Banken am Zürcher Paradeplatz: Grössere Schweizer Banken haben sich im Corona-Jahr 2020 bisher gut geschlagen.© Olga P Galkina / Shutterstock.com

Credit Suisse, UBS, Bank Julius Bär und Vontobel melden für das erste Halbjahr 2020 verblüffend gute Zahlen, was angesichts der grassierenden Corona-Pandemie nicht selbstverständlich ist. Noch weniger, wenn man sich vergegenwärtigt, wie einige europäische Finanzhäuser die ersten sechs Monate des laufenden Jahres hinter sich gebracht haben. Allen voran das sonst als Vorzeigeinstitut geltende Banco Santander. Der spanische Finanzkonzern erlitt – erstmals in seiner Geschichte – einen happigen Verlust von 11,1 Milliarden Euro. Die britische Grossbank Lloyds sah sich genötigt, im zweiten Quartal 2020 ihre Rückstellungen für Kreditausfälle stark zu erhöhen. Die grösste europäische Bank HSBC bekam die Corona-Krise voll zu spüren. Selbst die sonst stabile französische BNP Paribas musste im zweiten Quartal einen unerwartet hohen Gewinnrückgang verzeichnen – der britische Barclays-Konzern gar einen Gewinneinbruch.

Angesichts dieser Zahlen stellt sich die Frage: Was haben die Schweizer Institute besser oder zumindest anders gemacht? Hier folgt ein Deutungsversuch:

1. Vorsichtigere Kreditvergabe

Einiges deutet darauf hin, dass die Schweizer Banken ihre Kreditvergabe relativ gewissenhaft vorgenommen haben; ausserdem profitierten sie davon, dass viele Schweizer Unternehmen generell krisenresistenter sind als andere europäische. Allein schon der Umstand, dass die Schweizer Wirtschaft nach der Aufhebung der Euro-Untergrenze im Januar 2015 die damit verbundenen Herausforderungen so gut gemeistert hat, zeigt, wozu Schweizer Unternehmen fähig sind.

2. Wealth-Management-Fokus hilft

Bankgeheimnis hin oder her. Die klare Ausrichtung der meisten im Ausland tätigen Schweizer Banken auf die risikoarme Vermögensverwaltung war in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres Gold wert. Denn zum einen war das Wealth Management wie ein Fels in der Brandung, zum andern waren die Schweizer Institute nicht übermässig in anderen, riskanteren Geschäftsbereichen engagiert.

3. Pragmatismus mit Homeoffice

So schnell wie kaum in einem anderen Land wechselten die Schweizer Banken ins Homeoffice. Gemeint war damit nicht bloss, die Mitarbeitenden nach Hause zu schicken. Sondern die Banken sorgten dafür, dass zu Hause auch die Infrastruktur so rasch als möglich verfügbar war – um den Normalbetrieb aufrecht zu erhalten. Mit anderen Worten: Die Reibungsverluste hielten sich in einem vertretbaren Rahmen. In anderen Ländern verlief diese Übung harziger.

4. Digitalangebot im richtigen Moment

Von der Digitalisierung ist im Banking schon lange die Rede. Doch im Verlauf der Corona-Krise konnten die Schweizer Finanzhäuser endlich zeigen, dass sie tatsächlich über die entsprechenden Tools verfügen, um das Banking der Zukunft in vielen Geschäftsfeldern anzubieten. Und die Nachfrage der Kunden gab ihnen recht. Die weltweit viel zitierte grosse Beschleunigung der ganzen Digitalisierung spielte sich in der Schweiz enorm erfolgreich ab.

5. Komplexe Dienstleistungen für Superreiche

Ob das integrierte Geschäftsmodell mancher Banken wirklich das Gelbe vom Ei ist, darüber lässt sich streiten. In der Corona-Krise hat sich jedoch gezeigt, dass sehr vermögende Privatkunden angesichts der Unsicherheit und der grossen Verwerfungen an den Märkten ganz spezifische, sprich hoch komplexe Bedürfnisse in ihren finanziellen Belangen hatten. Damit waren die beiden Schweizer Grossbanken im Vorteil, verfügen sie doch schon seit Jahren über diese Schnittstelle zwischen Wealth Management und Investmentbanking (IB), wonach für sehr reiche Privatkunden gewisse Dienstleistungen aus dem IB individuell strukturiert werden können. Weltweit gibt es nur eine Handvoll, vorwiegend amerikanische Geldhäuser, die ebenfalls in der Lage sind, solche Services zu bieten.

6. Vorreiter der Filialschliessungen

Selbst wenn es immer noch zu viele Bankfilialen hierzulande gibt, verfügt die Schweiz im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern über ein schon recht effizientes Angebot an physischen «Verkaufspunkten». Insofern haben die Schweizer Banken in den vergangenen Jahren bereits unbewusst Prävention betrieben und konnten mit dem Beginn des Lockdowns umso schneller weitere Geschäftsstellen schliessen – die sie möglicherweise gar nie mehr wiedereröffnen werden.

7. Schweiz als Dividendeninsel

Die jüngst von der Europäischen Zentralbank (EZB) verlängerten Restriktionen in Sachen Dividendenauszahlungen der europäischen Banken erfreut die Investoren nicht. Anders die Schweizer Banken, die aufgrund der guten Semesterergebnisse ihre Eigentümer mit einer Ausschüttung beglücken werden. Das bringt ihnen weiteren Goodwill ein.

8. Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit

Auch in der schwierigen Zeit des Lockdowns ist es den Schweizer Banken im In- und Ausland gelungen, als Hort der Sicherheit dazustehen; sei es mit den pragmatisch gewährten KMU-Krediten, aber auch für ausländische Kunden, die angesichts der drohenden Rezession in ihren Ländern möglicherweise «Reichensteuern» oder andere fiskalische Belastungen zu befürchten haben. Besonders sichere Schweizer Geldhäuser profitierten so im ersten Semester 2020 von einem signifikanten Neugeldzufluss.

Und die Kehrseite?

Das gute erste Halbjahr 2020 bietet allerdings keine Gewähr, dass es im gleichen Stil weitergehen wird. Denn die anhaltende Ausdehnung der Corona-Pandemie ist mit noch mehr Unwägbarkeiten verbunden. Diverse Ereignisse und Befürchtungen stimmen nicht sonderlich optimistisch. Dazu auch noch vier Punkte:

1. Grosse Risiken in den wichtigsten Wachstumsmärkten

Für die grossen Schweizer Banken sind die USA und Asien die wichtigsten Wachstumsmärkte, gerade was die Vermögensverwaltung anbelangt. Aufgrund der mittlerweile höchst problematischen Situation in den USA (Corona, Wahlen) sowie in Asien (Corona, China, Rezession) stellt sich zunehmend die Frage, ob sich die bisherige Geschäftstätigkeit problemlos fortführen lassen wird. Genügt der mehrheitlich virtuelle Kontakt mit den Kunden auf die Dauer?

2. Geopolitische Gefahren

Die grossen geopolitischen Gefahren dürften sich aufgrund der schwachen Wirtschaftsentwicklung in der Welt weiter verschärfen. Und die Rede ist dabei nicht nur vom getrübten Verhältnis zwischen den USA und China. In anderen Teilen der Welt, namentlich in Asien, drohen zusätzliche Konflikte, die der globalen Wirtschaft und damit auch den Banken erheblich zusetzen würden.

3. Schwächelnder Dollar

Erstmals seit Ausbruch der Corona-Krise fällt der «Greenback» markant, was eine klare Reaktion auf die extrem expansive Geldpolitik der amerikanischen Notenbank ist. Im Gegenzug legen Gold und andere Industriemetalle massiv zu. So droht eine Kettenreaktion: Steigende Rohstoffpreise führen zu grösseren Inflationserwartungen und reduzieren damit den Handlungsspielraum der Zentralbanken. So geraten die Finanzmärkte ins Wanken, was aus Bankensicht alles andere als gut ist.

4. Drohender Börsencrash

Zur Konsequenz von Punkt 3 gesellt sich ein weiteres Risiko: Die Konjunktur schwächt sich nach einem Aufflammen (wegen des Nachholbedarfs) wieder ab (zweite oder dritte Corona-Welle). Parallel dazu sind die Bewertungen an den Finanzmärkten bereits auf einem sehr hohen Niveau – mehr noch: Sie haben sich von der fundamentalen Realität längst abgekoppelt und sind damit umso mehr von der Politik der Notenbanken abhängig. Dies führt zu einem Cocktail, der für die Banken besonders giftig ist.

Der Artikel erschien erstmals auf www.finews.ch

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