Demokratie unter Druck
Junge hochgebildete US-Amerikaner sind skeptisch gegenüber der Demokratie in ihrem Land. Dieser Trend sollte auch uns beunruhigen.
Autokraten versuchen die westlichen Demokratien aktiv zu destabilisieren. Wie werden die jungen Leute weltweit darauf reagieren? Aus den USA gibt es erste Antworten. (Foto: Shutterstock)
Die liberale Demokratie als Staats- und Entscheidungsfindungsform steht weltweit unter Druck. Nicht nur behaupten immer mehr Diktatoren und totalitäre Staaten keck, sie seien ja durchaus auch Demokratien. Sie setzen Fake-News ein, um in westlichen Demokratien Zweifel am Funktionieren des Staates zu säen. Und sie gehen ziemlich hart gegen Wissenschaft, Medien und Politik vor, die sich getrauen, Menschenrechtsverletzungen in solchen Regimen zu kritisieren.
Kein Wunder, hat kürzlich die NZZ nüchtern konstatiert, dass die «Demokratie dringend neue Siege braucht». Denn, so das international gelesene Blatt: Die beiden grossen Autokratien China und Russland setzten ihre Macht immer unverfrorener ein. «Ihnen genügt es nicht, im eigenen Land jedes demokratische Pflänzchen auszurotten; sie wollen die Idee der Demokratie auch jenseits ihrer Grenzen untergraben.» Das aktuellste Beispiel sei Russlands Säbelrasseln gegenüber der Ukraine, die nach den Vorstellungen des Kremls keine Souveränität in der Aussenpolitik haben dürfe und schleunigst ihre innere Staatsordnung ändern solle: «Dass sich die Mehrheit der Ukrainerinnen und Ukrainer einen anderen, freiheitlichen Weg wünscht, interessiert Moskau nicht im Geringsten.»
Die Krise um die Ukraine war noch nicht erkennbar, als der amerikanische Präsident Joe Biden die Idee eines «Gipfels für Demokratie» lancierte. Nun erhält das virtuelle Treffen von Staats- und Regierungschefs aus gut hundert Ländern – unter ihnen Bundespräsident Guy Parmelin – plötzlich eine dramatische Note.
Doch wie steht es um die Unterstützung der Demokratie unter den Jungen in den liberalen Demokratien? Ein Blick nach Amerika verheisst nichts Gutes. Denn erstens waren die Vereinigten Staaten gesellschaftlich und politisch immer ein wenig Trendsetter. Und zweitens sind die USA letztlich ein direktes Ziel der Anti-Demokratie-Propaganda aus Peking und Moskau. Jedenfalls weist eine der führenden US-Meinungsforscherinnen, Kristen Soltis Anderson, auf überraschende Resultate aus der neusten Umfrage unter Harvard-Studenten hin, die kürzlich erschienen ist. Diese ist aus zwei Gründen besonders spannend: Erstens, weil die Fragen von einer Gruppe hochmotivierter junger Leute an einer US-Elitehochschule beantwortet wurden. Und zweitens, weil die Studie als Semesterarbeit zwar unter Anleitung eines kundigen Professors erfolgte, aber die Studierenden anders als bei anderen Umfragen auch zu einem grossen Teil für die Auswahl der Fragen verantwortlich waren. Somit können die Fragen und Antworten als Ganzes so gedeutet werden, dass sie genau zeigen, was die Generation Z zurzeit wirklich beschäftigt. Sie können, so Kristen Soltis Anderson, einen Vorgeschmack darauf geben, in welche Richtung sich die Dinge in der US-Politik entwickeln werden.
Die drei wichtigsten Erkenntnisse von Kristen Soltis Anderson:
Für Soltis ist es immerhin ein Lichtblick, dass die Wiedervereinigung des Landes – also die Beseitigung der Gräben zwischen Demokraten und Republikanern – die zweitwichtigste Priorität ist, die junge Wähler für Präsident Biden sehen. Wenn sie vor die Wahl gestellt werden, ob die gewählten Volksvertreter «sich in der Mitte treffen – auf Kosten meiner politischen Prioritäten» oder «meine Prioritäten auf Kosten von Kompromissen» verfolgen sollen, entscheiden sich die jungen Wähler mit relativ grosser Mehrheit für das Treffen in der Mitte.
Und das wäre dann trotz Fake-News und Social-Media-Manipulationsversuchen von Putin und Xi ein richtiger Sieg für die Demokratie.