Einleitung

Nach mehreren Jahren geradezu euphorischer Berichterstattung ist es um Bitcoin ruhiger geworden. Anfang Jahr hiess es gar, das Konzept der digitalen Geldeinheit sei «gescheitert». Ist dem so? Und was ist eigentlich Bitcoin ganz genau? Haben virtuelle Währungen wirklich die Kraft, das weltweite Finanzsystem zu revolutionieren? influence beantwortet fünf Fragen.

«Die Tatsache, dass im Bitcoin-Universum ein Algorithmus die Funktion der Regierung ersetzt… ist ziemlich cool!»
Al Gore, US-Politiker

«Bitcoin ist ein Experiment. Behandle es, wie du ein Internet Start-up behandeln würdest: Vielleicht wird es die Welt verändern. Doch mache dir klar, dass das Investieren von Zeit und Geld in neue Ideen immer sehr riskant ist.»
Gavin Andresen, leitender Entwickler Bitcoin

«Stay away from [bitcoin]. It’s a mirage, basically.» 
Warren Buffett

«I think [bitcoin] is a technical tour de force.»
Bill Gates

«Bitcoin is Evil.»
Paul Krugman

1. Was ist Bitcoin?

Das Ziel von Bitcoin ist die Schaffung eines globalen, dezentralen Währungssystems, welches nicht mehr auf Banken und Zentralbanken angewiesen ist. Die Bitcoins wurden 2008 von Satoshi Nakamoto lanciert, wobei bis heute unklar ist, ob dieser Name für eine Person, ein Pseudonym oder eine Gruppe von Personen steht. Seit Anfang Mai verdichten sich allerdings die Hinweise, dass es sich um den 45-jährigen australischen Unternehmer Craig Steven Wright handeln soll. Mithilfe kryptographischer Techniken wird sichergestellt, dass nur der Eigentümer der Bitcoins Transaktionen vornehmen kann und die Geldeinheiten nicht mehrfach ausgegeben werden können. Daher wird Bitcoin auch als Kryptowährung oder Kryptogeld bezeichnet.

Hinter Bitcoin steht die sogenannte Blockchain-Technologie. Eine Blockkette besteht aus einer Kette verschlüsselter und miteinander verbundener Blöcke. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei um ein riesiges Register, in dem alle Transaktionen verzeichnet werden und das gleichzeitig von einer Vielzahl von Rechnern verwaltet wird. Das soll es fälschungssicher machen. Das System ist vollkommen anonym: Jede Transaktion kann nachvollzogen werden, nicht aber die Adressaten – auch nicht von Strafverfolgungsbehörden, was den Einsatz von Bitcoin auch für illegale Geschäfte durchaus interessant macht.

Der Schweizer Börsenbetreiber SIX geht davon aus, dass sich infolge der Blockchain die Wertschöpfungskette in der Finanzbranche verändern wird und die Margen für bestimmte Geschäfte unter Druck geraten könnten. Insbesondere der Zahlungsverkehr könnte sich dank Blockchain-Technologie stark verändern, da dezentrale Systeme effizienter und schneller sein können. Laut einer Studie der spanischen Bank Santander könnten Banken dank Blockchain-Technologie ab 2022 bei grenzüberschreitenden Zahlungen pro Jahr 20 Milliarden Dollar an Infrastrukturkosten einsparen.

2. Wie kam es zum Bitcoin-Hype?

Der Handelswert der Bitcoin hat eine bewegte Geschichte hinter sich. So lag der Kurs des Bitcoin während mehrerer Jahre bei rund 5 Franken, stieg aber Ende 2013 auf 1000 Franken. Es herrschten geradezu euphorische Zustände: mehrere Behörden anerkannten die digitale Währung, und sie wurde vielerorts als Zahlungsmittel akzeptiert. Der Höhenflug wurde im Frühling 2014 abrupt durch die Pleite der damals weltweit grössten Bitcoinbörse – der japanischen Mt. Gox – gebremst. Im Jahr 2015 war Bitcoin die Währung, die gegenüber dem Dollar am meisten zulegte. Heute liegt der Bitcoin-Kurs bei rund 400 Franken.

3. Wieso wird jetzt von einer Krise gesprochen?

Mitte Januar 2016 liess der englische Informatiker Mike Hearn – einer der tragenden Figuren der Bitcoin-Technik – verlauten, Bitcoin sei «gescheitert». Er warf entnervt das Handtuch hin. Damit gelang die Bitcoin-Krise, die sich in den letzten Monaten zugespitzt hatte, an die Öffentlichkeit.

Gemäss Hearn hat das Blockchain-System mit täglich über 200‘000 Transaktionen seine Grenzen erreicht. Es kann sogar vorkommen, dass die Abwicklung einer Bitcoin-Transaktion mehrere Stunden beansprucht. So wird nun innerhalb der Bitcoin-Community darüber debattiert, ob immer längere Wartezeiten für Bitcoin-Transaktionen in Kauf genommen werden müssten, oder ob die Popularität von Bitcoin durch Transaktionsgebühren zu bremsen sei. Unterschiedliche Ansätze zur Renovation des Bitcoin-Zahlungssystems spalten sowohl die Entwickler der Bitcoin-Basissoftware als auch die globale Bitcoin-Gemeinde. Hearn spricht gar von einem «Bürgerkrieg», welcher eine sachliche Diskussion der Herausforderungen verunmögliche.

4. Wie ist die Schweiz aufgestellt?

Die Möglichkeit, Güter und Dienstleistungen gegen Bitcoin zu beziehen, wird auch in der Schweiz zunehmend bekannt. So sind im Februar 2016 über 50 Geschäfte im Bitcoin Shop-Verzeichnis CH aufgeführt. Weltweit sind es über 7500. Zudem gibt es insbesondere in Zug mehrere Start-ups, welche im Bitcoin-Bereich arbeiten wie beispielsweise Monetas in Zug.

Branchenweit ist die UBS führend, aber auch die Credit Suisse ist auf den Bitcoin-Zug aufgesprungen. Beide Grossbanken gehören zu einem internationalen Konsortium, das 42 globale Banken vereint. Die Konkurrenten wollen gemeinsam erforschen, wie sich Bankensoftware aufgrund der Blockchain-Technologie entwickeln lässt. Gemäss Geschäftsführer dieses unter dem Namen «R3» bekannten Start-ups könnte diese Technologie den Markt für Finanzdienstleistungen so revolutionieren wie das Internet Medien und Unterhaltung revolutioniert hat.

Eine der ersten europäischen Bitcoin-Börse – Yacuna – wurde im Oktober 2014 in Zürich lanciert, musste ihre Tätigkeiten aber bereits im November 2015 wieder aufgeben. Grund dafür waren insbesondere zu langsame Transaktionen. Kunden mussten immer länger auf Auszahlungen warten, was sich negativ auf die Umsätze auswirkte.

Im Bericht zu virtuellen Währungen in Beantwortung der Postulate Schwaab (13.3687) und Weibel (13.4070) stellt der Bundesrat fest, dass der Bitcoin aus wirtschaftlicher Sicht bisher ein «Randphänomen» darstellt. Bitcoins werden vorwiegend von kleinen Nutzergruppen verwendet. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Bitcoin eine dem Franken ähnliche Bedeutung erlangen könnte, schätzt der Bundesrat als «sehr gering» ein. Nichtsdestotrotz empfiehlt er insbesondere den Konsumentenschutzorganisationen, die Nutzer zur Vorsicht bei der Verwendung von Bitcoin zu ermahnen.

5. Wie geht es mit Bitcoin weiter?

Wie die derzeit ausgetragenen Grabenkämpfe innerhalb der Bitcoin-Gemeinde weitergehen werden, ist offen. Die anfängliche Goldgräberstimmung ist verflogen, nun steht eher eine langfristige Perspektive im Vordergrund. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Bitcoin gestärkt aus dem aktuellen Streit gehen könnte, wenn die notwendigen Reformen richtig angepackt werden.

Jedenfalls gehen Experten davon aus, dass die im Rahmen von Bitcoin entwickelte Blockchain-Technologie auch ohne Bitcoin weiterleben würde. So hat das britische Government Office for Science am 19. Januar 2016 der Regierung vorgeschlagen, beispielsweise das Steuersystem oder die Rentenverwaltung mithilfe der Blockchain-Technologie zu digitalisieren.

Weitere Anwendungen der Blockchain-Technologie dürften in 3 bis 5 Jahren marktreif sein. Um darüber zu debattieren, sind in den nächsten Monaten weltweit zahlreiche Events und Konferenzen geplant.

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