Der einzige Schweizer Konflikt, der im 20. Jahrhundert zu Terroranschlägen geführt hatte

Das neue Buch «Der Jurakonflikt» von Christian Moser enthält auch Tröstliches für unsere Zeit

Delémont 9. September 2012: Zum 65. Fest des jurassischen Volkes und 33 Jahre nach der Gründung des neuen Kantons zeigen die Béliers ihren goldenen Rammbock, gleichzeitig auch das Wappentier der militanten Jugendorganisation der Separatisten.

Ich mag mich noch an den Moment erinnern, als ich das erste Mal mit dem Jura konfrontiert wurde: Mein Vater rief bei mir als 1.Klässler ziemliche Verwunderung hervor, als er mir sagte, die Schweiz erhalte einen neuen Kanton. Der Vorgang, der sich damals im Jahr 1978 vollzog, war auch für mehrere Generationen eine Novität: Erstmals seit dem Wiener Kongress von 1815, als die letzten Gebiete der Schweiz zugeschlagen wurden, schuf man mittels einer Abstimmung von Volk und Ständen einen neuen Kantons Jura. Der Rest der Schweiz bewilligte, dass sich die Jurassier aus dem Kanton Bern herauslösen durften. Für die Jurassier ein Freudentag.

Wie es zuvor zu Brandstiftungen, Sprengstoffanschlägen, Schlägereien und Schussabgaben gekommen war, arbeitet das neue Buch «Der Jurakonflikt» von Christian Moser auf. Er ordnet die Geschichte, die zur Entstehung des Kantons Jura geführt hatte, mit allen nötigen Details gekonnt ein. Und er nähert sich auch den Persönlichkeiten und Motiven dreier Jura-Terroristen Marcel Boillat, Jean-Marie Joset und Pierre Dériaz an, die die gewalttätige Organisation Front de Libération Jurassien FLJ gebildet hatten.

Schliesslich beschreibt Moser aber auch nüchtern, was die Berner Regierung gewollt oder ungewollt dazu beigetragen hatte, diesen innerkantonalen Konflikt derart aus dem Ruder laufen zu lassen. Gewalttaten extremistischer Separatisten katapultierten die Schweiz in dieselbe Liga mit Staaten wie Spanien, Grossbritannien oder Algerien – beziehungsweise mit Terrororganisationen wie OAS, ETA oder IRA. Der Konflikt zwischen der protestantischen, deutschsprechenden Berner Mehrheit und der katholischen, französischsprechenden jurassischen Minderheit erfüllte dazu die Kriterien des niederländischen Politologen Arend Lijphart, die einen solchen Konflikt eskalieren lassen: Eine Minderheit fühlt sich gegenüber der Mehrheit besonders unterdrückt, wenn sie mindestens in zweifacher Hinsicht klar in der Minderheit ist. Für Lijphart gehören Sprache, Konfession und Ethnie zu den wichtigsten Parametern. Und tatsächlich waren die Jurassier gleich in doppelter Hinsicht die Minderheit – sprachlich und auch konfessionell.  Oder wie es im Buch der Sozialwissenschaftler Gilbert Ganguillet zusammenfasst: Der Jurakonfllikt weise alle typtischen Merkmale eines Zentrum-Peripherie-Konflikts auf – geografische Randlage, regionale Krise, politische Fremdbestimmung und kulturelle Diskriminierung.

Spannend an dieser Geschichtslektion: Nicht nur unsere Zeit ist von unversöhnlichen Gräben in Politik und Gesellschaft geprägt. Man darf es kaum denken, aber bisweilen ist es schon fast tröstlich zu sehen, wie schon vor 60 Jahren die gleichen unsäglichen Strategien gegen politische Gegner angewandt wurden. Falsche Anschuldigungen, Lügen und systematische Diffamierung – alles schon mal dagewesen. Und dies ohne Social Media oder Internet.

Christian Moser: «Der Jurakonflikt». NZZ-Libro Verlag, 2020

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