Smartphone-Sucht: Drei Tipps von Mönchen aus dem 5. Jahrhundert
Ablenkung war schon in den mittelalterlichen Klöstern ein Problem. Deshalb entwickelte man nützliche Strategien dagegen.
Die Mönche im Mittelalter hatten grosse Mühe, sich zu konzentrieren. Und Konzentration war eigentlich ihre lebenslange Aufgabe. Natürlich nutzten sie andere Technologien als wir heute. Aber ihre Angst vor Ablenkung war die gleiche. So weiss man heute, dass sie sich darüber beschwerten, dass sie zu stark mit Informationen bombardiert würden. Sie klagten auch, wie schwierig es sei, nicht über Essen oder Sex nachzudenken, wenn sie doch eigentlich an Gott denken sollten.
Der Geist ist von «zufälligen Einfällen» getrieben
Manchmal beschuldigten die Mönche Dämonen, die ihre Gedanken umherwandern lassen würden. Doch der Verstand war das eigentliche Grundproblem: Er ist von Natur aus sprunghaft. John Cassian, dessen Denken das Mittelalter beeinflusste, kannte dieses Problem nur zu gut. Er beschwerte sich darüber, dass der Geist «von zufälligen Einfällen getrieben zu sein scheint». Er «wandert umher, als wäre er betrunken». Der Verstand denke an etwas anderes, während er, Cassian, bete und singe. Man könne sich nicht einmal auf seine eigene Unterhaltung konzentrieren – ganz zu schweigen von den schwierigen Ideen, die eine ernsthafte Konzentration erforderten.
Unser Verstand ist das Problem, nicht das Smartphone
Das war im 5. Jahrhundert. Hätte John Cassian ein Smartphone gekannt, hätte er unsere kognitive Krise im Nu vorausgesehen, wie die Mittelalter-Expertin Jamie Kreimer von der University of Georgia in einem schönen Artikel schreibt. Cassian schrieb zu einer Zeit, als die christlichen Klostergemeinschaften in Europa und im Mittelmeerraum zu boomen begannen.
Die Aufgabe der Mönche bestand vor allem darin, sich auf die göttliche Kommunikation zu konzentrieren: zu lesen, zu beten, zu singen und daran zu arbeiten, Gott zu verstehen. Für diese Mönche sollte der meditierende Geist nicht zur Ruhe kommen. Er sollte angeregt werden. Ihre Lieblingsworte zur Beschreibung der Konzentration stammten vom Lateinischen «tenere», an etwas festhalten. Das Ideal war ein mens intentus, ein Geist, der immer aktiv nach seinem Ziel strebt. Um dieses zu erreichen, sollten die Schwächen des Körpers und des Geistes ernst genommen und in harter Arbeit getilgt werden.
1. Tipp: Verzicht auf Dinge, die man liebt
Einige dieser Strategien waren hart. Zum Beispiel der Verzicht. Mönche und Nonnen sollten Dinge aufgeben, die die meisten Menschen lieben – Familie, Besitz, Geschäft, alltägliche Dramen – nicht nur, um sicherzustellen, dass sie sich in ihrem beruflichen Gebetsleben nicht mit diesen Dingen beschäftigen. Dies gilt auch für die heutige Zeit. Wenn der Geist umherwandert, wie von Cassian beobachtet, schweift er gewöhnlich ab. Wenn wie unsere Verpflichtungen auf ernsthafte Dinge reduzieren, werden wir weniger Gedanken haben, die um unsere Aufmerksamkeit konkurrieren, und können uns besser konzentrieren.
2. Tipp: Vorstellungskraft stärken
Eine fortschrittlichere Methode zur Konzentration war der Aufbau ausgeklügelter mentaler Strukturen im Laufe des Lesens und Denkens. Nonnen, Mönche und Prediger wurden immer dazu ermutigt, sich das Material, das sie verarbeiteten, vorzustellen. Es ging nicht darum, diese Bilder auf Pergament zu malen. Es ging darum, für den Geist etwas zu zeichnen und gleichzeitig die Ideen in eine logische Struktur zu bringen. Dieser Prozess hält den Geist mit etwas beschäftigt, das greifbar und fesselnd wirkt. Konzentration und kritisches Denken fühlen sich in diesem Modus weniger wie eine Plackerei als vielmehr wie ein Spiel an.
3. Tipp: Das Gehirn in Schach halten
Als Cassian eine seiner einfachsten Empfehlungen zur Vermeidung von Ablenkung aussprach – einen Psalm immer und immer wieder zu wiederholen, um das Gehirn in Schach zu halten – wusste er, was er als Nächstes hören würde. «Wie können wir auf diesen Vers fixiert bleiben?», fragten die Mönche. Ablenkung ist ein altes Problem, ebenso wie die Fantasie, dass man ihr ein für alle Mal ausweichen könne. Vor 1600 Jahren gab es genauso viele aufregende Dinge, über die man nachdenken konnte wie heute.