Spannender Austausch zum Zustand der Unternehmensberichterstattung: Forscher Daniel Vogler (fög Universität Zürich), Hans Ulrich Meister, Präsident des Verwaltungsrats, Implenia AG, Andreas Hugi, CEO & Co-Gründer FurrerHugi, Larissa Alghisi Rubner, Chief Communications Officer, Bank Julius Bär AG und Beatrice Bösiger, Wirtschaftsredaktorin Tamedia. Das animierte Gespräch leitete „Arena“-Dompteur Sandro Brotz (v.l.). (Foto: Verein Medienqualität Schweiz)

Einleitung

Die chinesischen Unternehmen investieren vermehrt in den europäischen und namentlich in den Schweizer Markt. In den letzten Monaten wurde der Verkauf namhafter Schweizer Firmen an chinesische Konzerne bekannt: Syngenta, SIGG, Rado, Eterna, Corum, Swissport, Saurer, Swissmetal, Hotel Palace Luzern und einige mehr. Aktuellstes Beispiel ist der geplante Kauf der Hotelgruppe Starwood durch die chinesische Versicherungsgesellschaft Anbang. Zur Starwood-Gruppe gehören auch acht Schweizer Hotels, darunter das Genfer President Wilson, wo die aktuell teuerste Suite der Welt für 60‘000 Franken pro Nacht zu buchen ist.

Da es sich häufig um Traditionsfirmen handelt, wecken die Verkäufe Unsicherheiten und schüren vorhandene Vorurteile gegenüber der Wirtschaftsmacht China. influence beantwortet sechs Fragen zu den Investitionen der chinesischen Unternehmen in der Schweiz.

Warum ist die Schweiz interessant?

Die Schweiz geniesst in China einen ausgezeichneten Ruf. Dies liegt nicht nur daran, dass die Schweiz in den Augen von Chinesinnen und Chinesen ein Land mit wunderschöner Landschaft, guter Schokolade und hoch begehrten Luxusartikeln ist. Die Schweiz ist auch bekannt für ihre hochentwickelte Wirtschaft, ihren starken Finanzsektor und ihre grosse Innovationsfähigheit. Swiss Quality ist in Fernost nach wie vor ein hochangesehener Wert. Zudem gibt es durchaus wesensverwandte Eigenschaften. Die Schweizer gelten, wie die Chinesen auch, als fleissig und pragmatisch und lassen gute Entscheide gerne reifen.

Dass die Schweiz für China einer der wichtigsten Partner ist, hat zudem historische Gründe. Die Schweiz gehörte in den 1950er-Jahren zu den ersten westlichen Ländern, welche die neue Volksrepublik China anerkannt haben. Der Schweizer Schindler-Konzern war 1980 das erste ausländische Unternehmen, das mit einer chinesischen Firma ein Joint Venture einging. Auch den Marktwirtschaftsstatus Chinas hat die Schweiz früher als andere westliche Länder anerkannt und als erster kontinentaleuropäischer Staat 2014 mit China ein Freihandelsabkommen abgeschlossen. In den letzten Jahren haben sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern weiter intensiviert. Gemäss Wirtschaftsinformationsdienst Bisnode D&B sind in der Schweiz bereits mindestens 60 Unternehmen mit chinesischen Muttergesellschaften registriert. Zwischen 2011 und 2015 wurden insgesamt 44 Übernahmen durch chinesische Firmen verzeichnet.

Bei den Übernahmeaktivitäten der Chinesen in Europa ist die Schweiz, gemessen an ihrer Grösse, überdurchschnittlich begehrt. Sie landet hinter Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Spanien und Italien auf Platz sechs. Die gesamthaften Investitionen in Europa beliefen sich 2015 laut einer Studie Anwaltskanzlei Baker & McKenzie auf 23 Milliarden Dollar in Europa, wohingegen «nur» 15 Milliarden in den USA investiert wurden. Genaue Zahlen für die Schweiz sind noch nicht verfügbar. Das Mitte 2014 in Kraft getretene Freihandelsabkommen zwischen den beiden Ländern hat Investitionen und Übernahmen weiter vereinfacht. Obwohl die aktuelle Börsen- und Wachstumsschwäche in China die Übernahmelust etwas dämpft, wird der Schweiz bei der chinesischen Auslandexpansion mittel- und längerfristig weiterhin eine «überproportionale Rolle» zukommen. Die Chinesen passen dabei ihren Übernahmefokus zusehends an. Neben qualitativ hochwertigen Industrieproduktionen rücken zunehmend technologieintensive Dienstleistungsbetriebe wie Gesundheitsanbieter, Qualitätsmanager, Finanzdienstleister sowie auch Bildungs- und Cleantech-Unternehmen in den Mittelpunkt des Interesses.

Verfolgt China einen Masterplan?

Ein von der chinesischen Regierung gesteuerter Masterplan für Firmenübernahmen in der Schweiz existiert nicht. Die chinesische Wirtschaft ist heute in weiten Teilen eine privatwirtschaftlich organisierte Marktwirtschaft mit einer rasch wachsenden Zahl an privaten Unternehmern. China kennt allerdings nach wie vor das System der Fünfjahrespläne mit einer starken staatlichen Wirtschaftspolitik. Am 16. März 2016 verabschiedete der chinesische Volkskongress seinen dreizehnten Fünfjahresplan für 2016 bis2020. Gemäss diesem will China in den nächsten fünf Jahren um rund 6,5 Prozent jährlich wachsen. Ziel ist die Verdoppelung der Wirtschaftsleistung und der Einkommen gemessen am Zeitraum von 2010 bis 2020, um eine «gemässigt wohlhabende Gesellschaft» zu erreichen. Beide Ziele sind sehr ambitioniert und setzen voraus, dass es bis 2020 zu keinen grösseren Wachstumseinbrüchen kommt. Nach zwei Jahrzehnten mit zweistelligen Wachstumsraten wächst Chinas Wirtschaft seit 2014 stetig langsamer. Im vergangenen Jahr fiel das Wachstum auf 6,9 Prozent – dem niedrigsten Wert seit einem Vierteljahrhundert.

China ist aber nach wie vor eine der am stärksten wachsenden Volkswirtschaften und das bevölkerungsreichste Land der Welt. Darüber hinaus verfügt China über Währungsreserven von über 3000 Milliarden Dollar. Diese Reserven wollen möglichst optimal investiert sein. Chinas Wirtschaft steckt mitten in einem schwierigen Strukturwandel, vom Produktions- hin zu einem Dienstleistungs- und High-Tech-Standort. Die Bedingungen in der chinesischen Wirtschaft werden für die dortigen Unternehmen zudem immer problematischer. Sie können im chinesischen Markt keine produktiven Investitionen in dem Ausmass mehr tätigen, wie das bis vor ein paar Jahren noch möglich war. Dies erhöht den Wettbewerbsdruck auf dem chinesischen Binnenmarkt ganz beträchtlich. Auslandsinvestitionen sind deshalb ein Weg, um in diesem harten Wettbewerb weiter bestehen zu können und zu diversifizieren. Die chinesische Regierung fördert denn auch aktiv Auslandsinvestitionen von chinesischen Firmen und die Ansiedlung von Unternehmen in der Schweiz spielt in der Wirtschaftsstrategie der chinesischen Führung eine zentrale Rolle.

Unternehmen aus der Volksrepublik wählen die Schweiz oft als ihr Hauptquartier, um sich den Zugang zum europäischen Markt zu sichern. Daneben bieten die Schweiz und Schweizer Firmen das ideale Umfeld, um die im aktuellen chinesischen Fünfjahresplan besonders betonten Ziele einer «nachhaltigen und qualitativ besseren Entwicklung» zu erreichen. China geht es neben der Steigerung von Marktanteilen aber auch um einen leichteren Zugang zu Kapital. Die Investitionen sind somit durchaus auch im Interesse des Staates. Es ist deshalb davon auszugehen, dass es neben weiteren Investitionen und Übernahmen künftig auch zu einer Welle von Kapitalströmen aus China kommen wird.

Was ändert sich für Schweizer Firmen bei einer Übernahme?

Wenn eine chinesische Firma eine schweizerische übernehmen will, so ist die Skepsis oft besonders gross. Zwar hält sich die Begeisterung oft auch in Grenzen, wenn der Käufer einer Schweizer Firma aus den USA, Grossbritannien, Frankreich oder Deutschland stammt. Beim übermächtig scheinenden Riesenreich aus dem Fernen Osten, dessen Kultur die meisten nicht kennen, ist das Misstrauen aber meist besonders ausgeprägt. Die bisherigen Erfahrungen rechtfertigen dieses Misstrauen aber nicht, wie eine Untersuchung von PWC Schweiz zeigt. In den überwiegenden Fällen bezahlen chinesische Unternehmen einen guten Preis und bislang hat man mehrheitlich auch gute Erfahrungen mit Übernahmen durch chinesische Firmen gemacht. Die chinesischen Eigentümer gewähren den übernommenen Schweizer Firmen in der Regel sehr viel Autonomie und lassen in einem ersten Schritt nach dem Kauf die Unternehmen meist unberührt. Forcierte Reorganisationen und Stellenabbau werden im Gegensatz zu Übernahmen durch westliche Firmen kaum beobachtet, in den meisten Fällen wurde der Personalbestand sogar ausgebaut.

In einem zweiten Schritt werden dann Bemühungen in die Wege geleitet, um die erworbene Technologie nach China zu transferieren und für den chinesischen Markt nutzbar zu machen. Das übrige Ausland wird aber in der Regel weiterhin wie vor der Übernahme aus der Schweiz bedient. Chinesen sind denn auch mit Veränderungen deutlich zurückhaltender als Mitbewerber aus dem Westen. Da diese die westlichen Märkte noch nicht so gut kennen, beobachten sie erst einmal und warten ab. Aus heutiger Sicht verhalten sich die chinesischen Investoren in der Schweiz überwiegend verantwortungsbewusst und nachhaltig. Offen bleibt vorderhand, wie nachhaltig die chinesischen Investitionen für die hiesige Wirtschaft sind und was diese langfristig für die betroffenen Unternehmen und Marken bedeuten.

Sind die Chinesen nur auf einen schnellen Profit aus?

Chinesische Firmen wollen – wie westliche Firmen auch – Geld verdienen. Chinesische Unternehmen denken aber prinzipiell in langfristigen Zeiträumen. Die Chancen stehen somit gut, dass sich die chinesischen Engagements in der Schweiz auch langfristig positiv auswirken für die Belegschaft wie auch für die Aktionäre. Der Antrieb für Übernahmen ist aber von Sektor zu Sektor unterschiedlich. Letztendlich wollen Unternehmen aus China ihre Wertschöpfungskette verbessern. In der Schweiz geht es bei Übernahmen deshalb primär um Markenfirmen und gut geführte Technologie-Unternehmen mit Technologie-Patenten. An diesen Perlen haben chinesische Unternehmen besonders grosses Interesse. Bei Übernahmen von Hightech-Firmen kann es jedoch vorkommen, dass der Investor nur an der Technologie, nicht aber am unternehmerischen Engagement in der Schweiz interessiert ist. Die Schweiz bietet für Chinas nächsten Entwicklungsschritt hervorragende Produkte, Prozesse und Know-how. Der schnelle Profit steht deshalb hierzulande in den meisten Fällen hinter dem Wissensgewinn und dem Marktzugang zurück.

Welches sind die grössten kulturellen Probleme?

China und die Schweiz sind trotz überraschend vieler Berührungspunkte zwei völlig unterschiedliche Kulturen. Dies hat gewisse Anpassungsschwierigkeiten zur Folge. Chinesische Unternehmer, die bereits in der Schweiz wirken, räumen denn auch gewisse kulturelle Hürden ein. Die meisten chinesischen Unternehmen müssen sich mit kulturellen Missverständnissen zwischen chinesischen und schweizerischen Angestellten beschäftigen. Dabei führen nicht primär sprachliche Probleme zu Konflikten, sondern erhebliche Mentalitätsunterschiede. So ist es beispielsweise in der Schweiz üblich, seine Haltung zu zeigen, die eigene Meinung zu sagen und Probleme offen anzusprechen. Chinesen hingegen haben die Gewohnheit, direkte Kritik zu vermeiden und einen Sachverhalt zu umschreiben, in der Hoffnung, dass der Gesprächspartner schliesslich das Problem selbst versteht. Dies kann zu beträchtlichen Missverständnissen führen. Zu Konflikten führen oft auch Lohnunterschiede. Chinesische Mitarbeitende verdienen häufig deutlich weniger als ihre Schweizer Kollegen.

Das chinesische, zentral gesteuerte Management verträgt sich zudem nicht immer mit dem europäischen System interdisziplinärer Teams und Matrix-Organisationen. Zudem ist die Kundenbeziehung in China weniger vom partnerschaftlichen Zusammenarbeiten geprägt als von einer deutlich hierarchischer verstandenen Auftraggeber-Auftragnehmer-Situation, die hier oftmals für etliche Irritationen sorgt. Kulturelle Missverständnisse rühren aber auch daher, dass die Schweiz in China zwar bekannt ist für ihre Aushängeschilder wie Schokolade und Uhren und unter chinesischen Unternehmern einen hervorragenden Ruf geniesst, die Schweiz aber niemand wirklich kennt, weder kulturell noch als Produktions- und Wirtschaftsstandort. Das politische wie auch das wirtschaftliche System unterscheiden sich deutlich vom chinesischen. Diejenigen Unternehmen mit einer hohe Lern- und Adaptionsfähigkeit integrieren sich relativ rasch in unser System.

Ist der chinesische Wirtschaftsboom bereits vorbei?

China hat fast 1,4 Milliarden Einwohner und somit einen riesigen Binnenmarkt. Mehr als 7 Millionen Hochschulabsolventen treten jedes Jahr in den Arbeitsmarkt ein. Der Urbanisierungsprozess hält an. Im Zuge dieses Prozesses kommen pro Jahr rund 20 Millionen Menschen aus ländlichen Gebieten in die Städte, was grosse Investitionsbedürfnisse einerseits und Konsumbedürfnisse andererseits mit sich bringt. Letztes Jahr erreichte der Dienstleistungssektor bereits einen Anteil von 50,5 Prozent am BIP, 16,7 Prozentpunkte mehr als der Industriesektor. Der Beitrag des Konsums zum Wirtschaftswachstum betrug 66,4 Prozent. Damit erweisst sich der Konsum als der stärkste Antreiber des Wirtschaftswachstums. Chinas BIP ist in den letzten fünf Jahren von über 7‘000 Milliarden Dollar auf mehr als 10‘000 Milliarden Dollar angewachsen. Die Devisenreserven betrugen Ende 2015 3‘330 Milliarden Dollar. Die durchschnittliche Sparquote der chinesischen Bevölkerung liegt bei über 38 Prozent. Neue Sparguthaben beliefen sich letztes Jahr auf etwa 597 Millionen Dollar.

Das verfügbare Einkommen pro Kopf wuchs um 7,4 Prozent, also um 0,5 Prozentpunkte mehr als dasjenige der Wirtschaft als Gesamtes. Zugleich zieht China nach wie vor internationales Kapital in grossem Umfang an. Die ausländischen Direktinvestitionen beliefen sich im Jahr 2015 auf 126 Milliarden Dollar, ein Plus von 5,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die materielle Basis Chinas ist somit nach wie vor robust. China hat mehr als 220 industrielle Produkte, die auf ihrem Gebiet global die Spitzenposition einnehmen. Bezüglich Hochgeschwindigkeitsbahnen rangiert China weltweit ebenfalls auf Platz eins. Ausserdem ist China die Nummer zwei auf der Welt in Bezug auf Forschungs- und Entwicklungsausgaben und die Nummer eins bei der Anzahl eingetragener Patente. Das industrielle System hat aber auch deutliche und kapitalintensive Schwächen wie den massiven Ressourcenverbrauch und die weitgehend noch ungelösten immensen Probleme im Bereich Umweltschutz. China unternimmt hier grosse Anstrengungen, doch wird es noch eine Weile dauern, diese in den Griff zu kriegen.

Trotz der gegenwärtigen Abschwächung der chinesischen Wirtschaft sollte China noch nicht abgeschrieben werden.

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