«Geld macht glücklich»

Der Topökonom und Glücksforscher Bruno S. Frey kommt zum Schluss: Die Lebenszufriedenheit nimmt mit steigendem Einkommen klar zu. Aber nicht nur.

Laut Bruno S. Frey liegen Sozialromantiker in ihrer Annahme falsch, dass Geld keine Rolle spielt. (Bild: ZVG)

Was sagt ein Lohn über die persönliche Zufriedenheit, über das Glück aus?
Bruno S. Frey: Ein Lohn ist immer auch Ausdruck des persönlichen Erfolgs und des Stellenwerts in der Gesellschaft. Die Menschen vergleichen sich mit anderen, wollen wissen, wie sie sich gegenüber anderen situieren. Deshalb ist der Lohn sehr wichtig und trägt zur Zufriedenheit und zum Glück bei.

Macht Geld glücklich?
Ja. Wer über kein oder ein sehr geringes Einkommen verfügt oder arm ist, ist unglücklich. Personen in einer solchen Lebenssituation denken den ganzen Tag lang ans Geld: Wie kann ich mich oder meine Familie durchbringen? Wie komme ich zu meiner nächsten Mahlzeit? Wie und wo finde ich Arbeit? Finde ich eine Wohnung? Bei höheren Einkommen drehen sich die Gedanken nicht permanent ums Geld. Dadurch hat man mehr Freiheit und kann selbstständiger entscheiden.

Viele Menschen haben das Gefühle, Menschen im Süden oder in Entwicklungsländern seien glücklich. Für sie spiele Geld keine Rolle. 

Sozialromantiker, die behaupten, das Einkommen spiele keine Rolle, liegen kreuzfalsch. Für das Glück ist das Einkommen sehr wichtig. Das belegen empirische Studien. Leute in Entwicklungsländern oder Naturvölker sind wesentlich unglücklicher als wir. Sie leiden unter Stress, allerdings einem anderen als wir. Sie müssen dauernd arbeiten oder jagen, um zu überleben. Wenn sich eine Person aus einem Entwicklungsland beispielsweise ein Bein bricht, ist das eine Katastrophe. Sie kann nicht mehr arbeiten, erzielt kein Einkommen und weiss dadurch nicht, wie sie sich und ihre Angehörigen über die Runden bringen soll. Wenn wir uns ein Bein brechen, gehen wir ins Spital, werden hervorragend versorgt und machen uns keine einzige Sekunde Gedanken darüber, wie wir überleben werden. Die Glücksforschung kommt zum Schluss: Geld macht glücklich. Mit steigendem Einkommen nimmt die Lebenszufriedenheit klar zu. Wer mit Geldsorgen zu kämpfen hat, ist weniger zufrieden als gutverdienende Menschen.

Gibt es eine Lohngrenze, ab welcher das Geld keine Rolle mehr spielt?
Nein. Die Menschen sind genau so unterschiedlich wie ihre Bedürfnisse, weshalb eine Grenze keinen Sinn ergibt. Was hingegen empirisch nachgewiesen ist: Höhere oder zusätzliche Einkommen wie Boni und Gratifikationen verschaffen immer weniger zusätzliches Glück. Es gibt keine lineare Korrelation zwischen Glück und Einkommen – vielmehr nimmt sie ab.

In der Schweiz verdienen 50 Prozent mehr als 6502 Franken pro Monat, 50 Prozent weniger. Was sagt dies über das Glücksbefinden in der Schweiz aus?
Die Schweizerinnen und Schweizer können zufrieden sein, in der Schweiz zu leben: Die Einkommen sind recht hoch. Ersichtlich wird dies an den jährlichen Rankings wie dem World Happiness Report 2018, in dem die Schweiz nach Finnland, Norwegen, Dänemark und Island auf Platz fünf landet, wobei die Unterschiede minim sind. Die Einwohnerinnen und Einwohner in der Schweiz sind glücklich. Das hohe Einkommen spielt dabei eine wesentliche Rolle, aber nicht die alleinige.

Was spielt neben dem Einkommen für das Glück sonst noch eine Rolle?
Ganz wichtig sind die persönlichen und sozialen Beziehungen zu Freunden, Verwandten und Kollegen. Was nützt es, wenn man Millionen pro Jahr verdient, aber von der Gesellschaft verachtet wird? Wichtig ist die gesellschaftliche Anerkennung. Die Forschung zeigt, je mehr Geld zur Verfügung steht, desto wichtiger werden die gesellschaftliche Akzeptanz und das persönliche Umfeld.

Tragen Boni und Gratifikationen dazu bei, dass man tatsächlich glücklicher wird?
Wir Menschen vergleichen uns immer. In diesem Sinne sind Boni und Gratifikationen wichtige Gradmesser, damit wir uns besser einordnen können. Wenn zwei Menschen die gleiche Arbeit verrichten, der eine mehr verdient und dazu noch einen Bonus erhält, ist der andere unzufrieden. Empirische Studien zeigen, dass es den Managern, die in der Regel schon sehr gut verdienen, bei den Boni nicht ums Geld geht, sondern um die Gleichstellung gegenüber anderen Managern. Jemand, der 10 Millionen Franken und einen Bonus von 500’000 Franken verdient, ist deswegen nicht glücklicher. Doch er vergleicht sich mit seinen Kollegen in New York und Singapur, wo derartige Löhne und Boni ausbezahlt werden – und er findet über den Bonus die berufliche Anerkennung.

Hört man Ihnen zu, dann hat das Offenlegen der Löhne bei börsenkotierten Unternehmen das Gegenteil von dem bewirkt, was ursprünglich bezweckt wurde.
Ich habe mich als Ökonom und Wissenschaftler nie mit den Löhnen meiner Kollegen befasst, das hat mich auch nie interessiert. Man kennt in etwa das Lohngefüge der Universitäten und das reicht. In der Wirtschaft ist das anders: Da findet ein Wettbewerb statt. Man vergleicht sich und kann mit dem Einkommen und den Boni seinen gesellschaftlichen und beruflichen Stellenwert quantifizieren.

Inwiefern sind monetäre Faktoren für das Glück entscheidend?
Vor allem für materiell schlechter gestellte Personen bedeutet eine Lohnerhöhung buchstäblich einen Glückssprung. Bei Gutverdienenden finden solche Glückssprünge nicht im selben Masse statt.

Welche nicht-monetären Faktoren sind neben dem Geld wichtig?
Neben den persönlichen Beziehungen ist es die Gesundheit, und zwar die physische wie die psychische. Wenn jemand dauernd Schmerzen hat oder depressiv ist, wirkt sich das negativ auf das Wohlbefinden und das Glück aus. Einen messbaren Effekt haben auch die politischen Bedingungen. Je stabiler ein Land, desto glücklicher dessen Bewohnerinnen und Bewohner.

Ist dies der Grund dafür, weshalb die skandinavischen Länder neben der Schweiz zu den glücklichsten gehören? 
All diese Länder sind Demokratien und politisch stabil. Die Menschen dürfen mitbestimmen. Die Korruption ist tief, die Eigentumsrechte sind garantiert, die Bürokratie ist relativ bürgerfreundlich. Was auffällt: Die Schweizerinnen und Schweizer sind seit Jahren immer und eindeutig glücklicher als die Deutschen, die Franzosen, die Italiener oder die Amerikaner.

Weshalb? 
Nehmen wir Italien. Wir kennen das Land aus der Touristenperspektive und haben das Gefühl, die Italiener seien lebenslustig und fröhlich. Doch das Leben im Land ist nicht ganz einfach. Die durchschnittlichen Einkommen sind wesentlich tiefer als bei uns, die Arbeitslosigkeit, namentlich bei den Jungen, ist hoch. Es ist nicht einfach, eine Wohnung zu finden, die Korruption ist allgegenwärtig, die Bürokratie überbordend, die Regierungen sind instabil. All diese Faktoren tragen nicht zur Zufriedenheit und zum Glück der Menschen bei.

Was macht die Schweiz anders?
Wir haben untersucht, wie sich die politischen Systeme auf die Zufriedenheit der Bewohner auswirken und zwei wesentliche Faktoren gefunden: erstens die aktive politische Teilnahme und zweitens den Föderalismus. Die Bewohnerinnen und Bewohner schätzen es, wenn sie bei politischen Fragen mitdiskutieren und mitentscheiden können, und wenn Probleme dezentral, sprich möglichst direkt, lokal und föderal gelöst werden. Bürgerinnen und Bürger mit mehr politischen Rechten sind glücklicher. Deshalb gilt unser politisches System als vorbildlich.

Wie kann man zu einem glücklichen Menschen werden?
Wichtig ist eine gute, solide Ausbildung, die Voraussetzung für ein gutes Einkommen ist. Zudem muss man sich aktiv um soziale Beziehungen bemühen und Menschen treffen. Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit einem hohen TV- oder Serienkonsum tendenziell unglücklicher sind. Ein weiterer Faktor ist das Pendeln. Leute, die vom Wohnort bis zur Arbeit über eine Stunde benötigen, sind eher unzufrieden.

Wie soll sich eine Vorgesetzte oder ein Vorgesetzter verhalten, damit die Mitarbeitenden glücklich arbeiten?
Wichtig ist die Selbstbestimmung. Man muss den Mitarbeitenden Vertrauen schenken, ihnen mehr Freiraum lassen. Sie sollen eine Aufgabe so lösen, wie sie es für richtig halten. Das fördert das Glück und die Zufriedenheit.

Was macht Sie als Ökonom und Glücksforscher glücklich?
Ich durfte ein Leben lang das machen, was mir am meisten Freude bereitet: Schreiben und Forschen. Zudem habe ich eine glückliche Familie und bin materiell gut aufgestellt, so dass ich weder an das Geld denken noch sparen muss. Ich bin wirklich ein glücklicher Mensch.

Wie die U-30-Jährigen arbeiten wollen

Die Generation Z will laut dem US-Jobvermittler Handshake vor allem eines: absolute Flexibilität. Eine Herausforderung für die Unternehmen, aber auch eine Chance.

«De-Sede-Ledermöbel kommen fast in jedem James-Bond-Film vor»

Die Unternehmerin Monika Walser über Kunden aus Hollywood, Auftritte in den 007-Streifen und die Lancierung einer eigenen Handtaschenkollektion.

«Der Anstieg trifft nicht alle gleich»

Der Präsident der Sozialhilfekonferenz SKOS, Christoph Eymann, erklärt, was die Pandemie für die Sozialhilfe bedeutet – und warum er der liberalen Fraktion nachtrauert.

«Es dominiert ungezähmtes Kantonslobbying»

Föderalismusforscherin Rahel Freiburghaus erklärt, was die Schweiz von Deutschland lernen könnte – und warum die Zentralisierung immer mehr zunimmt.

«Wir müssen die Kinder in den Schnee bringen – nicht in die Karibik»

Gian Franco Kasper, Präsident des Weltskiverbands FIS, über die Heim-WM in St. Moritz, das Nein der Bündner zu Olympia und den Boom des Skisports in China.

Die häufigste Ursache von Cyber-Pannen?

Menschliches Versagen

«Niederlagen sind auch wertvoll»

Weltraumforscherin Salome Gruchola erklärt, wie sie ein Instrument baut, um Leben im All nachzuweisen.

Krieg um die Information

Wie die Ukraine dank wachsender globaler Sympathie und gekonntem Einsatz von Informationen den medialen Krieg am Gewinnen ist.

«Ein Schlagabtausch ist eine gute Sache»

Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, stellt sich nach dem jüngsten Abstimmungssieg auf einen heissen Lohnverhandlungsherbst ein.