Als Millennials bezeichnet man die Generation, welche um die Jahrtausendwende, also zwischen den frühen 80er und den späten 90er Jahren geboren wurden. (Foto: Shutterstock)

Es ist ein wunderschönes Beispiel, an dem Derek Thompson, ein 36-jähriger Redaktor des US-Intelligenz-Magazins «The Atlantic », kürzlich seine These vom Ende der Subventionen für den Lifestyle der städtischen Millennials weltweit festmachte. Thompson war nach ein paar spätabendlichen Drinks auf dem Heimweg in Washington D.C. und gab seine Adresse in die Uber-App ein. Als der Preis auf dem Handyscreen erschien, ging er davon aus, bei der Eingabe einen Fehler gemacht zu haben, allenfalls sogar versehentlich eine Adresse ausserhalb der Stadt eingetippt zu haben. Neuerlich und viel sorgfältiger gab er seine Anschrift ein zweites Mal ein, aber der Preis blieb der gleiche: 50 Dollar.

Thompson beschreibt, was anschliessend in seinem Kopf abging: «Das ist unerhört! 50 Dollar für eine 10-minütige Fahrt?» Aber dann dachte er weiter. Sind die Benzinpreise und die Inflation nicht so hoch wie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr? Ist der Arbeitsmarkt nicht so angespannt, dass Niedriglohnempfänger in historischem Ausmass den Arbeitsplatz wechseln? Steigen die Nominallöhne nicht am schnellsten für diejenige Art von Arbeitnehmenden, die am ehesten für Uber fahren würden? Ja, ja, und ja, sagt er sich.

Das Ende der tiefen Zinsen setzt verlustreiche Tech-Firmen unter Druck

Dennoch greift das alles zu kurz. Denn es sind nicht nur steigende Energie- und Arbeitskosten, die zu diesem erstaunlichen Preisniveau führen. Angesichts fallender Märkte und steigender Zinssätze ändern Start-ups und verlustreiche Technologieunternehmen nun ihre Geschäftspraktiken. In einem Brief an die Belegschaft fasste das Uber-CEO Dara Khosrowshahi kürzlich so zusammen: Das Unternehmen müsse «sicherstellen, dass unsere Einheitswirtschaft funktioniert, bevor wir gross rauskommen». In der Sprache des CEOs heisst das: Wir haben Leuten wie Thompson eine Zeit lang einen netten Rabatt gewährt, aber nun ist die Party vorbei und jetzt kostet es 50 und nicht mehr 10 Dollar, um nach Hause zu kommen.

Thompson sieht durchaus selbstkritisch, was jetzt abgeht: «In den letzten zehn Jahren haben Leute wie ich – jung, städtisch, berufstätig – mit Uber, den Uber-for-X-Klonen und dem ganzen Mosaik städtischer Annehmlichkeiten in den Bereichen Reisen, Lieferdienste, Lebensmittel und Einzelhandel, die vage vorgaben, Tech-Unternehmen zu sein, ein Schnäppchen gemacht. » Fast jedes Mal, wenn man eine Pizza bestellt oder ein Taxi gerufen habe, habe das Unternehmen, das hinter dieser App steht, Geld verloren. In Wirklichkeit, so Thompson, hätten diese mit Risikokapital finanzierten Start-ups die Verbraucher dafür bezahlt, dass sie ihre Produkte kauften.

Es war, als hätte das Silicon Valley einen geheimen Pakt geschlossen, um den Lebensstil der urbanen Millennials zu subventionieren, findet der Atlantic-Redaktor.

Tiefe Preise waren nie aus Gemeinnutz so tief

Wohlgemerkt: Bei diesen Start-ups handelte es sich nicht um gemeinnützige, wohltätige oder staatlich gelenkte, sozialistische Unternehmen. Irgendwann mussten sie kapitalistisch handeln und Gewinne erzielen. Aber jahrelang machte es für sie einen seltsamen Sinn, nicht profitabel zu sein. Da die Zinssätze nahe Null lagen, waren viele Investoren begierig darauf, ihr Geld in riskante Wetten zu investieren. Wenn sie bei der Gründung des nächsten Amazon dabei sein könnten, wäre das die eine Wette unter einer Million, die jeden anderen Verlust ausgleichen würde. Daher ermutigten sie die Gründer von Start-ups, aggressiv zu expandieren, selbst wenn dies bedeutete, dass sie eine Menge Geld für neue Kundinnen und Kunden verlieren mussten, um ihre Gesamtnutzerbasis zu vergrössern.

Thompson hat das an einem vereinfachten Beispiel aufgearbeitet. Man nehme an, dass die Kosten für Zutaten, Arbeit und Transport einer Pizza in New York City durchschnittlich 20 Dollar betragen. Wenn ein Unternehmen für die durchschnittliche Lieferung in New York 25 Dollar verlangt, macht es Gewinn. Wenn ein neu gegründetes Unternehmen jedoch 10 Dollar für dieselbe Lieferung verlangt, verliert es Geld, erhält aber viel mehr Pizzabestellungen. Mehr Pizzabestellungen bedeuten mehr Kundinnen und Kunden insgesamt, was wiederum mehr Gesamteinnahmen bedeutet. Diese Konstellation ist wie geschaffen für ein Niedrigzinsumfeld, in welchem Investoren mehr an langfristigem Wachstum als an kurzfristigen Gewinnen interessiert sind. Solange Geld billig war und das Silicon Valley sich einredete, dass die nächste welterobernde Consumer-Tech-Firma nur eine Finanzierungsrunde entfernt sei, bestand der beste Weg für ein Start-up, um Geld von Risikokapitalgebern zu bekommen, darin, Geld zu verlieren, um eine Milliarde von Kundinnen und Kunden zu gewinnen.

Wenn Millennials wieder bezahlen müssen, was die Dinge tatsächlich kosten

Für Thompson ist das in einem Wort die « Millennial Consumer Subsidy », also die Konsum-Subvention für Millennials. Wobei nun die Subventionierung ausläuft. Steigende Zinssätze haben den Start-ups, die Geld verlieren, den Hahn zugedreht. Was in Verbindung mit der Energieinflation und steigenden Löhnen für Geringverdiener Uber, Lyft und all die anderen gezwungen hat, ihre Dienstleistungen zu verteuern. In der Zwischenzeit konnten die globalen Lieferketten nicht mit der inländischen Verbrauchernachfrage Schritt halten, was bedeutet, dass sich die Lieferfristen für wichtige Artikel wie Möbel und Küchengeräte von drei bis fünf Tagen auf Termine zwischen diesem Herbst und irgendwann verlängert haben. Das bedeutet höhere Preise, höhere Gewinnspannen, weniger Rabatte und längere Wartezeiten für eine Mikrogeneration von Yuppies, die an niedrige Preise und sofortige Lieferungen gewöhnt sind. Das goldene Zeitalter der Bougie-On-Demand-Rabatte für urbane Technologien ist zu Ende.

Für die absehbare Zukunft müssen die Bewohnerinnen und Bewohner der grossen Städte auf die altmodische Weise leben: indem sie das bezahlen, was die Dinge tatsächlich kosten.

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