Wie die Unter-30-Jährigen arbeiten wollen
Die Generation Z will laut dem US-Jobvermittler Handshake vor allem eines: absolute Flexibilität. Eine Herausforderung für die Unternehmen, aber auch eine Chance.
Nach zwei Jahren Pandemie haben die Büros auf der ganzen Welt wieder ihre Türen geöffnet. Die Mitarbeitenden kehren an ihren Schreibtisch zurück. Oder besser sollten, denn nicht alle sind wirklich bereit dazu.
Herkömmlichen Erkenntnissen zufolge sind die jungen Arbeitnehmenden der Generation Z – Anfang bis Mitte 20 – nicht so sehr an regelmässigen Sitzungen oder Gesprächen in der Teeküche am Arbeitsplatz interessiert. Doch Arbeitgeber, die glauben, dass die Generation Z immer nur von auswärts arbeiten möchte, verkennen das Problem – und gewinnen die nächste Generation von Talenten nicht für sich. Davon ist Christine Y. Cruzvergara von Handshake überzeugt. Ihre Plattform ist die führende Vermittlerin von College-Absolventen in den USA. Cruzvergara hat mit ihren Daten einen seltenen Einblick in die Welt der Generation Z und hat kürzlich einen Meinungsbeitrag beim Business-Portal Fastcompany veröffentlicht, das auf Tech-Innovation, Führung und «weltverändernde Ideen» spezialisiert ist.
Die Generation Z wünscht sich das Weggli und den Fünfer: Flexibilität
In der Tat deuten die Daten von Handshake auf differenziertere Präferenzen hin. Die Generation Z möchte die Möglichkeit haben, aus der Ferne zu arbeiten, ohne dabei den Zugang zu einem Büro zu verlieren. Sie möchten sich auch persönlich treffen können, um mit neuen Kolleginnen und Kollegen in Kontakt zu treten. Der jüngste Bericht von Handshake über die Generation Z zeigt, dass sieben Prozent aller Vollzeitstellen, die bei Handshake als «remote» oder als vollumfänglicher Telearbeitsplatz ausgeschrieben wurden, mehr als 17 Prozent aller Bewerbungen über die App generierten. Das wichtigste Suchwort im Jahr 2021? «Remote». «Marketing», der zweitplatzierte Begriff, wurde nur etwa halb so oft gesucht.
Handshake hat auch einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Anteil an Remote-Vollzeitjobs in einer Stadt und ihrer Beliebtheit bei Handshake-Jobsuchenden festgestellt – je mehr Remote-Jobs eine Stadt anbietet, desto mehr Bewerbungen erhält sie. Und es sind nicht nur die Jobs im technischen Bereich, die das Interesse an Remote-Arbeit wecken: Mehr als 20 Prozent der Bewerbungen von Studentinnen und Studenten der Fachrichtungen Kommunikation, Kunst und Design sowie Gesundheitsberufe bezogen sich auf Remote-Vollzeitstellen. Klar, sind das Zahlen aus den USA, doch sie stehen für einen Trend, der sich schon bald in Europa ausbreiten könnte.
Eine Generation, die sich viel stärker an digitale Beziehungen gewöhnt hat
Es überrascht nicht, dass sich die Generation Z mit der Vorstellung anfreunden kann, dass Fernarbeit für sie zur neuen Normalität wird. Schliesslich sind sie mit Smartphones, Hochgeschwindigkeitsinternet und sozialen Medien aufgewachsen. Sie gingen schon vor der Pandemie online zur Schule, und die jüngsten Hochschulabsolventen erlebten aufgrund von COVID-19 einen grossen Teil ihrer Ausbildung im Fernunterricht. Die Generation Z spielt online, verabredet sich und hängt online ab. Sie fühlt sich wohl dabei, online Beziehungen zu knüpfen – nicht nur soziale, sondern auch berufliche. In einer anderen Umfrage von Handshake erklärten zwei Drittel der Generation Z, dass sie glauben, sie könnten ihre beruflichen Netzwerke aufbauen, ohne sich persönlich treffen zu müssen.
Es wäre allerdings falsch zu sagen, dass die Generation Z nur vom Schlafzimmer oder Küchentisch aus arbeiten wolle. Handshake-Benutzende gaben an, dass sie gerne aus der Ferne arbeiteten, weil es bequem sei, Geld spare, ihnen mehr Kontrolle über ihren Terminkalender lasse und ihre Lebensqualität verbessere. Aber sie wollen auch die Möglichkeit haben, persönlich Kontakte zu knüpfen und sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen auszutauschen, vor allem wenn es um den ersten Jobs direkt nach dem Studium geht.
Dieser Wunsch nach Flexibilität könnte auch einen Einfluss darauf haben, wo die Generation Z leben möchte. Die Top-Standortsuche im Handshake-Netzwerk im Jahr 2021 waren weder New York City noch Silicon Valley oder ein anderes Tech-Mekka: Es war Florida. Ausgerechnet in Miami gingen mehr als doppelt so viele Bewerbungen für jede Stelle ein, als die Grösse und die demografischen Gegebenheiten vermuten lassen würden.
Miami mag für Berufseinsteiger der Generation Z wie eine seltsame Wahl erscheinen. Traditionell wird der Arbeitsmarkt dort vom Gesundheitswesen, dem Gastgewerbe und dem Tourismus dominiert. Die grössten privaten Arbeitgeber sind eine Lebensmittelkette, ein Krankenhaussystem, eine Universität und eine Fluggesellschaft – nicht gerade die wachstumsstarken, hochbezahlten Unternehmen, zu denen neue Hochschulabsolventen in der Vergangenheit geströmt waren.
Jobs im Techsektor und billige Lebenshaltungskosten ziehen Gen-Z-ler an
In den letzten Jahren hat Miami jedoch einige namhafte Fintech-, Finanzdienstleistungs- und Krypto-Unternehmen angezogen. Die Gesamtbeschäftigung im Technologiesektor – ein grosser Magnet für die Generation Z – hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Miami ist ausserdem sonnig und warm. Und es lebt sich billiger als in vielen anderen Grossstädten. Etwa 10 Prozent aller Vollzeitarbeitsplätze sind schon Bildschirmjobs, was der Generation Z die Flexibilität gibt, dort zu arbeiten, wo es ihr gefällt. Gleichzeitig lassen diese Jobs aber auch Möglichkeiten offen, mit den Kollegen in Kontakt zu bleiben.
Unternehmen, die ernsthaft an der Einstellung von Talenten der Generation Z interessiert sind, müssen sich über ihre Erwartungen Gedanken machen: Muss dieser Job wirklich im Büro stattfinden? Kann er vollständig aus der Ferne erledigt werden? Oder kann es eine Mischform geben? Flexibilität ist das A und O bei der Generation Z, und intelligente Unternehmen müssen lernen, dieser neuen Generation von Arbeitnehmenden gegenüber flexibel zu sein.
Oder genauso wie es die neuen Regeln des Wohnungsvermittlers Airbnb erlauben, die die Firma kürzlich verkündete:
Gut möglich, dass bei diesen Regeln die nächsten Techunternehmen aus den USA schon bald nachziehen werden.
Livia Walpen (36) ist Expertin für internationale Beziehungen im Bundesamt für Kommunikation (BAKOM). Dort koordiniert sie die Schweizer Positionen in den Bereichen internationale Medienpolitik, globale Digitalgouvernanz und künstliche Intelligenz. Sie vertritt die Schweiz in Gremien wie dem Europarat, der OECD und der UNESCO. Sie war Projektleiterin für die Erarbeitung des neuen Aktionsplans für die Sicherheit von Medienschaffenden und ist Co-Leiterin des Sekretariats des Swiss Internet Governance Forums (Swiss IGF). Zuvor war sie für das Schweizer und das Deutsche Aussendepartement tätig. Livia Walpen kommt aus Basel und hat einen Master in International Affairs und Governance der Universität St. Gallen (HSG).