Wenn wir in der Informationsflut nicht untergehen wollen, müssen wir uns Verhaltensweisen antrainieren, die uns vor dem Ertrinken bewahren. (Foto: Shutterstock)

Wären Texte wie guter Wein, dann wäre Robert Cottrell ein gefeierter Sommelier. Der ehemalige Moskau-Korrespondent der «Financial Times» wählt jeden Tag die aus seiner Sicht besten journalistischen Stücke für seinen Newsletter «The Browser» aus. Der Brite bestimmt dabei die Qualität eines Texts ähnlich wie bei einer Weindegustation. Wie der Sommelier spuckt er das meiste davon wieder aus. Nur von den wirklich edlen Tropfen gönnt sich Cottrell mal ein ganzes Glas. Auf einen Artikel übertragen: Dann liest er tatsächlich den kompletten Text.

Glaubt man dem US-Technologieexperten Clay Johnson, Autor des Buchs «The Information Diet», dann ähnelt unser Informationskonsum dem Umgang mit Lebensmitteln. Allerdings gehen die wenigsten Menschen dabei vor wie der Feinschmecker Cottrell. Stattdessen stopfen sie achtlos und hastig eine Information nach dem anderen in sich hinein – ohne Rücksicht auf Qualität oder das eigene Hungergefühl. Hauptsache, es schmeckt und sättigt. Kurzfristig jedenfalls.

Fragt sich also, was man machen kann, damit man in der Informationsflut nicht untergeht. Wir haben fünf Hinweise zusammengetragen, die uns vor dem Ertrinken bewahren:

  1. Pushnachrichten deaktivieren

Studien belegen, dass sich die meisten von uns, die sich auf Push-Nachrichten verlassen, von der täglichen Informationsflut überrollt fühlen. Darum lautet unser erster Tipp, die Push-Funktion bei Websites und Apps zu deaktivieren. Wer weitere Vorkehrungen treffen möchte, demjenigen oder derjenigen raten wir, gezielt und effektiv an gewünschte Informationen zu kommen. Diese Fähigkeit braucht zu Beginn etwas Zeit, doch hat man sie einmal erlangt, ist man glücklich und zufrieden, der permanenten, unbefriedigenden Informationsflut entkommen zu sein.

  1. Aktuelle Nachrichten bringen kaum Mehrwert

Tagesaktuelle Nachrichten kommen bis auf die morgendliche Lektüre der «New York Times» in der Informationsdiät von Robert Cottrell so gut wie gar nicht vor. Sie versprechen schliesslich schon per Definition keinen nachhaltigen Mehrwert. Vertreterinnen und Vertreter der sogenannten news avoidance werben deshalb schon länger für einen kompletten Verzicht auf Nachrichten. Ihre Argumente: Während einem täglich eine Flut an katastrophalen Ereignissen ins Wohnzimmer gespült werde, wachse mit dem Gefühl der eigenen Machtlosigkeit auch die Unzufriedenheit. Zudem sei ein Grossteil der Meldungen für das eigene Leben vollkommen irrelevant.

  1. Sich klare Ziele setzen

Cottrell sucht jeden Tag nach Texten, die ihm einen tatsächlichen Mehrwert versprechen: «Bei jedem Artikel frage ich mich, ob ich ihn auch in einem Jahr noch interessant finden würde.» Das Ziel des eigenen Informationskonsums kann jede Person individuell definieren. Auch Zerstreuung oder Unterhaltung sind legitime Beweggründe – entscheidend ist bloss, dass man sich darüber klar wird, welches Ziel man wirklich verfolgt. Wer ursprünglich auf der Suche nach Literatur für eine Abschlussarbeit war und sich nach drei Stunden und unzähligen konsumierten Vorschlägen des YouTube-Algorithmus vor dem Bildschirm wiederfindet, wird eher frustriert sein als jemand, der sich bewusst auf der Videoplattform umgeschaut hat. Robert Cottrell scheint diese Herausforderung auf bemerkenswerte Weise gemeistert zu haben. Nach eigenen Angaben durchforstet der Newsletter-Kurator jeden Tag etwa 1000 Artikel auf der Suche nach den besten fünf – und das ganz ohne Stress oder das Gefühl, in dieser gewaltigen Menge an Informationen den Überblick zu verlieren.

  1. Nur lesen, was interessiert

Für sich selbst hat Cottrell allerdings eine weniger radikale Routine etabliert, die ihm dennoch eine höchstmögliche Relevanz garantiert. Er hat sich aus Hunderten von RSS-Feeds und Newslettern eine lange, aber dennoch begrenzte Liste für sein tägliches Menü zusammengestellt. So steigt einerseits die Wahrscheinlichkeit, auf hochwertige Inhalte zu stossen, andererseits minimiert sich im RSS-Reader die Gefahr, abgelenkt zu werden. Cottrell erklärt seine Strategie: «Zuerst fange ich also damit an, alles zu lesen.» Aber sobald er auch nur ansatzweise das Interesse verliere, höre er wieder auf.

  1. Konzentriertes Lesen gelingt mit dem Smartphone kaum

Die Neurowissenschaftlerin und Autorin Maren Urner, die zu unserem Informationskonsum forscht, sagt: «Unsere Steinzeitgehirne haben sich an unsere digitale Umwelt einfach noch nicht angepasst.» Urzeitliche Reflexe führten beispielsweise dazu, dass wir negative Dinge emotionaler und intensiver verarbeiten als positive – aber gerade im täglichen Nachrichtenstrom sei das fatal. «Solche Impulse können wir unserem Gehirn nicht abgewöhnen. Das heisst aber nicht, dass wir nicht lernen könnten, besser mit der täglichen Informationsflut umzugehen.» Nur: Wie soll das gehen? «In sozialen Kontexten und bei der Lektüre anspruchsvoller Texte lasse ich das Smartphone komplett in der Tasche», sagt Urner. «Multitasking ist eine Illusion, und jede Ablenkung führt nachweislich dazu, dass wir mit unserer Aufmerksamkeit erst mit langer Verzögerung oder gar nicht mehr zur ursprünglichen Tätigkeit zurückkehren.» Auch sie hat darum alle Push-Nachrichten deaktiviert – selbst diejenigen in ihrem E-Mail-Programm.

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