So wurde es früher gemacht: Community-Bildung auf der Strasse. (Bild: Shutterstock)

Gerade der Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump, wie auch der Abstimmungskampf um den Brexit in Grossbritannien haben aufgezeigt, welche technischen Möglichkeiten die Social-Media-Plattformen bieten, wenn es darum geht, gezielt in der Bevölkerung politische Werbung zu schalten.

Die Rolle der sozialen Medien
Dennoch gehen wir nach wie vor davon aus, dass Wahlen und Abstimmungen «noch» nicht allein im Internet gewonnen werden können. Die sozialen Medien können aber sehr gezielt helfen, wenn es darum geht, Menschen zu informieren, zu mobilisieren und Wählerinnen und Wähler als Multiplikatoren einzusetzen. Im Idealfall kann man die Leute so stark für ein Thema begeistern, dass sie sogar freiwillig als Botschafter zu wirken beginnen. Langsam lässt sich dann eine Community aufbauen, die einen Grossteil der eigentlichen Kampagnenarbeit eigenständig und häufig auch sehr leidenschaftlich übernimmt.

Klimastreik als digitaler Vorreiter
Bestes Beispiel dafür ist die aktuelle Klimadebatte, bei der sich die Jugendlichen über verschiedene digitale Kanäle organisieren und für ihr Anliegen zu werben beginnen. Die Jungen schaffen es, so ihre Klimastreiks dezentral zu organisieren. Überraschend: Auch wenn einzelne Parteien und Interessengruppen diese Aktion zu vereinnahmen versuchen, schaffen es die Jungen, ihre Community dagegen immun zu erhalten. Das bedeutet, dass man eine funktionierende Community von aussen auch nicht einfach kapern oder demobilisieren kann.

Wahlen und Abstimmungen sind nur die Spitze des Eisberges
In nur wenigen Jahren hat sich in der Schweiz eine rein digitale Plattform etabliert, deren tatsächliche politische Tragweite sich erst jetzt zu zeigen beginnt: WeCollect sammelt online Unterschriften für Referenden und Initiativen. Beim Referendum gegen die Sozialdetektive ist auf diesem Weg erstmals in der Geschichte der direkten Demokratie hierzulande ein solches zustande gekommen. Was vorerst harmlos klingt, birgt jedoch Revolutionäres: Das besagte Referendum war nämlich nicht nur das erste, das ohne einen grösseren Verband oder eine Partei im Rücken lanciert werden konnte, sondern die Unterschriften kamen dann auch in Rekordzeit zusammen. Dank der Plattform kamen Einzelpersonen zusammen, die in ihrem Umfeld freiwillig und ohne Bezahlung die Unterschriften sammelten.

Der Kostenfaktor fällt weg
Die Möglichkeit, ein Referendum oder eine Initiative erfolgreich zu ergreifen, war lange Zeit aus Kostengründen grösseren Verbänden und zum Teil auch mitgliederstarken Parteien vorbehalten. Fällt nun diese Exklusivität weg, wird das auch zu einem weiteren Bedeutungsverlust der Parteien führen. Selbst die Bedeutung von Verbänden im politischen Prozess dürfte neu verhandelt werden. Und bei dieser Entwicklung können Folgen auch für die Wahlen nicht ausgeschlossen werden.

Die Crowd als Erfolgsfaktor
Diese Plattform, auf der Initiativ- und Referendumsprojekte angekündigt und der Community zum Mitmachen empfohlen werden, lanciert Unterschriftensammlungen nur dann, wenn auch genügend Unterstützung aus der Crowd zugesichert wird. Was man feststellen kann: Es ist offensichtlich einfacher, in einer individualisierten  Gesellschaft das Interesse für gewisse Themen zu entfachen als die Leute für Mitgliedschaft und Mitarbeit in einer Partei zu bewegen. Denn die Menschen müssten sich für eine Partei begeistern, die nie nur ihre persönliche Haltung vertreten wird. Denn eine Partei wird funktionsgemäss nur den kleinsten Nenner ihrer Mitglieder vertreten können. Wie sich dieses neue politische Angebot längerfristig auch auf die Mobilisierung bei Wahlen oder auf die Sachpolitik in grösseren Gemeinden, Städten und Kantonen auswirken wird, ist heute nicht abzuschätzen.

So funktioniert WeCollect
Kommen wir zum eigentlichen Schatz von WeCollect: Die Gründer verfügen nämlich über eine immer grösser werdende Adressdatenbank. Diese ermöglicht den Zugang zu einer hochmotivierten Community, die mehrfach bewiesen hat, dass sie nicht nur Unterschriften verspricht, sondern diese dann auch liefert. Diese Tatsache stattet WeCollect mit politischem Drohpotenzial aus. Bereits bei der Diskussion einer Vorlage im Parlament kann die Plattform mit dem Referendum drohen. In der Frühlingssession 2019 war bei der Debatte, um die Erhöhung der Krankenkassen-Franchisen zu beobachten, dass eine solche Drohung durchaus Wirkung erzielen kann. Denn die Aussicht auf ein Referendum über höhere Krankenkassenkosten für die Haushalte mitten im Wahlkampf liess die SVP, die höhere Franchisen wollte, einknicken.

Generation Y und Millennial entscheiden über Zukunft
Im Gegensatz zur politischen Konkurrenz verfügen Plattformen wie WeCollect schon über eine Community. Diese wird dann auch für einen Abstimmungskampf aktiviert. Für jede Kampagne kommen aber neue Communitys hinzu und werden durch die Aktivitäten weiter ausgebaut und gestärkt. Im Gegensatz zu ihren jeweiligen Gegnern haben die Referendumsführer von WeCollect somit schon einen Vorsprung, welcher sich früher oder später auch auf die Resultate von Abstimmungen auswirken wird. Im Falle des Sozialdetektive-Referendums zeigte es sich, dass die Community noch nicht in der Lage ist, eine Abstimmung zu entscheiden. Mit dem demografischen Wandel und immer mehr stimmberechtigten Angehörigen der Generation Y und den Millennials wird sich dies aber mittelfristig wohl auch ändern.

Aktive politische Kommunikation beginnt vor der Unterschriftensammlung
Das bedeutet für die zukünftigen Gegner, dass sie auch aktiv werden müssen. Sobald man nämlich davon ausgehen kann, dass ein bestimmtes Referendum ergriffen werden könnte, sollte man eine Strategie zur Hand haben und diese dann auch schnellstmöglich umsetzen. Die aktive politische Kommunikation muss nämlich nicht erst bei der Lancierung einer Unterschriftensammlung einsetzen, sondern schon dann, wenn ein Vorstoss eingereicht wird, oder wenn das Thema mit einem Vorstoss im Parlament lanciert wird. Nur so kann man sicherstellen, dass man auf eine allfällige Reaktion vorbereitet ist.

Inzwischen arbeiten mehrere politische Player an eigenen WeCollect-Kopien. Darum müssen politische Interessenvertreter in der Schweiz das Szenario eines Referendums oder einer Initiative des politischen Gegners zwingend vorbereiten. Denn eines ist klar: Kommen noch mehr solche Plattformen  ins  politische Spiel, so ist programmiert, dass in den nächsten Jahren mehr Referenden und Initiativen ergriffen werden.

Wissen, was läuft: Monitoring als Dauerauftrag
Wie aber finden wir heraus, ob ein Thema an Dynamik gewinnt? Wer mit einem Referendum liebäugelt und welcher Vorstoss, welches Gesetz, welche Gesetzeslücke oder was sonst für ein Thema gerade auf Social-Media Konjunktur hat? Solche Fragen kann nur ein systematisches und geschickt aufgesetztes Monitoring beantworten.

So schnell die sozialen Medien an Bedeutung gewonnen haben, so schnell hat auch die Technik Fortschritte erzielt, mit der man Themenkonjunktur im Internet verfolgen und analysieren kann. Mit einem datengestützten Monitoring behält man die wichtigsten Websites im Blick, kann die Diskussionen auf Twitter und teilweise auch Instagram (#Hashtags und Texte), Linkedin und Facebook verfolgen. Dies geschieht meist mit einem Katalog von definierten Stichworten. So lässt sich etwa analysieren, wer beim Thema Klima, Klimaerwärmung und Klimapolitik eine Themenführer-Rolle einnimmt, aber auch wieviel diskutiert wird, und in welchem Kontext sich diese Diskussionen bewegen.

Taucht eine Partei in einem bestimmten Zusammenhang und Themenkomplex auf, muss man davon ausgehen, dass dieses Thema für diese Partei relevant wird. Oder aber man sucht spezifisch nach Parteien und schaut, wer über welche Themen wie und wo spricht. Gerade im Vorfeld einer Wahl lässt sich so bis zu einem gewissen Grad auch antizipieren, welche Themen im Wahlkampf wichtig werden. Ein Monitoring hilft mit, mitten im Wahlkampf auch kurzfristige Änderungen in der Themenkonjunktur noch früh genug zu erkennen.

Es gilt hier aber auch die Grenzen zu erwähnen, die ein solches Monitoring auch technikbedingt haben kann. Denn der Trend, wichtige Informationen nicht mehr auf sozialen Plattformen, sondern in den verschiedenen Messengers mit einer ganz bestimmten Community zu teilen, ist unverkennbar. Als Beispiel kann man hier erneut die jugendlichen Klimaaktivisten anführen: Sie nutzen selbst Gaming-Plattformen wie Discord oder – weil WhatsApp an einigen Schulen verboten wurde – selbst den Messenger in Google Docs. Diese Kanäle stellen schwarze Flecken dar, wenn es um das Monitoring geht. Solche Kanäle einer gegnerischen Gruppe kann man weder überwachen noch einfach selbst aktiv bespielen.

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