten schon seit langem das Bedürfnis, ihren Nachhaltigkeitsfokus zurückzuschrauben. Wenn man etwas behaupte, steige die Erwartungshaltung der Menschen, die Erwartungen führten zu einer stäkeren Überwachung und Prüfung, und diese Prüfung könne zu einer Art «Wir-haben-dich-erwischt»-Moment führen. Jay sagt weiter: «Wenn ein Nebeneffekt der Zielsetzung darin besteht, dass eine Reihe von Firmen angeschrien werden, weil sie nicht schnell genug vorankommen, … dann schafft das einen Anreiz, etwas leiser zu werden.» Nur etwa 160 grosse Unternehmen, so Jay, seien für 80 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich: «Sie stehen alle unter strenger Beobachtung.»

Skeptische Öffenlichkeit überzeugen 
Dennoch stellt sich für Unternehmen die Frage, wie sie in Zukunft zu ihren Nachhaltigkeitsstrategien kommunizieren sollen. Denn einerseits verstärken Staaten rund um den Globus ihre Anforderungen an die Berichterstattung, anderseits muss eine zunehmend skeptische Öffentlichkeit von der Lauterkeit der Motive der Wirtschaft überzeugt werden.

Transparenz von grossen Unternehmen zur Klimawirkung ihrer Tätigkeit ist ein zentrales Element für das Funktionieren der Märkte sowie für Klimanachhaltigkeit im Finanzsektor, wie der Bundesrat festgestellt hat. Im November 2022 hat er die Vollzugsverordnung zur Klimaberichterstattung für grosse Schweizer Unternehmen verabschiedet, die am 1. Januar 2024 in Kraft treten wird. Bisher fehlten in der Schweiz klare, vergleichbare Offenlegungen im Bereich Klima. Mit der neuen Verordnung müssen Publikumsgesellschaften, Banken und Versicherungen, die mindestens 500 Mitarbeitende beschäftigen und eine Bilanzsumme von mindestens 20 Millionen Franken oder einen Umsatz von mehr als 40 Millionen Franken aufweisen, zwingend über Klimabelange öffentlich Bericht erstatten.

Diese Berichterstattungspflicht umfasst einerseits die finanziellen Risiken, die ein Unternehmen durch klimarelevante Tätigkeiten eingeht. Anderseits muss es offenlegen, welche Auswirkungen die Geschäftstätigkeit auf das Klima hat. Zudem muss es beschreiben, welche Reduktionsziele das Unternehmen bezüglich seiner direkten und indirekten Treibhausgasemissionen setzt und wie es diese umzusetzen plant.

Berichterstattung ist mehr als eine Pflichtübung 
Nebst den behördlichen Pflichten gilt es auch die «Herzen der Menschen» zu gewinnen. Und das dürfte nicht einfach werden. Greenwashing, PR und Image-Politur sind Begriffe, die vielfach im Konnex mit Nachhaltigkeit und Firmen fallen. Viele Menschen trauen den Firmen kaum zu, dass sie sich uneigennützig engagieren. Das scheint sich aus der Studie zu ergeben, die das Forschungsinstitut Sotomo im Auftrag des Migros-Genossenschafts-Bunds erstellt hat. 2797 Personen ab 18 Jahren in der Schweiz gaben dazu Antworten ab. Es zeigte sich, dass das Misstrauen trotz zunehmender Transparenz und Berichterstattung gross ist: 72 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass es sich bei den nachhaltigen Engagements um PR handle, wie die NZZ schreibt. Nur 12 Prozent glaubten den Nachhaltigkeitsversprechen. Anna John, Projektleiterin bei Sotomo, sagt dazu der NZZ: «Es ist denkbar, dass einzelne Fälle von Greenwashing zu einem grösseren Misstrauen gegenüber Nachhaltigkeitsversprechen von Unternehmen geführt haben. Trotzdem wollen 73 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer darüber informiert werden, wenn sich ein Unternehmen sozial oder ökologisch engagiert. Ob Konsumentinnen und Konsumenten aber gewillt sind, die Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen zu lesen, darf man bezweifeln. So meint auch Anna John gegenüber der NZZ: «Weil diese Berichte viele Seite lang sind, gehe ich nicht davon aus, dass diese die breite Öffentlichkeit erreichen.»

Drei Empfehlungen für eine überzeugende Nachhaltigkeitskommunikation 
Dies sind die wichtigsten Punkte, die man beachten sollte, wenn man sich in einem Unternehmen mit der Kommunikation von Nachhaltigkeitszielen und -strategien befasst:

  1. Keine falschen Versprechungen: Sagen Sie nur, was Sie auch in fünf Jahren noch sagen und mit Tatsachenbeweisen unterlegen können.
  2. Taten sind mehr als Worte: Zeigen Sie auf, was Sie bereits erreicht haben und welche Massnahmen Sie im Unternehmen realisiert haben.
  3. Kommunizieren Sie kontinuierlich und in kleinen Portionen: Machen Sie mehr aus Ihrem Nachhaltigkeitsbericht, indem Sie die Fakten über das ganze Jahr in einer Kommunikationskampagne vermitteln und mit Infografiken für Social Media, kurzen Erklärvideos und Video-Statements von Mitarbeitenden illustrieren.

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