Es droht ein Graben zwischen Häuptlingen und Indianern: Wenn wir wieder vermehrt im Homeoffice arbeiten, steigen die Anforderungen an die Chefs ihre Teams zusammenzuhalten. Eine amerikanische Firma liefert dabei Erkenntnisse, was wichtig ist. Bei den Ultranauts haben die Teams seit der Gründung immer dezentral gearbeitet. (Foto: Shutterstock)

Die Schweiz rast praktisch ungebremst einem zweiten Lockdown entgegen. Der Bundesrat hat die Homeoffice-Empfehlung erneuert, welche er nach Ende des Lockdowns Ende Mai zurückgenommen hatte. Es war damals ein Signal, dass das wirtschaftliche Leben wieder zurückkehren könne.

Die Schweiz sollte sich nun wieder auf das Homeoffice einstellen. Diesmal kehren wir alle mit viel mehr Erfahrung dahin zurück. Die meisten haben inzwischen in das nötige Equipment investiert. Man hat einen Bildschirm, eine Tastatur und Maus zuhause stehen. Die Internetleitung ist schnell genug und auch die Probleme, was man anziehen und wo man sich in einem Video-Chat filmen lassen sollte, sind gelöst.

Doch es gibt weitere Fragen: Wie kann ein Vorgesetzter dafür sorgen, dass sich alle von zuhause aus wohl und ins Team integriert fühlen. Sie sitzen nicht mehr am gleichen Tisch, müssen konzentriert in eine Kamera sprechen und die Sitzung diszipliniert am Bildschirm verfolgen. Den einen wird das zugutekommen, weil sie sich beim Sprechen vielleicht befreiter fühlen. Bei anderen ist möglicherweise das Gegenteil der Fall. Welche Vorkehrungen sollte man treffen, um in einem dezentralisierten Team möglichst alle mitzunehmen?

Herausforderung: Inklusiver Arbeitsraum für dezentrale Teams

Um Antworten zu finden, lohnt sich ein Blick auf die Techfirma Ultranauts. Der Firmenslogan deutet das Spezielle schon an: «Qualitativ hochwertige Ingenieurdienstleistungen, die von kognitiv unterschiedlichen Teams erbracht werden». Seit ihrer Gründung setzt die Firma nämlich auf dezentrale Teams und unternimmt grosse Anstrengungen, um einen möglichst inklusiven Arbeitsraum zu schaffen. Mit dieser Strategie wollen die Ultranauts extrem gute Leistungen für ihre Kunden erreichen oder eben das Ultra-Machbare liefern. Aus diesem Grund arbeitet die Firma seit Jahren daran, die Herausforderungen dezentraler Arbeitsorganisation zu stemmen, mit denen sich so viele Unternehmen während der Pandemie und wahrscheinlich auch darüber hinaus konfrontiert sehen und sahen. Es geht darum, wie man effektiv aus der Ferne arbeiten kann, wie man Fortschritte bei der Erreichung von Zielen der Vielfalt und Integration erreicht und eine starke Organisationskultur aufbaut.

Wie das ausschaut, rapportierte kürzlich die «New York Times». Ein Journalist besuchte nämlich eine Ultranauts-Teamleiterin in Beaverton (Oregon). Von ihrem Haus aus leitet Jamie Davila (36) ein Team von acht Ingenieuren in sieben Ländern. Wie Millionen anderer Menschen weltweit in Zeiten von Covid-19, verlässt sie sich dabei auf beliebte Kommunikationswerkzeuge wie Zoom und Slack. Doch damit hat es sich dann mit den Parallelen.

Besonders wichtig: Untertitel im Videochat, Traktandenlisten und Protokolle

Davila und die Ultranauts verfolgen gleichzeitig eine besondere Politik und Praxis zur Förderung von Vielfalt und Integration unter den Mitarbeitenden. So werden etwa alle Videocalls automatisch mit Untertiteln versehen. Die Firma beschäftigt Mitarbeitende, die es vorziehen, Informationen in Textform aufzunehmen. Die Tagesordnung der Sitzungen wird im Voraus verteilt, so dass Personen, denen es unangenehm ist, sich zu Wort zu melden, vorher einen schriftlichen Beitrag eingeben können. Die Mitarbeitenden werden täglich um Feedback gebeten, etwa ob sie glauben, dass ihre Stärken geschätzt werden, und ob sie sich bei der Arbeit einsam fühlen. Davila fasst das Ziel so zusammen: «Die ganze Idee ist es, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem jeder gehört werden kann.»

Dazu werden alle Besprechungen aufgezeichnet, transkribiert und archiviert, nicht nur, um Mitarbeitenden entgegenzukommen, die lieber lesen als zuhören, sondern auch, um eine offenere Organisation zu fördern. Das gilt auch für die wöchentlichen Sitzungen des sechsköpfigen Führungsteams bei Ultranauts. Die Aufzeichnungen dieser Sitzungen, einschliesslich der getroffenen Entscheidungen und der Gründe dafür, werden auf dem unternehmensweiten Slack-Kanal veröffentlicht.

Das Unternehmen, das 2013 von zwei ehemaligen Mitbewohnern des Massachusetts Institute of Technology gegründet wurde, verfügt seit dem ersten Tag über eine dezentrale Belegschaft. Die Firma wollte von Anfang an auch brachliegendes Talent autistischer Menschen nutzen, die oft anders denken und Informationen anders verarbeiten. Fünfundsiebzig Prozent der Mitarbeitenden von Ultranauts gehören dem Autismus-Spektrum an.

Wer jetzt denkt, dass die Ultranauts damit Standard-Firmen keine Tipps geben können, der irrt. Genau das meint jedenfalls Susanne Bruyere, akademische Direktorin des Yang-Tan Institute on Employment and Disability an der Cornell University: «Die zielgerichtete Konstruktion eines Arbeitsplatzes, der die Menschen wirklich unterstützt, ist aussergewöhnlich.» Und: «Seine Techniken und Werkzeuge könnten durchaus breiter angewandt werden.»

Diskrepanz zwischen Wahrnehmung von Mitarbeitenden und Chefs

Das ist bitter nötig, wie eine Studie des IBM Institute for Business Value ergab: So glauben fast drei Viertel der befragten Manager, dass sie ihren Mitarbeitenden dabei helfen, Fähigkeiten zu erlernen, um auf eine neue Art und Weise zu arbeiten. Aber weniger als 40 Prozent der Mitarbeitenden glauben, dass sie die erforderliche Schulung erhalten. Sie vermissen auch die Interaktion, die der persönliche Kontakt im Büro mit sich bringt. Die Kluft ist noch grösser, wenn es um die Förderung der körperlichen und emotionalen Gesundheit geht. Acht von zehn Managern sagen, dass sie genau das tun. Aber nur 46 Prozent der Arbeitnehmenden glauben, dass ihre Organisation genug macht, um ihnen in ihrem Wohlbefinden zu unterstützen.

Um entsprechende Daten sammeln zu können, befragten die Forscher über 3000 Führungskräfte in 20 Ländern, darunter 400 CEOs in den Vereinigten Staaten. Darüber hinaus verschickten sie Online-Fragebögen an 50’000 Personen in acht Ländern. Die daraus gewonnenen Informationen zeichnen ein anderes Bild, als die vor der Pandemie durchgeführten Umfragen, die zeigten, dass viele Menschen die Arbeit von zu Hause aus einer Pendelfahrt zur Arbeit vorzogen. Im Jahr 2019 ergab eine weltweite Umfrage, dass 99 Prozent zumindest zeitweise von zu Hause aus arbeiten wollten.

Dem IBM-Bericht zufolge fühlen sich die meisten Arbeitnehmenden heute abgekoppelt und überlastet. «Unsere Untersuchung zeigt eine klaffende Lücke zwischen dem, was Führungskräfte glauben, ihren Mitarbeitern anzubieten, und dem, was diese Mitarbeiter empfinden», heisst es darin.

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