«Jedes Departement hat seine Kultur»
Was verbindet das Verteidigungsdepartement VBS mit dem Verkehrs- und Energiedepartement UVEK, wo liegen die Unterschiede? Toni Eder kennt beide als Generalsekretär.
Was verbindet das Verteidigungsdepartement VBS mit dem Verkehrs- und Energiedepartement UVEK, wo liegen die Unterschiede? Toni Eder kennt beide als Generalsekretär.
Toni Eder, was heisst für Sie Macht*?
Toni Eder: Macht bedeutet die Möglichkeit, einen Prozess oder eine Tätigkeit auszulösen. Für mich bedeutet es, etwas gestalten zu können, das einen Nutzen für die Mitmenschen bringt. Wird Macht missbraucht, so verursacht sie einen Schaden. Umso wichtiger ist es, sorgsam mit ihr umzugehen.
Wo haben oder hatten Sie mehr Gestaltungsmöglichkeiten: als «Chef der Generäle» im Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) oder als Herr über die Infrastrukturen im UVEK, dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation?
Eder: Das ist vergleichbar. Die Armee ist zwar ein Machtinstrument des Staates, mit meiner Tätigkeit als Generalsekretär im VBS hat das aber nichts zu tun. Was die beiden Departemente zum Teil unterscheidet, sind die Prozesse oder Tätigkeiten, die ausgelöst werden. Bei den Aufgaben eines Generalsekretariats aber stehen nicht nur die einzelnen Fachthemen im Vordergrund.
Sondern?
Eder: Ein Generalsekretär hat die Tätigkeiten im Departement zu planen, zu organisieren und zu koordinieren. Er muss die Departementschefin beim Umsetzen unterstützen, sie auf Fragen im Bundesrat vorbereiten, die Aufsicht über die Ämter wahrnehmen und die Koordination mit anderen Departementen sicherstellen. Das ist in allen Departementen gleich.
Das klingt nach einem breiten Aufgabenfeld. Hatten Sie sich das schon als Student der Ingenieurwissenschaften so vorgestellt?
Eder: Nach meinem Studium arbeitete ich als Assistent an der ETH, danach in der Privatwirtschaft und dann beim Bundesamt für Verkehr, wo ich am Ende für die Infrastrukturentwicklung verantwortlich war: für das gesamte Eisenbahnnetz einschliesslich Neat. Wenn ich heute durch die Schweiz fahre, kommt es mir auch so vor, als sei das viel. Später als Generalsekretär im UVEK kamen die anderen Infrastrukturen hinzu, von den Staumauern über die Kraftwerke bis hin zu den Masten. Der Nachteil ist: Je breiter ein Gebiet, desto weniger kann man sich ins Detail vertiefen. Das hat ja durchaus auch seinen Reiz, denn Details sind spannend. Der Vorteil hingegen besteht darin, dass man auf einer breiteren Front mehr bewegen kann.
Wie kommen Sie auf Masten?
Eder: Sie zeigen die Berührungspunkte der beiden Departemente. Es begann mit den Seilbahn- und Eisenbahnmasten im Bundesamt für Verkehr. Im UVEK kamen die 5G-Antennen hinzu, und jetzt geht es beim Sicherheitsfunknetz Polycom für den Bevölkerungsschutz auch wieder um Masten. Die Infrastruktur ist im Staat ganz generell wichtig, das gilt natürlich auch für das VBS. Es gibt weitere Berührungspunkte. Im UVEK kümmert sich das Generalsekretariat um das Plangenehmigungsverfahren für Nationalstrassen, im VBS ist es für die Plangenehmigung der Bauten aller militärischer Anlagen zuständig.
Sie haben sich im UVEK Wissen angeeignet, das Sie jetzt im VBS anwenden können?
Eder: Ja, zum Beispiel bei der Digitalisierung – einem Thema, an dem mir viel liegt und an dem wir arbeiten, oder bezüglich Nachhaltigkeit. Vom UVEK als Umweltdepartement erwartet man, dass es sich darum kümmert, vom «Militärdepartement», um es beim früheren Namen zu nennen, weniger. Dabei verfügt das VBS als grösster Immobilienbesitzer des Bundes über enorme Möglichkeiten punkto Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit. Da können wir richtig initiativ sein.
Wie stark unterscheiden sich die Kulturen im zivilen UVEK von denjenigen im militärischen VBS?
Eder: Es gibt schon Unterschiede. Die Kultur ist aber nicht anders, weil es das Verteidigungsdepartement ist, sondern weil es ein anderes Departement ist. Jedes Departement hat seine Kultur. Und die muss es immer wieder überarbeiten, anpassen und sich dessen bewusst sein, dass die Kultur einem ständigen Wandel unterliegt. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Das Wichtigste für mich ist die Zusammenarbeit mit Menschen, die gemeinsam ein Produkt erarbeiten und Ziele erreichen wollen. Darin investiere ich viel, wie ich es bereits im UVEK getan habe.
In Ihrer Zeit im UVEK stand Doris Leuthard an der Spitze, im VBS ist es Viola Amherd. Beide haben zwar das CVP-Parteibuch, sind aber unterschiedliche Persönlichkeiten. Wie stark bestimmt das die Kultur im Departement?
Eder: Am wichtigsten ist der Umgang miteinander. Daran hat die Chefin einen wesentlichen Anteil, der Generalsekretär aber trägt ebenfalls viel dazu bei.
Wie sieht Ihr typischer Tagesablauf aus?
Eder: Ich fange meist vor 7 Uhr an. Am Morgen gibt es einen kurzen Austausch mit der Bundesrätin, anschliessend mit dem Stabschef. Dann folgen viele Sitzungen und Besprechungen, jeweils querbeet, was das Ganze spannend macht. Sei es zum Nachrichtendienst, der beispielsweise Ressourcen braucht, oder zur Beschaffung von militärischem Material mit der Ruag. Dazwischen ruft vielleicht noch der Direktor des Bundesamts für Sport an und will wissen, wie er mit politischen Vorstössen umgehen soll. Oder es gilt, eine Frage zu internen Abläufen zu beantworten: Wem ist ein Auftrag zu erteilen, und wie ist dieser zu formulieren? So geht es den ganzen Tag.
Wann haben Sie Feierabend?
Eder: An manchen Abenden gelingt es mir, vor 19 Uhr aus dem Büro zu kommen. Die sind aber selten. Generalsekretäre sind eher stark belastet.
Es gibt Amtskollegen von Ihnen, die ein Burnout erlitten. Wie wappnen Sie sich dagegen?
Eder: Eine interne Stütze ist das Arbeiten im Team. Das Team muss funktionieren. Deshalb versuchen wir auch, die Kultur weiterzuentwickeln. Es ist nun mal so, dass uns die Medien kaum je loben – natürlich nagt das immer auch ein bisschen. Dazu kommen Bürgerbriefe, die manchmal Zweifel aufwerfen, und Politiker, die ihre Rolle wahrnehmen und beispielsweise Kritik üben oder Vorstösse einreichen. Da ist es wichtig, dass wir in uns eine gewisse Ruhe bewahren, um das abfedern zu können. Das ist die eine Seite. Die andere ist der Ausgleich in der Familie, den ich so oft wie möglich suche, etwa bei Skitouren. An einem Tag pro Wochenende versuche ich jeweils, nichts für die Arbeit zu machen und keine Akten zu studieren.
Das VBS steht stark im Kreuzfeuer der Kritik, etwa wenn wieder mal eine Rüstungsbeschaffung aus dem Ruder läuft oder Armeeangehörige sich rassistisch verhalten. Teilen Sie diesen Eindruck?
Eder: Es ist ja nicht so, dass das UVEK nur gelobt würde, wenn ich etwa an die Postautos, den Fluglärm oder die 5G-Antennen denke. Kritik gehört in der Schweiz dazu. Was am VBS speziell ist, ist seine Grösse: Mit insgesamt 12’500 Mitarbeitenden ist es ein riesiges Departement. Allein im Generalsekretariat sind wir 350 Leute. Dazu kommen 100’000 Milizsoldaten. Die Grösse macht es wahrscheinlicher, dass etwas geschieht, das korrigiert werden muss. Ich sehe es als eine meiner Aufgaben, solche Vorfälle ins richtige Licht zu stellen.
Wie genau?
Eder: Wenn zum Beispiel in irgendeiner Kompanie etwas geschieht, darf man das nicht verharmlosen, man muss dem nachgehen. Man muss aber auch aufpassen, dass man deswegen all das Gute, das geleistet wird, nicht einfach negiert. Vor lauter Fehlerkorrekturen die Stärken nicht aus den Augen zu verlieren: Das ist die Herausforderung.
Was werden Sie am meisten vermissen, wenn Sie den Job eines Tages nicht mehr ausüben werden?
Eder: Als Generalsekretär kann man die Entwicklung der Schweiz mitgestalten, über das VBS hinaus. Wir sind im Zentrum der Schweizer Regierung und wissen viel: Was kommt als Nächstes im Bundesrat? Wo ringt der Bundesrat um einen Entscheid? Wie können wir ihn dabei unterstützen, möglichst kluge Entscheide im Sinne des Landes und seiner Bevölkerung zu fällen? Dabei nicht mehr mitzumachen, wird mir fehlen. Sobald man nicht mehr dem inneren Kreis angehört, darf man das nicht mehr. Wer nicht dabei ist, darf die Informationen nie erhalten.
Sie tragen sie nicht nach Hause zu Ihrer Frau?
Eder: Es gibt schon politische Fragen allgemeiner Natur, die wir gemeinsam besprechen. Aber im Bundesrat wie auch bei uns im VBS gibt es einige Dinge, die mein Büro nicht verlassen dürfen und dies auch nicht tun.
Wer darf Ihnen privat widersprechen?
Eder: Alle. Das ist aber nicht aufs Private beschränkt, sondern gilt auch im Büro.
Sie schätzen Widerspruch?
Eder: Nicht unbedingt, aber er bringt mich weiter. Was ich am wenigsten mag, sind Menschen, die nicken, deren Körpersprache aber das Gegenteil besagt. Da ist mir lieber, wenn jemand widerspricht – dann können wir darüber diskutieren.
Privat suchen Sie den Ausgleich auf Skitouren?
Eder: Ja, oder im Sommer in den Bergen. Ausserdem betätige ich mich als Parlamentarier der Gemeinde Köniz.
Liegt das von der Belastung her drin?
Eder: Gerade so knapp. An einem Abend pro Monat ist Sitzung, dazu kommen die Fraktionssitzungen. Das ist zwar anstrengend, bietet anderseits aber auch einen Ausgleich. Es sind andere Probleme, andere Themen, und vor allem: eine andere Rolle. Wer selber Parlamentarier ist, versteht das Verhältnis zwischen Parlament und Verwaltung besser. Als Parlamentarier fachlich gegen die professionelle Verwaltung einer grossen Gemeinde bestehen zu können, ist manchmal schwierig. Man spürt ein spezielles Spannungsverhältnis, wenn man auf der anderen Seite ist.
Toni Eder (60) trat 1991 ins Bundesamt für Verkehr ein. 2016 ernannte CVP-Bundesrätin Doris Leuthard den diplomierten Bauingenieur ETH mit einem Nachdiplomstudium als Wirtschaftsingenieur zum Generalsekretär des UVEK. Ihre Nachfolgerin Viola Amherd holte Eder drei Jahre später ins VBS. Der Vater zweier erwachsener Söhne wohnt mit seiner Frau in Niederscherli bei Bern und politisiert seit 2014 für die CVP beziehungsweise neu für Die Mitte in der Legislative von Köniz.
*In der Schaltzentrale der Macht
Sie sitzen auf entscheidenden Positionen, aber selten im Rampenlicht: Generalsekretäre von Parteien oder eidgenössischen Departementen, Geschäftsführerinnen von Verbänden oder Direktoren von Nichtregierungsorganisationen. Braucht die Schweiz politische Lösungen, helfen sie diese zu entwickeln. In regelmässigen Abständen wollen wir im Gespräch die Schaltzentralen der Macht ausleuchten.